Tödliche Freundschaft

von | 14.10.2024 | Belletristik, Buchpranger

Lucy Clarke ist für ihre raffinierten Destinationsthriller bekannt. Sie entführt ihre Leserinnen und Leser an die schönsten Orte dieser Welt und lässt dort das Böse der Menschen zum Vorschein kommen. Seitentänzerin Michelle-Denise war mit ihr unterwegs in Griechenland und Norwegen.

„One of the Girls“

Lexi und ihre fünf Freundinnen reisen nach Griechenland, um ihren Junggesellinnenabschied zu feiern. Dort angekommen, genießen sie die malerische Urlaubskulisse der imposanten Villa direkt am Meer. Jedoch merken die Frauen schnell, dass sie allesamt komplett unterschiedliche Charaktere sind. So kommen Konflikte, die im Verborgenen zu liegen schienen, nach und nach ans Tageslicht und münden in eine tödliche Katastrophe.

In diesem packenden Thriller schickt die Autorin Lucy Clarke ihre sechs Protagonistinnen an einen paradiesisch schönen Urlaubsort. Sonne, Meer und Strand – eine perfekte Umgebung für einen Kurzurlaub mit Freundinnen vor einer Hochzeit. Dass der Schein trügt, wird den Leserinnen und Lesern nur allzu schnell bewusst. Clarke lässt die Geschichte abwechselnd von ihren Protagonistinnen beleuchten. Während es zunächst etwas unübersichtlich wirkt, wer wer genau ist und wie die Frauen zueinanderstehen, zieht sich aber relativ schnell ein roter Faden durch die Geschichte, der hilft, die Frauen zuzuordnen.

Kleine neutrale Zwischensequenzen, die keiner der Frauen konkret zuzuordnen sind, durchbrechen die regulären Kapitel innerhalb der Handlung und geben immer wieder einen spannenden Vorgeschmack auf das Drama, auf das die Geschichte zusteuert, ohne zu viel zu verraten. Fest steht nur, dass es einen Mord geben wird. Mit diesem Wissen im Hinterkopf wird die Spannung permanent hochgehalten. Wer wird sterben und wer ist für den Tod verantwortlich? Letztendlich kam ich zu dem Entschluss, dass jede der Frauen einem Mord zum Opfer fallen oder Täterin sein könnte. Die Konflikte unter den Freundinnen sind so zahlreich und komplex, dass jede sich von ihrer Wut und Enttäuschung leiten lassen könnte. „One of the Girls“ ist ein packender Thriller, mit dessen Ausgang ich nicht gerechnet hätte.

„The Hike“

Jedes Jahr verreisen die vier Freundinnen Liz, Joni, Maggie und Helena gemeinsam. Bisher haben sie ihren Urlaub immer an einem warmen Ort am Meer verbracht. Dieses Mal darf jedoch Liz das Reiseziel aussuchen und entscheidet sich ausgerechnet für die Besteigung eines Berges in Norwegen. Die anderen drei Frauen sind entsetzt, beugen sich aber grummelnd Liz‘ Willen und hoffen das Beste. Jedoch sorgt die Einsamkeit in der Wildnis schnell dafür, dass Konflikte hochkochen, die besser verborgen geblieben wären und tödlich enden.

Anders als in den anderen Thrillern von Lucy Clarke dient hier keine paradiesische Insel und kein warmer Küstenort als Handlungsort, sondern die raue Wildnis Norwegens mitsamt ihrer windigen Böen auf dem Berg. Die vier Protagonistinnen kennen sich seit Kindertagen, aber könnten unterschiedlicher nicht sein. Obwohl sich ihre Leben in verschiedene Richtungen entwickelt haben, haben sie sich nie so ganz aus den Augen verloren und an ihrer Freundschaft und den damit verbundenen Ritualen festgehalten. Diese Konstellation der verschiedenen Charaktere und Lebensstile hat mir sehr gefallen, da sie sich so nah am realen Leben orientiert. Freundschaft ist eben nicht immer perfekt, sondern echt.

Genau zu dieser Erkenntnis kommt man, wenn man die einzelnen Sichtweisen der Protagonistinnen kennenlernt. Jede von ihnen hat ihre eigenen persönlichen Sorgen und Ängste, von denen nicht alle Freundinnen Kenntnis haben. Es war spannend zu erleben, wie die Konflikte unterdrückt wurden, aber dennoch in Ausnahmesituationen zum Vorschein kamen. In unregelmäßigen Abständen fügen sich zwischen den Kapiteln Sequenzen ein, die zwar in Präsens geschrieben sind, jedoch eine dramatische Vermisstensuche in den Bergen aus der Vergangenheit beschreiben. Ich brauchte tatsächlich eine Weile, um die Zwischensequenzen in die korrekte Zeit der Geschichte einzuordnen, aber dieses erhöhte den Spannungsbogen noch um ein Vielfaches.

Obwohl ich selbst keine spezifischen Kenntnisse vom Bergwandern habe, habe ich die Geschichte als sehr realitätsnah und spannend empfunden. Ich hatte fast das Gefühl, selbst den Blåfjell zu erkunden und mit den Freundinnen ihren Überlebenskampf mitzuerleben.

  • One of the Girls. Lucy Clarke. Übersetzung: Urban Hofstetter. dtv. 2023.
  • The Hike. Lucy Clarke. Übersetzung: Urban Hofstetter. dtv. 2024.
Michelle-Denise Oerding

Michelle-Denise Oerding

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