‚Soma‘ bezeichnet im Griechischen das ‚Körperliche‘ und ist auch der Titel eines bemerkenswerten Computerspiels von Frictional Games. Seitenkünstler Aaron stellt vor, warum sich das Gruseln hier lohnt.
Der Protagonist namens Simon hat bei einem Autounfall ein Hirntrauma erlitten und nimmt zur Heilung an einer experimentellen Studie teil. Dabei soll eine digitale Kopie seines Gehirns erstellt werden. Simon erwacht etwa 90 Jahre nach der Prozedur in einer scheinbar verlassenen Forschungsstation. Auf seiner Suche nach anderen Menschen entdeckt er allmählich, dass in diesem Science-Fiction-Setting eigentlich gar nichts mehr stimmt.
Man sieht sich, hört sich, spürt sich
Soma ist aufgrund der düsteren Spielwelt und der gruseligen Antagonisten zunächst dem Horror-Genre zuzuschreiben. Die Spielmechaniken verzichten weitestgehend auf Interface-Einblendungen wie Lebensbalken oder Punktesysteme und fokussieren stattdessen die räumliche Erkundung aus der Egoperspektive. Im Prinzip handelt es sich bei Soma also um ein Explorationgame. Die Körperlichkeit des Protagonisten wird dabei im Gegensatz zu manch anderen Erkundungsspielen auf allen Ebenen besonders hervorgehoben. Dies ermöglicht Spielenden eine tiefergreifende Teilnahme am Spielgeschehen und ist auch für die Geschichte wichtig.
Spannung wird nicht ausschließlich durch kleinere Actionsequenzen, wie etwa bei Verfolgungsjagden, erzeugt, denn ein Kampfsystem, Endgegner und Game-Over-Sequenzen gibt es so nicht. Wie im Spiel „The Old City: Leviathan“ (PostMod Softworks, 2014) ist die Spielwelt derart interessant gestaltet, dass allein ihr Durchlaufen genügt, um für etwa zehn Spielstunden zu fesseln. Die bedrückende Atmosphäre wird in den perfekt designten Leveln nur zum Teil durch das ausgeklügelte Zusammenwirken von Licht und Dunkelheit erzeugt. Die komplett vertonten Dialoge und das gelungene Sounddesign unterstützen die visuelle Ebene, in der vor allem in den Stresssituationen des Protagonisten Glitches und Statikinterferenzen das Gefühl der Furcht transportieren.
Zwischen Bewusstsein und Simulation
Beim Spielen von „Soma“ muss man ebenso wie der Protagonist stets neu verhandeln, auf welcher Ebene der Fiktion oder Realität die Geschichte stattfindet. Gespielt wird hier vor allem mit dem Kopf: Es gilt, der Spielwelt und den ausgefeilten Dialogen die nötigen Informationen zu entnehmen, um Simons Situation in der Forschungsstation zu verstehen. Die Entwickler von Frictional Games erzählen eine detailreiche und philosophische Geschichte und nutzen dabei alle verfügbaren Mittel. Dies schließt die Rolle zwischen Spielenden und Spielfigur mit ein.
Thematisch wird vor allem unser somatisches (körperbezogenes) Menschenbild behandelt und mit der Frage verknüpft, wie viel Leben in künstlicher Intelligenz stecken kann. Momente, in denen Zustände jenseits von lebendig und tot entdeckt werden, stellen im Verlauf der Spielgeschichte stets Wendepunkte dar und sind besonders eindrucksvoll inszeniert.
Kein abstumpfendes Geschocke, sondern existenzielle Furcht
Im Gegensatz zu Spielen mit vergleichbarem Gameplay, wie etwa „Outlast“ (Red Barrels, 2013) wird in Soma auf direkte Darstellung von Gewalt verzichtet. Die erkundbaren (Gewalt-) Schauplätze werden in Bild- und Textausgabe mit einer eindeutig fiktionalen, nichtmenschlichen Bedrohung in Verbindung gesetzt. Der Horror setzt sich aus der Angst vor dem Unbekannten, der Einsamkeit und der Ungewissheit der eigenen Existenz zusammen.
Die Entwickler haben in einem von Splatter und Zombies verseuchten Genre Fantasie und Köpfchen bewiesen, indem sie den Horror genau dort stattfinden lassen – in der Fantasie und in den Köpfen der Spielenden. Und obwohl sie diesen Weg fernab des ideenlosen Mainstream beschreiten, präsentieren sie Soma mit einer technisch durchaus sehenswerten Grafik, die sie durch allerlei nette Details zu nutzen wissen.
Soma. Frictional Games. 2015. Spieler: 1. Gespielt auf der PS4. BK-Altersempfehlung: Für Hartgesottene oder zum Spielen tagsüber mit Freunden: Ab 16 Jahren.
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