Über Freundschaften und was ein Esel damit zu tun hat

von | 22.02.2021 | Bilderbücher, Buchpranger

Als Auftakt zu einer neuen Reihe ist jüngst „Der kleine Esel Liebernicht“ erschienen. Ein buntes Bilderbuch von Martin Baltscheit und Claudia Weikert, das Satzhüterin Pia nicht in allen Punkten überzeugen konnte.

Die Tiere auf dem alten Bauernhof sind traurig und besorgt: Ihre geliebte Bäuerin Kathie hat ihre letzte Reise angetreten. Claire, die nach ihr auf den Hof kommt, fährt mit ihrem Cabrio vor und scheint nicht einmal Gummistiefel zu besitzen. Dennoch sind die Tiere voller Hoffnung, denn „wer so tüchtig telefoniert, ist bestimmt auch eine gute Bäuerin.“ Nach und nach kommen sie doch noch dahinter, dass das kein Umzugswagen ist, der kurz nach Claire vorgefahren kommt, sondern dass sie, die Tiere, abgeholt werden sollen. Die größer werdende Unruhe auf dem Hof endet erst, als die Eselin ein kleines Eselfohlen auf die Welt bringt. Claire ist sofort hin und weg und tauft das neueste Mitglied des Bauernhofes „Liebernicht“. Denn weggehen möchte sie nun lieber nicht mehr.

Themenpotpourri …

Das Buch greift viele Aspekte auf – aber was genau ist nun das zentrale Thema? Der Tod gleich zu Anfang sowie die Geburt des kleinen Esels? Der Kontrast von Stadt und Land durch Claire? Oder geht es um Schicksal und unverhoffte Neuanfänge? Oder ist am Ende die Freundschaft das zentrale Thema? Ich tendiere zu Letzterem und dennoch bleibt ein leicht überladener Eindruck – zumindest für ein Kinderbuch auf 40 Seiten, das sich an Kinder ab 4 Jahren richten soll.

… und Figurensalat

Der namensgebende kleine Esel Liebernicht spielt in dem Buch natürlich eine tragende Rolle – denn er ist derjenige, der den Fortbestand des Bauernhofes ermöglicht, wenn auch unwissend –, dennoch erscheint er irritierend spät und erst im letzten Viertel des Buches. Sein Name soll daher rühren, dass er sich Zeit damit ließ auf die Welt zu kommen und Claire zudem nun „lieber nicht“ mehr vom Hof weggehen möge. Spätestens vor dem Hintergrund der noch nachfolgenden Titel wie „Der kleine Esel Liebernicht – Baden? Lieber nicht!“ wirkt dies arg konstruiert.

Figuren wie Linh – scheinbar eine Art hofeigene Haushaltshilfe? – werden wie selbstverständlich integriert und nicht einmal durch einen Nebensatz irgendwie eingeordnet. Stört dies auch Kinder oder nur mich?

Die Sache mit dem Tod

Der Tod der Bäuerin Kathie gleich auf den ersten Seiten wird nicht explizit benannt. Kathie merkt, dass sie sich von den Tieren verabschieden muss, um gemeinsam mit einem alten Freund ihre letzte Reise anzutreten. Eine sehr blumige und indirekte Umschreibung für das Sterben und den Gevatter Tod, der für die vom Verlag angegebene Altersgruppe kaum notwendig gewesen wäre – immerhin kommen Kinder mit dem Thema Tod oftmals besser zurecht als Erwachsene. So könnte hingegen sogar Erklärungsbedarf entstehen, wenn Kathie so plötzlich geht und nur implizit verstirbt.

Liebevoll gestaltet

Das Bilderbuch ist sehr liebevoll gestaltet. Details wie die Hühner beim Kaffeekränzchen erinnern an „Pettersson und Findus“. Das große Format und die abwechslungsreiche Gestaltung laden zum Betrachten und zum Entdecken ein. Mal sind es viele Szenen vereint in einem Bild durch die mehrfache Abbildung einer Figur, mal ist es nur ein großes ruhiges Bild, das die Botschaft des Textes auf der Seite untermalt. Einige Szenen dürfen über die gesamte Doppelseite wirken, andere Seiten und Textblöcke sind für sich illustriert. Zum Betrachten und ins Gespräch kommen laden auch die Umschlaginnenseiten ein. Diese zeigen vorne simpel skizziert den Hof von Kathie – und mit derselben Skizze hinten den Hof von Claire. Kathies Name ist hier übermalt, was tatsächlich den Charakter der Austauschbarkeit verstärkt.

Insgesamt ist der erste Band „Der kleine Esel Liebernicht“ ein nettes und unterhaltsames Bilderbuch geworden, dessen insgesamt sehr idyllisches Bauernhofsetting durch eine Mischung aus tragischen und oft auch komischen Elementen aufgemischt wird. Die Altersangaben des Verlages sind vermutlich eher nach hinten zu korrigieren: Für 4-Jährige ist der Text tendenziell zu umfangreich und eher zum Vorlesen für 6-jährige Kinder.

Der kleine Esel Liebernicht. Text: Martin Baltscheit. Illustrationen: Claudia Weikert. Loewe. 2021. BK-Altersempfehlung: ab 6 Jahren.

 

Bücherstadt Magazin

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