Der Debütroman „Im Leben nebenan“ von Anne Sauer führt uns in die Welt von Antonia – oder auch Toni genannt. Sie lebt mit ihrem Freund Jakob in einer Wohnung in der Stadt, mit Kinderwunsch und dem Vorhaben, schwanger zu werden. Oder anders: Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in ihrer Heimatstadt und ist frisch gebackene Mutter. „Im Leben nebenan“ gibt uns Einblicke in zwei Lebensrealitäten und lässt uns mit der großen Frage zurück: Was wäre, wenn? – Von Bücherstädterin Alica
Von der Verliebtheit bis zum Kinderwunsch, den Versuchen, schwanger zu werden, und dem Leben als frisch gebackene Mutter in der Heimatstadt: Zu Beginn treffen wir Jakob und Toni und erleben ihre Beziehung, ihre Kennenlerngeschichte und die Dynamik der beiden. Sie plagen die Versuche, schwanger zu werden. Nach diesem Einstieg bekommen wir direkt die andere Version geschildert, die auf den Namen Antonia hört: Aufwachen mit Baby auf dem Arm, überfordert und verwirrt. Die aufgeführten zwei Welten werden mit dieser Namenstrennung, Toni und Antonia, unterschieden und bieten noch mehr Raum für die Frage nach Identität und Sein.
Bereits zu Beginn ermöglicht der Roman einen einfachen Einstieg in die Handlung und die Gefühlswelt. Sauer imponierte beim Lesen mit ihrer ehrlichen, klaren Schreibweise, die wie eine übliche innere Stimme im Kopf klingt. Flott, aber präzise führt sie die Lesenden mit Humor und transparenten Gedankengängen durch die zwei Leben, die die Protagonistin führt. Dabei war die Abwechslung der Perspektiven spannend, die von Kapitel zu Kapitel wechseln – einmal Antonia und einmal Toni.
„Sie solle sich auch mal Zeit für sich nehmen, rieten die Ratgeber. Sie überlegt: Was war dieses ‹sich›, wenn es schon nicht der Körper war?“ (S. 158)
Das Buch hat beim Lesen viel Stoff zum Nachdenken kreiert, rund um das Thema Frausein, Mutterschaft und Familie. Bewältigung von Alltagssituationen als Mutter, das Mitdenken und Umdenken, der Wandel in Beziehungsdynamiken – sowohl in Partnerschaft als auch in Freund:innenschaften –, Familienkonstellationen, Veränderungen des Körpers sowie Traumata und die Frage der „Mutterliebe“. Mit Witz und Leichtigkeit fokussiert sich Sauer darauf, einen Zugang zu schaffen, um ein Bild davon zu vermitteln, wie ein Leben aussehen kann, das vorbestimmt ist, und eines, das nachdenken lässt, wo man überhaupt hin will – doch welche Version ist welche? Beide Leben haben in mir gleichermaßen etwas ausgelöst: das Hinterfragen von Strukturen und der Mutterschaft in ihren Facetten.
Nicht nur Mutterschaft ist im Roman zentral, auch das Finden eines authentischen Selbst und was das überhaupt bedeutet, rückt in den Fokus der Erzählung. Mit Hingabe für Rhythmus und Tiefgang in leichter Sprache kutschiert uns die Handlung durch die Wogen, die das Leben innehat.
„Alle wollten, dass sie Kinder will. Aber niemand hatte sie darauf vorbereitet, keine Kinder bekommen zu können.“ (S. 58)
Ein Gedankenexperiment, das auch bei mir nachhallt. Wem der Roman „Die Mitternachtsbibliothek“ gefallen hat, sollte sich auf jeden Fall auch diesem Werk widmen!
Im Leben nebenan. Anne Sauer. Dtv. 2025.



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