[ads_color_box color_background=“#ededed“ color_text=“#444″]Was bisher geschah …
Vor etwa einem halben Jahr schloss sich Marian der Riege Außergewöhnlicher Charaktere, kurz RAC, an. Die Riege ist eine Gruppe von Elite-Cosplayern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, einige Comic-Charaktere realistisch in ihre Welt zu bringen. Letzten Monat musste Marian in einer Prüfung unter Beweis stellen, ob er dem Mantel des „Jokers“ würdig war. Dies wurde ihm nicht nur durch zwei andere Cosplayer erschwert, auch Kommissar Darius Kolb war schneller als gedacht vor Ort, denn er hatte von seinem Neffen Moritz, Marians Partner, den entscheidenden Hinweis und damit Hilfe bei Marians Festnahme bekommen. Hier könnt ihr den 1. Teil der Geschichte „Unter dem Mistelzweig“ lesen. [/ads_color_box]
– 2 –
Nach dem Essen und zwei weiteren Tassen Punsch wirkte alles um Marian herum wie ein absurdes Theaterspiel.
„Ich habe euch Geschenke mitgebracht!“, verkündete Julius, als er einen prall gefüllten Jutesack auf seinen Sessel hievte.
„Heißt das, du machst nicht länger einen auf Riddler, sondern wirst zum Weihnachtself?“, stichelte Juliane, woraufhin sich das Gesicht ihres Bruders zu einer Grimasse verzog. „So wird das eher ein Grinch.“
„Ha, ha, ha.“
„Du meinst wohl eher: Ho, ho, ho!“, konnte sich Marian nicht verkneifen und ihre Runde brach in schallendes Gelächter aus, selbst Julius.
„Gut jetzt!“ Wild gestikulierte er mit den Armen, um alle zum Schweigen zu bringen. Theatralisch zog er das erste Geschenk heraus und verkündete, dass es für Viktor war.
Dieser erhob sich vom Boden und stapfte zu ihm hinüber.
„Aber bitte kein Rätsel, ich bin darin zu schlecht und die anderen wollen ihre auch noch bekommen!“
„Na gut, dann ein Gedicht oder führ’ uns was anderes vor!“
Viktor blickte sich auffällig im Raum um, bis er den Baum sah. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Er stimmte inbrünstig Mein kleiner grüner Kaktus an. Natürlich in seiner tiefen Bassstimme.
Erneut prusteten alle los, Julius lehnte sich über die Sessellehne und streckte ihm das Geschenk entgegen. „Hier nimm, aber bitte hör auf!“, flehte er ihn mit Tränen in den Augen an.
„Uuund als nächstes …“, wieder griff er in den Sack und zog ein längliches, schmales Paket hervor. Er hielt es Marian entgegen. „Das ist für dich Jokes, du weißt, was zu tun ist.“
Marian stand auf und trug dann den Weihnachtswitz vor, den er vorbereitet hatte: „Fragt die eine Gans eine andere: Glaubst du an ein Leben nach Weihnachten?“
„Na gut, lass ich gelten“, schmunzelnd ließ er Marian das Paket nehmen.
Marian setzte sich wieder auf das Sofa und begutachtete es kurz, bevor er das Papier vorsichtig öffnete. Darin eingewickelt war ein Schuhkarton. Als er den Deckel gerade hochheben wollte, beugte sich Loki zu ihm und flüsterte: „Lass es die Zwillinge noch nicht sehen. Dachte, ein bisschen Aufheiterung könnte dir ganz guttun.“
Vorsichtig und so, dass Juliane ihm gegenüber und Julius schräg neben ihm nicht reingucken konnten, hob Marian den Deckel an und sogleich hoben sich seine Mundwinkel. Drei Konfettikanonen warteten darauf, von ihm abgeschossen zu werden.
„Oh Gott, was hast du ihm geschenkt?“, kommentierte Julius seinen Gesichtsausdruck.
„Das wirst du schon noch früh genug erfahren …“ Loki lachte finster.
Viktor stand auf und schaute über Marians Schulter in den Karton. „Oh, das wird lustig.“
Als Julius ebenfalls nachsehen wollte, schloss Marian den Deckel und schüttelte nur langsam den Kopf. Für einen Moment funkelte der andere sie alle drei an, dann kehrte er zum Sack zurück. Das nächste Geschenk war wie ein Bonbon verpackt und an Miles adressiert.
Julius warf es einfach zu ihm rüber.
„Wie, den Heroes bleibt die Blamage erspart?“, erkundigte sich Marian.
„Is‘ Weihnachten.“ Julius zuckte nur mit den Schultern, während er schon nach dem nächsten Geschenk angelte.
„Ah, sehr schön“, mit einem Blick auf seine Schwester zog er einen Umschlag aus dem Sack und hielt ihn Alisa entgegen. „Captain.“
Neugierig blickte sie zwischen den Zwillingen hin und her, dann stand sie vom Sitzsack auf und nahm das Geschenk mit einem gekünstelten „Cluemaster“ entgegen.
Noch bevor sie die Verpackung öffnen konnte, rief Miles vom anderen Ende des Raumes: „Du gibst echt nicht auf?“ und hielt einen Stapel Notenblätter in Richtung Loki.
„Enter Sandman für die Ukulele? Wie geil ist das denn?“, kommentierte Gundel belustigt.
„Irgendwann, wirst du einsehen, dass ich recht habe.“
Schmunzelnd widmete sich Alisa ihrem Geschenk und stieß einen spitzen Schrei aus, als sie erkannte, was es war. „Das ist doch – aber das – wie hast du? Ah!“ Sie sprang Julius’ Zwillingsschwester in die Arme. „Danke, danke, danke. Du bist die Beste!“
Juliane erwiderte die stürmische Umarmung ebenso enthusiastisch. „Wusste doch, dass du dich freust.“
„Wie hast du das überhaupt geschafft, der Wettbewerb ist seit Monaten ausverkauft!“ Noch immer saß sie auf Julianes Schoß und betrachtete abwechselnd sie und den Inhalt des Umschlags ehrfürchtig.
„Die Tickets sind eigentlich eher symbolisch. Eine der Schiedsrichterinnen trainiert in meinem Dojo, wir stehen also auf der Gästeliste“, erklärte sie versucht beiläufig, konnte die Freude aber nicht aus ihrer Stimme fern halten, je mehr Alisa ihre Augen aufriss.
Erneut umarmte sie ihre Freundin stürmisch und drückte sie fest an sich.
„Das wird so cool!“, freute sie sich, nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, und hüpfte leicht auf der Stelle.
„Habt ihr‘s dann?“, fragte Julius die beiden gespielt genervt.
„Du verstehst das eh nicht“, behauptete Alisa und streckte ihm die Zunge raus.
„Was daran toll sein soll, anderen Leuten dabei zuzugucken, wie sie sich die Köpfe einschlagen, will ich gar nicht verstehen.“
„Du denkst schon wieder an Boxen. Das sind Tickets für die Judo-Meisterschaft. Komplett. Was. Anderes.“ Alisa unterstrich ihre Worte, indem sie Julius mit dem Umschlag gegen die Nase stupste.
„Was auch immer.“ Er wich ein Stück zurück. Ohne Vorwarnung warf er ein weiteres Päckchen zu seiner Schwester, die es gerade so auffing.
„Bisschen mehr Vorsicht, bitte!“, beschwerte sie sich.
Nachdem ihr Bruder nur mit den Augen rollte, öffnete sie die Verpackung. Gerührt hielt sie ein gerahmtes Foto in die Runde. Es zeigte die beiden in ihrem kompletten Cosplay, Black Widow und Riddler, Seite an Seite. Mit einer fließenden Bewegung stand sie auf und umarmte ihn fest.
„Wusste doch, dass sich hinter deiner kriminellen Schale noch ein weicher Kern versteckt“, stellte sie fest und gab ihm einen Schmatzer auf die Wange, den Julius sich angeekelt abwischte.
– Fortsetzung folgt am 15.12.19 auf www.randompoison.com –
Text: June Is (@ypical_writer) & Anne Zandt (PoiSonPaiNter)
Illustration: Seitenkünstler Aaron
0 Kommentare