Von Edelgasen und Beziehungsstörungen

von | 21.08.2016 | Belletristik, Buchpranger

In Laura Lackmanns Roman „Die Punkte nach dem Schlussstrich“ geht es um eine junge Frau, die zwanghaft nach der Liebe sucht. Was passiert, wenn man ohne Mann an seiner Seite nicht leben kann? Worteweberin Annika hat mit Lackmanns Protagonistin Luzy darüber nachgedacht.

Die Punkte nach dem SchlussstrichSeit Luzy als Jugendliche ihre beste Freundin Sophie für einen Jungen versetzt hat, hangelt sie sich von einer Beziehung zur anderen: Apollo, Peter, Jonas. Alle ihre Freunde sind wie Edelgase, die nur im Reagenzglas eine Beziehung eingehen, aber eigentlich am liebsten allein bleiben. Luzy versucht mit allen Mitteln trotzdem ein Miteinander zu erzwingen. Das handelt ihr schließlich eine Mausoleums-Wohnung, Sozialstunden und eine einstweilige Verfügung ein, doch Luzy hält schon die Augen nach dem nächsten Edelgas-Mann offen.

„Ach, wie schön ist es, von einem richtig furchtbaren, gemeinen, abweisenden Mann ‚fast‘ geliebt zu werden.“ (S.206)

Luzys Beziehungsstörungen kommen, so scheint es, nicht von ungefähr: Ihre Eltern leben getrennt, aber haben aus Faulheit einfach eine Mauer mitten durch die Familienvilla gezogen. Luzy wanderte dabei als Jugendliche in den unparteiischen Keller. Seit der Trennung versucht ihr Vater, sich mit einem möglichst ungesunden Lebensstil das Leben zu nehmen, erfolglos. Und ihre Mutter, ein ehemaliger Porno-Star, kann ihr auch keine brauchbaren Beziehungstipps liefern. Das ist eine Familienkonstellation, bei der sich Sigmund Freud wahrscheinlich die Finger lecken würde. Luzy sehnt sich nach Liebe und versucht, diese bei ihren Partnern zu erzwingen – ohne zu ahnen, wie sie sich eigentlich anfühlt. Woher soll sie auch wissen, ob nun Schmetterlinge oder giftige Motten in ihrem Bauch rumoren? Vorsichtshalber verstellt sie sich und spielt eine Super-Freundin, wobei sie sich selbst komplett aufgibt.

Abstieg in die Selbstreflexion

Luzy versinkt über das alles in Selbstreflexion, seziert ihre Emotionen und ihr Verhalten, ihre Beziehungen zu den Männern. Im Prinzip ist das auch schon die Handlung des Romans. Wo anfangs noch Mode, Musik und Freizeitaktivitäten eine Rolle spielen, bleiben irgendwann nur noch Luzys Gedanken über die Männer. Auch wenn sie genau weiß, was sie alles falsch macht, kann sie trotzdem nicht damit aufhören. Stattdessen läuft sie der Vergangenheit immer weiter hinterher. Die Vergangenheit ist dabei vor allem Jonas, ihr Ex-Freund, dem sie sich nur auf 100 Meter Entfernung nähern darf und dem sie trotzdem hinterher spioniert.

„Es gibt kein Ende, hinter dem Schlussstrich folgen immer Punkte…“ (S.110).

Beim Lesen kann die ständige Ich-Reflexion bisweilen anstrengend werden, zu selbstbezogen ist die Protagonistin und zu wenig eigentliche Handlung findet außerhalb ihres Kopfes statt. Manchmal scheint es, als würde sich die Welt nur um Luzy drehen. Noch dazu fällt sie immer wieder in alte Muster zurück, anstatt sich zu entwickeln. Auch am Ende, wenn man auf eine Besserung hofft und diese schon zum Greifen nah ist, streckt Luzy die Hand nur nach einem neuen Fehler aus. So macht sie dem Titel des Romans alle Ehre und lässt dem Schlussstrich Punkte folgen. Das ist wenigstens konsequent. Gleichzeitig möchte man aber am liebsten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, weil man die Geduld mit der Protagonistin verliert. Wer Spaß an Psychologie hat, dem könnte aber gerade das gefallen.

Eine ungeschickte, lustige Erzählerin

Trotzdem ist Luzy als Erzählerin auch sympathisch. Sie ist jemand, der selbstbewusst den „gleichen“ und den „selben“ Pullover verwechselt und teils sehr lustige Vergleiche findet. Ihre Sprache ist jugendlich, schnodderig, manchmal vulgär. Damit trifft Laura Lackmann einen Ton, den wahrscheinlich viele aus Luzys Generation wiedererkennen. Wer weiß, vielleicht gilt Ähnliches in abgemilderter Form auch für Luzys Lebenssituation?
Illustriert ist der Roman von Laura Tonke. Die Zeichnungen erinnern an ungeschickte Versuche, am Computerbildschirm Kunstwerke zu erschaffen. Auf ihre etwas hölzerne, ungelenke Art fügen sie sich gut in die Geschichte von Luzy ein, deren Verhalten ja ganz ähnlich beschrieben werden kann.

Laura Lackmanns Romandebüt ist sicherlich nicht im klassischen Sinne schön, aber die Geschichte ist interessant, verpackt in einen locker-lustigen Sprachstil. Wer kein Problem mit einer unverbesserlichen, egozentrischen Erzählerin hat, kann hier einen guten Unterhaltungsroman finden.

Die Punkte nach dem Schlussstrich. Laura Lackmann. List. 2016.

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

2 Kommentare

  1. Avatar

    Mir ging es beim Lesen sehr ähnlich wie dir.

    Antworten
    • Worteweberin Annika

      Schön zu hören, dass es mir da nicht als einzige so ging 🙂

      Antworten

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