Meine Weihnachtsgeschichte ereignete sich bereits im Dezember 1967 und nach all der Hektik an nötigen Vorbereitungen, kletterte ich mit meinen beiden Buben am Tag vor Heilig Abend in Frankfurt, Rhein-Main, in ein Flugzeug, das uns nach Jamaika bringen sollte.
Es war sehr kalt und der Bus, der uns zum Flieger brachte, fuhr ganz vorsichtig über die dünne Eisschicht, die so früh am Morgen noch nicht weggetaut war. Auch unser Flieger war in Wasserdampf gehüllt, um das Eis zu entfernen. Die Mitreisenden gingen langsam und vorsichtig über das Rollfeld, nur mein kleiner Junge musste eine Rutschpartie riskieren und schlitterte über das dünne Eis. Da ein Schlag und der Junge lag auf dem Rücken. Alle lachten, ich nicht!
Wir retteten uns ins Flugzeug und versanken in die tiefen Sessel. „Ihr habt eure Mama schön blamiert!“ Ich war die einzige, die das so sah, denn die Buben packten schon ihre Spielsachen und ihre Bücher aus. Sie behielten auch das kleine Fenster im Auge, falls der Nikolaus mit seinem Schlitten am Himmel vorbeiflog.
Nach zehn langen Stunden kam endlich die Karibik in Sicht. Der Nikolaus hatte sich nicht blicken lassen und ich versprach: „Morgen werdet ihr staunen!“ Im Moment aber sahen beide mit offenen Mündern aus dem Fenster in die Tiefe. Unser Großer sagte in panischer Angst: „Da können wir nicht landen!“ Jetzt sah ich auch, was er meinte. Unter uns lag handtuchgroß die Landebahn von Kingston, links und rechts davon das Meer. Das Flugzeug war schon im Sinkflug. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen und machte Todesangst Platz. Jetzt raste das Meer mit dem kleinen Handtuch auf uns zu. Doch das Flugzeug setzte auf. Erleichterung!
Die Mitreisenden verließen das Flugzeug schnell und die Buben und ich mussten uns erst einmal erholen. Jetzt kam Hilfe: Noch ganz außer Atem standen wir im Empfangsraum. Unser Papa winkte von weitem und wir machten uns auf den langen Weg zu den Schaltern.
Unterwegs waren kleine Blumen- und Pflanzenarrangements in feinen Sandkisten ausgestellt. Unser kleiner Veit trottete hinter uns her – bis wir einen fürchterlichen Schrei hörten: Veit war vornüber gestürzt und mit seiner Stirn auf einem riesigen Säulenkaktus gelandet. Seine Stirn war nun so stachlig wie der Kaktus und viele kamen herbeigerannt, um zu helfen.
Der kleine Veit sah die vielen schönen Muscheln, die im Sand lagen. Er wollte sie mitnehmen. Viele Hände versuchten, die Stacheln aus seiner Stirn zu ziehen. Der Junge aber raffte die Muscheln zusammen und schon kamen Angestellte des Flughafens, um ihm mit Tüten und Taschen das Sammeln zu erleichtern.
Das Rennen um die Gunst machte eine Flugbegleiterin, die einen kleinen roten Eimer brachte. Veit weinte nun auch nicht mehr und als wir endlich bei unserem Papa waren, sagte der nur: „Was war denn das?“ Er wusste noch nicht, was wir im Flugzeug alles erlebt hatten. Aber jetzt waren wir da: Weihnachten konnte kommen! Halleluja!
Text: Dorothea Ender
Illustration: Seitenkünstler Aaron
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