… reden wir gar nicht genug über Farben. Dabei spielten und spielen sie für uns Menschen schon immer eine größere Rolle. Dieser Unterschätzung begegnet Neil Parkinson mit seinem 2024 ins Deutsche übersetzte Buch „Bibliothek der Farben“, welches gut für Bildungskontexte zu gebrauchen ist.
Beim ersten Aufschlagen wirkt das Buch wie ein typisches Kunstlehrbuch: Im relativ kleinen Format drängt sich kleine Schrift (meist) im Blocksatz und in Spalten geordnet neben die natürlich farbigen Abbildungen. Das Buch ist aufgeklappt nur wenig größer als DIN A4. Dennoch ist es handlich, denn dank der besagten Schriftgröße passt der Inhalt auf 256 Seiten. Der Schrifttext würde vermutlich in einem größeren Format und luftiger gestaltet einladender wirken, doch dafür macht die großzügige Bebilderung sofort neugierig.
Die vielen Infografiken und Bildbeispiele sind sorgsam ausgewählt und zeigen hier mehr als nur die bekannten Farbschemata aus anderen Lehrwerken. Im Bildnachweis und in der Einleitung wird hier der Colour Reference Library am Royal College of Art in London gedankt, deren Leiter wohlgemerkt Parkinson selbst ist.
Seine Funktion als Nachschlagewerk erfüllt das Buch durch die Kategorisierung nach „Lebensbereichen“ der Farben (u.a. Glaube, Handel, Sprache, Natur) und nach Epochen, sowie durch die kompakten Informationen, die Dank der passenden Übersetzung von Martina Wiese und Frauke Bahle das Wissen auf den Punkt bringen.
Auch im Gesamten bringt die „Bibliothek der Farben“ auf den Punkt, was Neil Parkinson aus der Colour Reference Library zeigen möchte. Hier werden durchaus einige weniger bekannte Beispiele historischer Publikationen zur Farbe präsentiert. Ein umfassenderer Einblick in Farbwahrnehmungen auch jenseits des europäischen Raumes oder in die Zeit vor der Antike wird jedoch nicht gewährt, was Parkinson ebenfalls selbst kritisch anmerkt. Ich kann nicht sagen, ob sich dieser blinde Fleck auf das Angebot der Colour Reference Library oder auf die Auswahl Parkinsons zurückführen lässt. Ersteres ist eine wertvolle Ressource, dem Webauftritt zufolge vollständig katalogisiert und lässt sich hier einsehen.
Inhaltlich würde ein globaler und zeitenübergreifender Blick die Grenzen eines Einzelwerkes vermutlich auch überschreiten. Dafür gelingt das Ziel: Verschiedene Positionen und Forschungsversuche zur Farbe darzustellen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Farbe als vielfältiges und interdisziplinäres Forschungsfeld eine größere Rolle spielen sollte. Es gelingt Parkinson, mit der Fülle an Anekdoten und Gegenüberstellungen die Entwicklung des Verständnisses von Farbsehen verständlich darzustellen. Beim Lesen stellte ich mir immer wieder neue Fragen, denn es ist tatsächlich so: Farbwahrnehmung nehmen wir viel zu selbstverständlich an und ihre Bedeutung ist nicht zu unterschätzen.
„Bibliothek der Farben“ setzt auf einer höheren Ebene an das Staunen über das Alltägliche an. Ich empfehle das Buch denen, die sich vertiefend über Farbe informieren wollen oder von dem einen oder anderen weniger berühmten Farbmodell inspirieren lassen möchten. Für akademische Zwecke ist es insbesondere dank der Kategorisierungen, der Ordnung des Wissens und der vielen zusammengefassten Referenzen als Erstlektüre für eine Übersicht über das Forschungsfeld Farbe gut geeignet. Mir zeigt das Buch metaphorisch neue Seiten und es bietet damit Ansätze für neue Gedanken abseits des in der Schule häufig heruntergebrochenen Wissens über Farbe.
Seitenkünstler Aaron
Bibliothek der Farben: Bücher, die unser Farbempfinden veränderten. Neil Parkinson. Übersetzung aus dem Englischen von Martina Wiese und Frauke Bahle. Haupt-Verlag. 2024.


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