Zusammen leben – Familie sein

von | 23.04.2021 | Bilderbücher, Buchpranger

Was ist eine Familie? Dieser Frage geht der Protagonist im Bilderbuch „Das alles ist Familie“ von Michael Engler und Julianna Swaney nach. Zeichensetzerin Alexa, die selbst in einer Patchwork-Familie aufgewachsen ist, hat das Buch mit großer Begeisterung gelesen.

Lars entdeckt vor seiner Haustür ein Päckchen, doch die Schrift darauf ist so unleserlich, dass nicht klar ist, wem es gehört. Einzig „An Familie“ und „Meisenweg“ sind erkennbar. Sofort beschließt Lars, alle Familien in ihrer Straße aufzusuchen, um so den Besitzer oder die Besitzerin zu finden. Er ahnt nicht, welche Begegnungen ihn erwarten. Auf seinem Weg lernt er nicht nur Lina, mit der er sich direkt anfreundet, kennen, sondern auch Menschen, die anders leben als er.

Vielfalt Familie

Das Bild, das Lars vom Begriff „Familie“ hat, ist so eng, dass ihn alle alternativen Familienkonstellationen zunächst überraschen. Können zwei Frauen denn überhaupt eine Familie bilden? Sarah, die Tochter der beiden Frauen, belehrt ihn eines Besseren: „[…] natürlich sind wir eine Familie.“ Und meint dann: „Eine Mama heißt Mama und die andere Mami.“ Lars wird nachdenklich. Ob wohl auch zwei Männer Papa und Papi sein können?

Eine andere Familie, die Lars und Lina gemeinsam kennenlernen, ist eine Patchwork-Familie. Paul, der auch Lars‘ Babysitter ist, erklärt: „Das kommt aus dem Englischen. Da nennt man eine Decke, die aus verschiedenen Stoffen genäht ist, Patchwork-Decke. Und genauso warm und weich und bunt wie so eine Decke ist unsere Familie.“

Lars begegnet noch einigen anderen Familien, die sehr unterschiedlich sind: Eine Familie ist eine internationale Familie; jedes Familienmitglied wurde in einem anderen Land geboren. Eine andere lebt als Großfamilie zusammen: Oma und Opa, die Eltern und deren sieben Kinder. Das sei früher ganz normal gewesen, viele Kinder zu haben, sagt der Opa. Und er findet, dass man in einer so großen Familie niemals einsam sein wird.

Familie neu definieren

Klischees, wie Familien auszusehen und zu funktionieren haben, sind leider noch heute weit verbreitet – in Filmen und Serien, Spielen, (Bilder-)Büchern, in den Köpfen der Menschen. Da sind Geschichten wie „Das alles ist Familie“ eine erfrischende Abwechslung, die es Kindern ermöglicht, fernab von festgelegten Rollenbildern andere Möglichkeiten kennenzulernen und den Begriff „Familie“ für sich neu zu definieren.

Eine Familie kann sehr unterschiedlich aussehen. Das begreift Lars nach und nach. Er versteht, dass es nicht wichtig ist, ob die Eltern offiziell verheiratet sind, wenn sie zusammenleben. Und dass ein adoptiertes Kind trotzdem ein richtiges Kind ist. Einzig die Begründung, dass nur Erwachsene, die keine Kinder bekommen können, Kinder adoptieren, erscheint nicht ausreichend. Manche adoptieren aus Überzeugung oder haben andere Gründe, den Weg der Adoption zu gehen. Dieser Zusatz wäre noch wünschenswert gewesen.

Schlussendlich akzeptiert Lars auch die Form von Familie, in der er selbst aufwächst: mit getrennten Eltern. Auch wenn sie nicht mehr alle zusammenleben, sind sie eine Familie.

Fragen, Antworten, Anregungen

„Das alles ist Familie“ führt vor Augen, was wirklich wichtig ist und wie Menschen unabhängig vom Alter oder Geschlecht, der Hautfarbe oder Herkunft zusammenleben können. Das Thema ist verpackt in einer spannenden Geschichte mit sehr interessanten Dialogen, die Fragen aufwerfen und Antworten bereithalten. Aufgrund der Länge des Textes sollten Kinder ausreichend Geduld und Konzentration mitbringen. Sofern der gesamte Text vorgelesen wird, eignet sich das Bilderbuch ab etwa 6 Jahren, beim erzählenden Betrachten können auch schon vierjährige Kinder mitmachen. Die sehr ansprechenden Illustrationen, in dezenten Farben gestaltet, unterstützen den Text, sodass die Geschichte auch beim ausschließlichen Betrachten frei erzählt werden kann.

„Das alles ist Familie“ ist ein lesenswertes, nicht nur thematisch sehr gelungenes Werk, das hoffentlich viele Leserinnen und Leser findet, ganz gleich, ob sie vier Jahre alt sind oder deutlich älter – auch Erwachsenen, die eine vorgefertigte Meinung über Familienkonstellationen haben, kann das Bilderbuch neue Perspektiven eröffnen.

Das alles ist Familie. Text: Michael Engler. Illustrationen: Julianna Swaney. arsEdition. 2021.

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