„Was nicht aktuell genug ist, bekommt auch keine Aufmerksamkeit. Das wäre eher so eine grundsätzliche Sache, von der ich mir wünschen würde, dass sie sich etwas relativiert.“
Sophie Weigand ist Buchhändlerin und Literaturbloggerin. In einem Interview verrät sie Zeichensetzerin Alexa, was ihre Motivation am Bloggen ist, ob sie selbst eine Buchhandlung eröffnen würde und den ein oder anderen Buchtipp.
1. Seit 2011 betreibst du deinen Blog „Literaturen“. Was ist deine Motivation dabei?
Meine Motivation ist, Menschen auf Literatur möglichst vieler verschiedener Spielarten aufmerksam zu machen. Auf solche, die lesenswert ist wie auf solche, bei der man getrost mal aussetzen darf, auch wenn alle Welt darüber zu sprechen scheint. Ich gestehe allerdings, dass es mir nach wie vor nicht leicht fällt, ein Buch schlecht dastehen zu lassen; zu einer bloßen Empfehlungsmaschine möchte ich aber auch nicht werden.
2. Wie empfindest du das Ansehen der Blogger in der Buchbranche?
Ich nehme in den letzten Monaten eine deutliche Aufwertung von Verlagsseite wahr. Blogs als Instrument der Literaturvermittlung stehen wesentlich mehr im Fokus als das noch vor zwei Jahren der Fall war, sie werden wertgeschätzt und wahrgenommen. Auch unter einigen Lesern gelten sie als Anlaufstelle für Empfehlungen, die gleichwertig neben anderen existieren kann. Nach wie vor sehe ich aber noch immer viele Vorbehalte, die sich auch daraus ergeben, dass Literaturblogs mit dem klassischen Feuilleton oder einer wissenschaftlich fundierten Literaturkritik in einen Topf geworfen werden. Das sind unterschiedliche Paar Schuhe, die einander auch gar nicht in die Quere kommen wollen. Häufig werden Blogs noch immer als die dilettantische Hausfrauenvariante der Literaturkritik betrachtet, nicht ganz ernstzunehmen und schon gar nicht objektiven Maßstäben genügend, weil jeder Blogger angeblich um sein Ansehen bangt, wenn er mal eine negative Besprechung veröffentlicht.
3. Nach deiner Ausbildung zur Buchhändlerin hast du ein Studium der Kulturwissenschaften begonnen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Ich schätze den Buchhandel sehr, aber jeder Buchhändler wird wissen, dass die Stellen nicht auf der Straße liegen. Und da ich ursprünglich ohnehin einmal vorhatte, Literaturwissenschaft zu studieren, bin ich nach dem Ende der Ausbildung zu diesem Plan zurückgekehrt. Nun studiere ich Kulturwissenschaften, mit dem Schwerpunkt auf Literaturwissenschaft. Und bin mit dieser Entscheidung bisher auch sehr zufrieden, nur mein Zeitmanagement lässt gelegentlich etwas zu wünschen übrig.
4. Sind Buchläden dank Amazon & Co. dem Untergang geweiht?
Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass sich der Buchhandel durchaus in einer Phase des Umbruchs befindet, in der er auf Entwicklungen der Branche mit neuen Konzepten und Ideen reagieren muss. Wenn er das tut, sehe ich aber keinen Grund, weshalb er untergehen sollte. Überhaupt sind diese Untergangsszenarien ja wenig zielführend, genauso wenig bei der Streitfrage, ob das E-Book das klassische Buch verdrängt. Man muss die Dinge nicht immer gegeneinander ausspielen. Und so kritikwürdig sich amazon als Unternehmen auch verhält: Es täte dem Buchhandel wesentlich besser, er konzentrierte sich auf seine Kompetenzen, statt Zeit mit Attacken auf amazon zu vergeuden. Es gab ja Phasen, da ist es zum regelrechten Sport avanciert, Seitenhiebe auf amazon zu verteilen, um den Buchhandel aufzuwerten. Ich selbst habe eine Marke oder ein Unternehmen aber noch nie deshalb geschätzt, weil es andere Marktteilnehmer in Grund und Boden schreibt. Und so wird es vielen gehen.
5. Würdest du selbst einmal eine Buchhandlung eröffnen wollen?
Ich müsste lügen, wenn ich sagen sollte, dass mir der Gedanke nie gekommen wäre, aber ich glaube kaum, dass das eines Tages geschehen wird. Ich wäre nicht gut darin, einen Laden zu führen und alle Verantwortlichkeiten auf meinen Schultern zu wissen.
6. Welche drei Bücher hätten mehr Aufmerksamkeit verdient als sie es derzeit haben?
„Steine im Bauch“ von Jon Bauer, das leider aufgrund seines schwierigen Themas eher wenig mediale Aufmerksamkeit erfahren hat. Für mich war das eines der Highlights am Jahresende. Ansonsten kann ich das schwer benennen, weil Aufmerksamkeit in den klassischen Medien ja eng mit Aktualität verknüpft ist. Was nicht aktuell genug ist, bekommt auch keine Aufmerksamkeit. Das wäre eher so eine grundsätzliche Sache, von der ich mir wünschen würde, dass sie sich etwas relativiert. „Das Leseleben“ von Giwi Margwelaschwili dürfte gern noch von vielen anderen entdeckt werden wie auch Phil Klays „Wir erschossen auch Hunde“.
7. Welches Buch würdest du gerne einmal verfilmt sehen?
Ich würde mir gern mal eine Verfilmung von Peter Buwaldas „Bonita Avenue“ ansehen.
8. Hast du schon einmal daran gedacht, selbst ein Buch zu schreiben?
Tatsächlich sehr oft. Bisher sieht es aber danach aus als würde ich auf ewig an meinen eigenen Ansprüchen scheitern. Die ich womöglich jetzt auch nur vorschiebe, um nicht sagen zu müssen, dass es mir leider an Talent mangelt.
9. Stell dir vor, du wärst ein Buch, welches wäre es?
Ich wäre mit ziemlicher Gewissheit „Anleitung zum Unglücklichsein“ von Paul Watzlawick. Denn wenn ich ein Talent habe, dann ist es die zur Perfektion getriebene Fähigkeit, mir mein Dasein noch schwieriger zu machen als es ohnehin manchmal ist.
10. Wenn du die Möglichkeit hättest irgendetwas in der Welt zu verändern, was würdest du tun?
Da das eine typische Frage ist, auf die man eigentlich nur mit „Weltfrieden“ und „Gerechtigkeit“ antworten kann, ohne einen moralisch fragwürdigen Eindruck zu hinterlassen, sage ich jetzt stattdessen: Mich. So manches verändert sich bereits mit einer Veränderung der Perspektive. Aber eben nicht alles. Deshalb doch ein bisschen Frieden und Menschlichkeit.
Dieses Interview erschien erstmals in der 16. Ausgabe des Bücherstadt Kuriers.
Foto: privat
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