Winterzeit: Lesezeit – und Backzeit! Da kommt „Das inoffizielle Harry Potter Kochbuch” (riva) Buchstaplerin Maike gerade recht! Erst muss sie das Buch einer eingehenden Untersuchung unterziehen, dann schwingt sie selbst den Zauberstab – äh, Kochlöffel. Molchaugen und Spinnenbeine sucht man vergeblich. Der Untertitel verspricht „Von Butterbier bis Kürbispasteten – mehr als 150 magische Rezepte zum Nachkochen” – aber so viel sei verraten: Nicht jedes Rezept weiß den hungrigen Fan zu bezaubern…
Man nehme…
Die Welt von Harry Potter ist, das ist mittlerweile bekannt, eine fast schon klischeehaft britische. Und wofür sind die Briten berühmt-berüchtigt? Ihre Kochkunst! Die Amerikanerin Dinah Buchholz hat von süß bis herzhaft Rezepte zusammengestellt, die Harry Potter so oder so ähnlich gegessen haben könnte. Gewürzt ist das Ganze mit Verweisen zu den Kapiteln und Umständen, in denen es sich der junge Zauberer schmecken lässt.
Das Buch ist thematisch in verschiedene Orte aus den Büchern eingeteilt, was zunächst logisch erscheint – zum Beispiel „Tafelfreuden in der Winkelgasse”, „Zwischenmahlzeit im Zug” oder „Imbiss im Dorf”. Das erweist sich bei näherer Betrachtung aber als nur halb durchdacht, sodass einige Rezepte sich auf den ersten Blick doppeln – so gibt es beispielsweise je zwei Rezepte für Apfelkuchen und Zwiebelsuppe, und Fans von Kartoffelbrei kommen wild über das Buch verteilt ganze dreimal in den Genuss unterschiedlicher Püreerezepte.
Durchwachsen wie Frühstücksspeck
Erstaunlich, was die Autorin alles in der Buchvorlage entdeckt hat – man könnte meinen, bei „Harry Potter“ würde auf jeder zweiten Seite nur gemampft. Doch aufgepasst: In diesem Kochbuch versammeln sich sowohl Gerichte, die explizit erwähnt werden, als auch solche, bei der Buchholz ihrer Kreativität freien Lauf gelassen hat und Speisen einflechtet, wie Harry sie vielleicht gegessen haben könnte. Womit das Buch hingegen wirklich punkten kann, sind die umfangreichen Zusatzinformationen zu den einzelnen Rezepten, die den echten Ursprung der meist urbritischen Mahlzeiten beleuchtet. Neben der kulinarischen Geschichtsstunde bekommt man vor allem einen Eindruck über britisches Festessen, das in diesem Buch nicht zu kurz kommt. (Im Gegensatz zu vegetarischen Gerichten.)
Einige der Rezepte stehen wohl nur der Form halber im Buch – gerade die aufwändig zubereiteten Süßigkeiten oder Ketchup sind etwas zu viel des Guten. Skurril wird es, wenn das Angebot gemacht wird, Kutteln oder Haggis nachzukochen. Nun sind nicht nur in die Jahre gekommene Potter-Fans wild auf den Hogwarts-Festschmaus, sondern auch einige Kinder. Unglücklicherweise gibt es keine sofort ersichtliche einheitliche Kennzeichnung der Rezepte nach Schwierigkeitsgrad oder ob ein Rezept für Kinder geeignet ist – nur beim Zuckerkochen gibt es eine ausdrückliche Warnung. Erwachsenen sollten unbedingt eine Vorauswahl treffen oder helfen, damit das gemeinsame Kochen nicht in Frustration endet.
Flüchtigkeitsfehler?
An manchen Stellen muss das Lektorat nicht sorgfältig genug hingeschaut haben – in einigen Rezepten kommen aufgelistete Zutaten nicht zum Einsatz, und beim Rührei fehlt ausgerechnet der Arbeitsschritt des Bratens – Hexen haben vielleicht einen Zauberspruch parat, aber für Muggelköche kann rohes Ei fatal sein. Schade auch, dass einige Zutaten nicht danach angepasst worden sind, wie sie in Deutschland erhältlich sind, wie fertiges Kürbispüree oder Maissirup – Flexibilität bei den Zutaten ist beim Nachkochen eine Grundvoraussetzung. Und dann ist da noch das Rätsel um die Küchenmaschine: Einen Teig mittels „Puls-Funktion“ zubereiten? Ist das so ein neumodisches Muggelding?
Einige Details werden nur eingefleischte Potterheads ganz besonders stören. Manchmal weichen die beschriebenen Gerichte von dem ab, was man sich beim Lesen vorgestellt hat: Kesselkuchen sollen schnöde Pancakes sein? Und DAS soll Butterbier sein? Und dann wird in den Erklärungen zu ein paar Gerichten sogar auf das falsche Buch verwiesen – Kreacher kann unmöglich im „Feuerkelch” Zwiebelsuppe kochen, denn da kommt der grimmige Hauself noch gar nicht vor. Kurzum: Für Gesprächsstoff und einige Aufregung wird das Buch garantiert sorgen.
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Der Praxistest in der Muggelküche
Doch genug der Theorie: Wie schmecken die Rezepte denn nun? Ausgewählt habe ich drei charakteristische Gerichte, die immer wieder mal in „Harry Potter” vorkommen und über die bestimmt nicht nur ich gerätselt habe: Kürbispasteten, Hagrids Felsenkekse und Siruptorte. Mürbeteig mit süßer Kürbisfüllung schmeckt für den deutschen Gaumen vielleicht zunächst ungewohnt aber lecker, während pappsüße Semmelbrösel mit Zitronensaft auf Teig mich leider enttäuschten. Eine echte Offenbarung überraschenderweise: die simplen Felsenkekse mit Rosinen! Ach ja, eigentlich wollte ich noch das sagenumwobene Butterbier machen, aber letztendlich klang weder die Variante, warmem Bier rohes Ei zuzusetzen, noch die, Zuckerbrause herzustellen, wirklich verlockend. Butterbier muss wohl für immer meiner Fantasie überlassen bleiben. Was ich aber wirklich noch machen muss: Harrys erste Geburtstagstorte und Kürbissaft.
Mein Fazit: Nur wenige Rezepte sind wirklich praktikabel, aber eine kleine Potter-Party lässt sich auf jeden Fall mit den Rezepten bekochen. Warum dieses Buch aber nicht autorisiert ist, wird mit den vielen Schwächen deutlich, die sich in Struktur und Rezeptauswahl abzeichnen. Wer sich hingegen weniger für Hogwarts und mehr für traditionelle britische Küche interessiert, könnte hier mehr als nur ein Lieblingsgericht finden.
Das inoffizielle Harry Potter Kochbuch. Dinah Buchholz. Aus dem amerikanischen Englisch von Birgit Walter. Riva. 2016.
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