Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft

von | 25.11.2025 | Belletristik, Buchpranger

Nicht umsonst stand Fiona Sironics Debütroman „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“ auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2025, findet Buchstabenakrobatin Melanie. Das Buch der Nachwuchsautorin ist vielschichtig, klingt nach und lässt Humor dennoch nicht vermissen.

„Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“, so der Titel des Romans von Fiona Sironic, so auch die ersten Worte des ersten und des zweiten Kapitels. Doch in Sironics Roman geht es um viel mehr als die Zerstörung von „Pappbechern, Aludosen, Plastikflaschen“ (S. 9). Durch die Augen der 15-jährigen Era zeigt uns Sironic eine Zukunft, die erschreckend realitätsnah ist: Die fortschreitende Klimaveränderung zerstört Lebensräume, die Wälder brennen, Nahrung ist für viele nur noch in Pulverform erhältlich, frisches Obst und Gemüse sind Mangelware. Tiere und Pflanzen sterben aus, viele sind schon fast vergessen. Soziale Medien haben die Menschen massiv geprägt und in den sogenannten Archiven werden die Daten aller gesammelt und verfügbar gehalten.

Analog im Angesicht von Zerstörung und Digitalität

In dieser Welt lebt Era mit ihrer Mutter am Waldrand und versucht auf ihre Art, mit der fortschreitenden Zerstörung umzugehen und ihr etwas entgegenzusetzen: Mit Stift und Papier dokumentiert sie das Aussterben der Vögel, fertigt Zeichnungen an und versucht in Notizbüchern Wissen zu erhalten und zu ordnen. Ihr Gegenpol – und ihre erste Liebe – ist Maja. Sie ist bekannt, beinahe ihr gesamtes Leben online abrufbar, denn ihre Mütter sind sogenannte Momfluencerinnen, die ihr Leben und die Kindheit ihrer Töchter in den sozialen Medien geteilt haben – ungefragt und durch die Archive für immer einsehbar. 

Während Maja mit allen Mitteln versucht, ihre öffentliche Kindheit auszulöschen – sie buchstäblich in die Luft zu jagen –, geraten sie und Era in einen Strudel aus Zerstörung, Selbstbehauptung und Zukunftsängsten, mit denen beide auf ihre Weise umzugehen versuchen.

Eine neue Stimme – klug, reflektiert und zukunftsweisend

Die Geschichte um die Mädchen, die Sachen in die Luft jagen, wird uns von Ich-Erzählerin Era geschildert, die zwischen einem Jetzt und verschiedenen Punkten der Vergangenheit hin und her springt. Ihre Darstellung der Erlebnisse um sich selbst und Maja spickt sie mit Erlebnissen aus der Vergangenheit von Mutter und Tante, von einem längst verstorbenen Opa und ihrem Wissen aus der Ornithologie und der Paläontologie (der Kunde von Vögeln und Dinosauriern). Die ersten Seiten lasen sich für mich daher ein bisschen wirr, doch ich konnte mich schnell in den Erzählton einfinden und aus der dichten Erzählweise wurde ein Sog, der mich durch das Buch zog.

Der Blick in eine erschreckende Zukunft, mit einem immer kleiner und beschwerlicher werdenden Lebensraum für Mensch und Tier, und die Kritik am Umgang mit den sozialen Medien machen nachdenklich. Der streng erhobene Zeigefinger und eine strikte Vorgabe, wie wir es denn besser machen sollten, bleiben jedoch glücklicherweise aus.

Erfrischend liest sich auch die Liebesgeschichte zwischen Era und Maja. Dass es sich hierbei um eine Liebe zwischen zwei Mädchen handelt, spielt ebenso wenig eine Rolle wie die Tatsache, dass Maja zwei Mütter hat. Gleichgeschlechtliche Liebe und Elternschaft sind in diesem Roman so normal, dass es keine weitere Thematisierung braucht – ist das nicht schön? In der Liebe der Mädchen und ihrer Verbundenheit liest sich viel eher die Sehnsucht nach analogen Reizen und die Suche nach etwas, das abseits von Bildschirmen Bedeutung hat.

Sironic hat für ihren Debütroman „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“ nicht umsonst diverse Stipendien, Preise und Nominierungen erhalten. Ihr Erstlingswerk ist geprägt von einer – im besten Sinne – herausfordernden Erzählstimme, die Humor, Liebe und die Schrecken ihres Zukunftsszenarios gekonnt miteinander vereint. Hier treffen Coming-Of-Age, erste Liebe, Ornithologie und eine vom Klimawandel und sozialen Medien geprägte und gefährdete Welt aufeinander. Eine seltsame, aber in jedem Fall lesenswerte Mischung, die nachklingt.

Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft. Fiona Sironic. Ecco Verlag. 2025.

Melanie Trolley

Melanie Trolley

Die Leidenschaft für das geschriebene Wort hat Melanie nach Bremen und dort an die Uni verschlagen. Das Studium der Germanistik hat ihr einen veränderten Blick auf Bekanntes ermöglicht, die Augen für Neues geöffnet und Begeisterung fürs Bilderbuch entfacht. Als Texterin arbeitet Melanie täglich daran, die richtigen Worte zu finden – im Beruf vorerst ohne literarische Berührungspunkte.

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