„Banished“: Aufbauspiel im Survivalmodus

von | 19.06.2020 | #BKUmwelt, Digitale Spiele, Spielstraße

Das Aufbausimulationsspiel „Banished“ ist knifflig – nicht zuletzt, weil die Natur manchmal ihre eigenen Gesetze hat. Satzhüterin Pia hat mehr als 100 Spielstunden in diesem neuzeitlichen Szenario verbracht. Was macht dieses Indie-Game so besonders?

Wir starten irgendwo im Nirgendwo mit einem kleinen Haufen ausgestoßener Siedler, die sich an diesem Ort eine neue Existenz aufbauen wollen. Der Fokus liegt klar auf dem Überleben der einzelnen Siedler – das macht „Banished“ schon fast zu einem Survivalgame. Jeder Fehler zieht erbarmungslos Konsequenzen nach sich!

Anfangs sind wir je nach Schwierigkeitsgrad bereits mit ersten Häusern und einer Nutztierart ausgestattet – Hühner, Schafe oder Rinder. Material zu beschaffen ist ein erster Schritt, um bauen zu können. Während andere Aufbausimulationen an dieser Stelle direkt fertige Gebäude setzen, werden bei „Banished“ die Rohstoffe erst noch zusammengetragen und die Gebäude mit Werkzeugen und Arbeitskraft nach und nach hochgezogen.

Damit auch alles reibungslos klappt, müssen wir die Arbeitskräfte entsprechend einteilen. Wenn es keine zugewiesenen Bauarbeiter gibt, liegt das Rohmaterial fröhlich in der Gegend rum, fertiggestellt wird das Gebäude aber nicht. Vielleicht haben wir auch zu spät die Produktion von Werkzeugen angekurbelt und wir können deswegen nicht mehr bauen? Im Grunde haben wir damit schon alles in den Sand gesetzt.

Es gibt viele Wege, um bei „Banished“ zu scheitern. Wenn zum Beispiel zu viele Siedler in zu wenigen Häusern unterkommen müssen, werden zu wenige Kinder gezeugt und uns fehlen Arbeitskräfte oder, Stichwort demografischer Wandel, die Gesellschaft altert zu stark – bauen wir aber zu schnell zu viele Häuser, kann uns das zu rasante Bevölkerungswachstum den Garaus machen. So können uns die Siedler verhungern oder erfrieren, weil wir zu wenig Holz zum Heizen vorrätig haben. Oder uns gehen die besagten Werkzeuge aus.

Timing ist alles

Um die anfangs kleine Siedlung zu einer florierenden Stadt heranwachsen zu sehen, ist Timing einfach alles. Rechtzeitig, aber nicht zu früh – bauen, produzieren, Arbeitskräfte einsetzen… Wer den rechten Moment verpasst, den holen eher früher als später die Versäumnisse wieder ein. In „Banished“ braucht nämlich alles seine Zeit: Das im Frühjahr gesäte Getreide reift das Jahr über und kann im Herbst geerntet werden. Obstbäume brauchen sogar noch länger, bis sie die entsprechende Größe für reife Früchte erreicht haben.

Auch die Tiere benötigen eine Weile, bis sie als Quelle für Nahrung und Ressourcen brauchbar werden. Die auf Weiden gehaltenen Nutztiere können, je nach Weidefläche, bis zur obersten Fassungsgrenze gezüchtet werden und werden darüber hinaus dann verwertet. Sehr realistisch! Kommen wir in Not und brauchen kurzfristig Nahrung, können wir aber auch die Größe der Herde nach unten korrigieren.

Überhaupt ist die Simulation großartig umgesetzt. „Banished“ simuliert jeden einzelnen Siedler. So arbeitet Farmer Kyman immer als Farmer auf dem gleichen Feld. Er bringt das Erntegut in die Vorratskammern oder zu sich nach Hause – das immer das gleiche Haus ist (anders, als wir es von anderen Simulationsspielen kennen… *hüstel* „Sim City“ *hüstel*). Wir können die einzelnen Siedler jeweils anwählen und bekommen dann die entsprechenden Informationen. Sogar die Wege lassen sich über eines der Infofenster anzeigen, so dass wir schauen können, ob der Siedler eventuell zu weit vom Arbeitsplatz entfernt wohnt.

Kinder bis 10 dezimieren erstmal nur die Lebensmittelvorräte, wahlweise können wir sie zur Schule schicken und sie bis 16 untätig sein lassen. Dafür sind sie dann aber effektiver als ihre ungelernten Nachbarn. Doch erstmal müssen wir sowieso die Kapazitäten haben, die potenziellen Arbeitskräfte untätig sein zu lassen.

Alle zufrieden?

Weite Wege zwischen Wohnort und Arbeitsstätte können zu Unzufriedenheit bei den Siedlern führen. Und das sollten wir vermeiden, denn depressive Siedler können sogar arbeitsunfähig werden. (Soweit habe ich es aber noch nicht geschafft.) Viele andere Faktoren fließen in die Zufriedenheit und Gesundheit der simulierten Menschlein ein: Zu nah an einem Steinbruch oder einer Kohlemine wohnen? Nicht gut. Sogar die Ernährung darf nicht zu einseitig sein – das nervt die Siedler nur und ist auf Dauer auch in der virtuellen Welt ungesund.

Bis hin zu verstorbenen Siedlern aus dem Umfeld eines anderen Siedlers, kann eine Menge für Unzufriedenheit sorgen: Wenn jemand stirbt, macht es die anderen Siedler traurig. Wenn die Verstorbenen keine Beerdigung auf dem Friedhof bekommen und keine Kirche als Ort zum Trauern vorhanden ist, drohen die Verbliebenen so depressiv zu werden, dass sie nicht mehr arbeiten können.

Die Siedler zufrieden zu halten, ist somit nicht immer ganz einfach. Bis Kirche und Friedhof gebaut werden können – und damit ist nur die Kapazität von Arbeitskräften gemeint, theoretisch können wir alles von Anfang an bauen, sollten uns aber zu Beginn unbedingt auf das Überlebenswichtige konzentrieren –, vergeht ein kleines Weilchen. Auch die Nahrung abwechslungsreich zu gestalten, ist herausfordernd. Während wir direkt Jäger und Sammler schaffen sollten (und dazu braucht es immer das entsprechende Gebäude als Arbeitsstätte, der dann die Arbeitskräfte zugewiesen werden können), können wir erst nur das vorhandene Gemüse und/oder Getreide anbauen. Alles weitere können wir per Handel bekommen. Und dafür brauchen wir einen Handelsposten und genug gelagerte Materialien und Nahrungsmittel, um auch wirklich handeln zu können. Auch die weiteren Tierarten können wir auf diese Art erhalten. Dabei benötigen wir mindestens zwei einer Art, damit die Zucht auch wirklich funktioniert.

Umwelt und Natur: Freund und Feind

Falsches Timing in Bau und Produktion kann das Dorf schnell scheitern lassen, aber auch die Natur kann zum Feind werden: Tornados, die alles verwüsten, Käfer, die Plantagen zerstören oder die zeitig einbrechende Kälte, die Teile der Ernte vernichtet, sind nicht unüblich! Dass auch das Wetter nicht immer genau gleich ist, macht das Spiel noch realistischer. Neben diesen natürlichen Stolperfallen bietet der Haufen Menschen auch für Krankheiten eine gute Grundlage. Eine Seuche bricht aus und es gibt noch kein Krankenhaus? Damit steht das Dorf vor dem Aus.

Darüber hinaus ist alles in der Natur wichtig für uns: Sie ist Nahrungsquelle (jagen, sammeln, fischen), wärmt uns (Feuerholz) oder legt für all den Bau die Grundlage (Stein, Holz, Kohle). Auf dem Wasserweg gelangen die Händler zu unserem Handelsposten.

Über einige wenige Ungereimtheiten, wie das Ignorieren von Weidezäunen (durch sie laufen die Siedler einfach hindurch) oder Wegen (es wird permanent abgekürzt – vielleicht doch nicht so ungereimt?) kann man bei diesem insgesamt so gelungenen Spiel wirklich hinwegsehen.

Schlicht und praktisch, aber hübsch

Grafisch ist „Banished“ liebevoll gestaltet. Die Landschaft, das Wetter und die Jahreszeitenübergänge sind nett inszeniert – besonders, wenn wir daran denken, dass das gesamte Spiel ein Ein-Mann-Projekt ist! Shining Rock Software besteht nämlich aus einem einzelnen Mann namens Luke Hodorowicz: „Shining Rock Software has only a single developer doing all the software development, artwork, and audio.“ Ein bisschen fragt man sich dann schon, was die ganzen großen Game-Fabriken machen, wenn ein einzelner so ein durchaus komplexes und schönes Spiel kreieren kann.

Die Hintergrundmusik bleibt dezent und schafft eine eher sanfte Atmosphäre (und einen tollen Wiedererkennungswert – ich muss nur die Klänge hören und bin wieder in der Welt von „Banished“) und auch die restliche Soundkulisse ist gelungen. Das Klappern und Hämmern der Werkzeuge, Geräusche der Tiere oder das Pladdern von Regen, all das wirkt authentisch.

Dagegen ist das Interface eher praktisch denn schmückend gestaltet. Wir können die schlichten schwarzen Fensterchen nach Belieben öffnen, anpinnen oder auf dem Bildschirm anordnen, wie wir es gerne haben möchten. Damit lässt sich die Verwaltung aller Bereiche gut organisieren. Wer braucht da schon Schickeria?

Für weitere Abwechslung können Mods sorgen, die in vielen Bereichen noch mehr Vielfalt bieten – beispielsweise mit zusätzlichen Tier- oder Gebäudearten. Wenn Mods hinzugefügt werden, gibt es jedoch keine Möglichkeit mehr, Achievements zu erreichen.

Schlicht, aber komplex, spaßig, aber knifflig: „Banished“ ist ein sehr gelungenes Indie-Game, dessen Aufbauspielcharakter auch ein bisschen Survivalgame bietet und einen hohen Wiederspielwert besitzt!

Banished. Entwickler/Publisher: Shining Rock Software. 2014. Windows. Genre: Aufbausimulation, Echtzeit-Strategiespiel. Einzelspieler. BK-Altersempfehlung: ab 12 Jahren.

[tds_note]Ein Beitrag zum Special #BKUmwelt. Hier findet ihr alle Beiträge.

Screenshots & Illustration: Satzhüterin Pia[/tds_note]

Pia Zarsteck

Pia Zarsteck

Pias Liebe zur Literatur hat sie vor Jahren an die Uni Bremen geführt, wo sie bis zum Masterabschluss Germanistik studierte. Heute ist sie Vorsitzende im Bücherstadt e.V., Mama einer Vierjährigen und beruflich ganz woanders unterwegs - aber immer noch vernarrt in Bücher und Spiele. Ein Leben ohne die Bücherstadt kann sie sich nicht vorstellen.

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