„Klassenfahrt in den Tod“ heißt eine Geschichte um das mysteriöse Verschwinden einer Gruppe von Schülern und ihres Lehrers. Der Clou dabei: Es handelt sich um ein Sehbuch – eine gefilmte Lesung. Was es damit auf sich hat, hat Bücherstädterin Ann-Christin Autorin und Drehbuchschreiberin Brigitte Müller gefragt.
Bücherstadt Kurier (BK): Wie bist du auf die Idee gekommen deine Geschichte „Klassenfahrt in den Tod“ als Sehbuch zu produzieren?
Brigitte Müller (BM): Ich habe schon immer gerne Hörbücher gehört. Als ich einmal krank war, habe ich mich daran erinnert, wie es war, als meine Mutter mir am Bett Geschichten vorgelesen hat. Das war eigentlich der Grundgedanke. Ich wollte mal ausprobieren, wie es ist, drei Kameras beim Vorlesen dabei zu haben. Natürlich ist nichts fantasievoller, als die eigene Fantasie bei einem Buch zu bemühen, aber durch Mimik und Gestik kann man sich noch mehr in die Geschichte reindenken und mehr Reize bieten.
BK: Aber warum hast du dein Buch nicht bei einem Verlag veröffentlicht?
BM: Ich habe vorher viele Drehbücher geschrieben für Film- und Fernsehproduktionen, da entsteht fast alles in Teamarbeit und es gibt immer Leute, die mitreden. Der Roman ist aus Frust heraus entstanden. Ich wollte etwas schreiben, was nur meins ist – auch wenn es doof sein sollte. Als ich meine Geschichte dann bei Verlagen vorgestellt habe, waren zwar viele interessiert, aber auch sie wollten Änderungen vornehmen. Deshalb habe ich mich für das Sehbuch entschieden. Ich bin frei und es ist kostenlos. YouTube lässt einem da viele Möglichkeiten.
BK: Obwohl es kostenlos ist, hast du namenhafte Unterstützer finden können. So lesen abwechselnd Mirjam Wechselbraun, Moderatorin, Schauspielerin und Synchronsprecherin, und Tobias Licht, bekannt aus der Daily-Soap „Alles was zählt“, die Kapitel, und Schauspieler Martin Armknecht ist auch dabei? Konntest du da an alte Kontakte knüpfen und wie war der Dreh?
BM: Sicherlich war es hilfreich, Menschen aus der Branche zu kennen. Aber sie alle waren sofort begeistert bei der Sache und das unentgeltlich. Wir haben für die Dreharbeiten meinen etwa 40 Quadratmeter großen Keller umgestaltet und hatten fünf verschieden tapezierte Schiebewände. Das Team bestand aus etwa elf Leuten, die an zwei Tagen gedreht haben. Mirjam hat 180 Seiten innerhalb von zwei Tagen eingelesen. Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich gewesen wäre, aber sie hatte nur diese zwei Tage Zeit.
BK: Worum geht es bei „Klassenfahrt in den Tod“, wie würdest du es beschreiben?
BM: „Klassenfahrt in den Tod“ folgt der Tradition des Schmunzelkrimis. Ich bin ein großer Fan von Agatha Christie. Ich wollte keinen Thriller, der dich als Leser von Seite zu Seite jagt. In der Geschichte geht es um zwölf Abiturienten und ihren Lehrer, die vor 30 Jahren auf eine Burg in die Eifel fahren. Von dieser Fahrt kehren nur sieben zurück. Die anderen fünf und der Lehrer verschwinden. Bis zum heutigen Tag. Unabhängig voneinander machen sich der Privatdetektiv Josh Parker, gelesen von Tobias, und Sia Schmitz, gelesen von Miriam, auf, um das Verschwinden aufzuklären.
BK: Gibt es da auch Unterschiede in der Art, wie beide ihre Rollen lesen?
BM: Oh ja. Parker ist eher distanziert und aus der Er-Perspektive geschrieben, so liest ihn auch Tobias, während Sia viel geschwätziger ist. Diesen Unterschied bringen beide sehr gut rüber.
BK: Wie war es für dich ein Buch zu schreiben? Gab es gravierende Unterschiede zu den Drehbüchern, die du bisher verfasst hast?
BM: Total. Ich denke gerne filmisch. Bei einem Drehbuch habe ich sofort die Dialoge und vielleicht noch ein paar Regieanweisungen, aber das war es dann auch schon. Sie tragen die Geschichte. Beim Buch hat man ein viel breiteres Spektrum – du musst mehr erzählen. Eine Szene aufzubauen ist daher viel mühsamer. Ich glaube, jeder hat ein bestimmtes Talent, aber noch mehr Grenzen. Nicht jeder, der Drehbücher schreiben kann, kann auch ein Buch schreiben, und umgekehrt.
BK: Wie waren die Reaktionen auf das Projekt Sehbuch?
BM: Sehr positiv. Wir haben einen Zuschauerkreis von etwa 7000 Leuten. Und jeden Tag klicken neue Menschen auf die Videos und kommen dazu. Es war ja zunächst eine sehr kleine Zielgruppe, doch über Flüsterpropaganda hat es sich langsam weitergetragen. Jeden Freitag erscheint ein neues von insgesamt 31 Kapiteln auf YouTube und zum Download bei iTunes.
BK: Gibt es schon Pläne für ein weiteres Sehbuch?
BM: Nichts Konkretes. Ich würde sehr gerne mal eine Webserie entwickeln. Mir war vor allem wichtig, etwas Eigenes zu schaffen und Leute darauf aufmerksam zu machen. Vielleicht fangen nun mehr Leute an, damit zu experimentieren und ihre eigenen Sachen als Sehbücher ins Internet zu stellen.
Zur Person:
Brigitte Müller lebt in Köln und hat Philosophie, Sozialwissenschaften und Politik in Marburg studiert. Nachdem sie lange Zeit bei Zeitung und Hörfunk gearbeitet hatte, wendete sie sich dem Fernsehen zu und begann für die Arztserie „Freunde fürs Leben“ Drehbücher zu schreiben. Mittlerweile hat sie etwa 100 Drehbücher verfasst, darunter auch Filme wie „Der Himmel kann warten“. „Klassenfahrt in den Tod“ ist ihr erster Roman, mit dem sie 2010 zu schreiben begann. Seit Oktober 2012 veröffentlicht sie wöchentlich ein Kapitel auf YouTube. Weitere Mitwirkende sind: Dorle Neft, Ursel Frank, beide Maske, Kerstin Westermann, Kostüm, Thomas Antoszczyk, Kamera, Tyzian Maski, DIT (Digital Imaging Technician), und Uli Frank, Ton.
Weitere Informationen gibt es auf der Facebook-Seite.
Dieses Interview ist erstmals in der 7. Ausgabe des Bücherstadt Kuriers erschienen.
Fotos: privat
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