Daniel Illger

von | 24.04.2016 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

Fantasy lebt davon, dass die Autoren auch in ihrer erschaffenen Welt leben. Das Entscheidende ist für mich beim Schreiben immer, Zugang zu dieser Welt zu haben. Wenn das gelingt, gelingt auch das Schreiben.

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Foto: Noëmi Vollenweider

SERAPH-Preisträger Daniel Illger stellt sich einigen Fragen der Fußnotarin Natalie und erzählt von mehr Gefühl in der Fantasy und seinem Buch „Skargat – Der Pfad des schwarzen Lichts“.

BK: Wie sind Sie eigentlich zur Fantasy gekommen und was hat Sie zum Schreiben bewegt?

DI: Ich war schon als kleines Kind von Horror und Fantasy fasziniert. Zur Fantasy bin ich auch unter anderem durch Rollenspiele gekommen. Erst mit 13-15 Jahren habe ich richtig angefangen, Bücher in dieser Richtung zu lesen.
Mit dem Lesen habe ich natürlich früher angefangen, aber eher Dostojewski und ähnliches gelesen. Ich hatte immer die Vorstellung, diese Art von Literatur mit Fantasy zu verbinden. Ich war sehr stark von Dostojewski fasziniert, da er allein durch Dialoge die Figuren charakterisieren konnte. Genau das habe ich auch versucht in Skargat zu bringen, wo ich mit drei verschiedenen Ich-Erzählern arbeite, die ihre einzelnen eigenen Versionen im jeweils eigenen Sprachstil wiedergeben.
Fantasy ist ein Genre, das am Anfang steht und als ganz neues Terrain erschlossen werden kann, allein dadurch, dass neue Verbindungen eingegangen und neue Sachen herein geholt werden, wie eben alte literarische Traditionen.

BK: „Skargat“ arbeitet mit dem Morbiden und auch einigen Horrorelementen. Ganz vorweg herrscht eine allgemeine Melancholie. Was fasziniert Sie an dieser?

DI: Fantasy hat eine sehr große Kraft, Welten realistisch zu gestalten, dass es alle möglichen sozialen Konflikte geben kann, wie Ausgrenzung, Verurteilung von Außenseitern und so weiter. Es kommt automatisch eine gewisse Traurigkeit beziehungsweise Melancholie auf, wenn es Figuren gibt, die derart leiden in der Welt, in der sie leben. Ich hoffe, dass somit eine große emotionale Kraft tragbar ist, so dass man mit den Figuren, die sich schon selbst aufgegeben haben, erleben, wenn von irgendwo her eine neue Hoffnung kommt. Wie Mykar, der lange Zeit einfach gedacht hat, er sei nur ein Stück Dreck.
Und die Melancholie gerade deshalb, weil Fantasy nicht nur Schlachten braucht, sondern auch Gefühl. Mich interessiert es, Figuren zu haben, die aus ganz unterschiedlichen Gründen keine Hoffnung mehr haben. Figuren, die ganz unerwartet Freundschaft und Gemeinschaft erleben und daraus neue Hoffnung schöpfen. Dass sie in die tiefste Dunkelheit reingehen, um unerwartet Licht zu finden.

BK: Haben Sie bestimmte Schreibprozesse und bestimmte Orte, an denen Sie schreiben?

DI: Ich kann eigentlich fast überall schreiben. Natürlich tue ich das, ganz banal, zu Hause. Das wichtigste für mich ist aber, dass man so oft wie möglich schreibt. Man sollte in Kontakt mit seiner eigenen Welt und deren Figuren sein. Fantasy lebt davon, dass die Autoren auch in ihrer erschaffenen Welt leben. Das Entscheidende ist für mich beim Schreiben immer, Zugang zu dieser Welt zu haben. Wenn das gelingt, gelingt auch das Schreiben.

BK: Sie stellen fantastische Wesen etwas anders dar und entdecken diese auf eine andere Art neu. Gibt es, neben den Hexen und Vampiren, auch andere Wesen, die Sie in Ihrer Weise darstellen möchten?

DI: Es gibt Leichenfresser, die an Lovecrafts Ghule angelehnt sind. Beim Lesen seiner Geschichten habe ich mich gefragt, wie die Ghule eigentlich leben würden, wenn sie keine Einzelgänger-Geschöpfe wären, sondern wenn sie Familien und ein soziales Umfeld hätten. Das habe ich versucht zu beschreiben.
Außerdem versuche ich, eine Tradition aufzugreifen, die in vielen Ländern über Jahrhunderte hinweg präsent war, „die wilde Jagd“. Diese besagt, dass in bestimmten Nächten, meist zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag in Raunächten, ein Zug von wilden Toten unter der Führerschaft eines verfluchten Jägers über die Lande zieht und unvorsichtige Wanderer mit sich zieht. Vielleicht entdeckt der ein oder andere Parallelen zum Buch.

Foto: Noëmi Vollenweider

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