„Salomés Zorn“ handelt von der Schwarzen Niederländerin Salomé und erzählt vom strukturellen Rassismus in Europa. Die Niederländerin Simone Atangana Bekono legt mit dem schmalen Buch ein fesselndes Romandebüt hin, findet Satzhüterin Pia.
Die 16jährige Salomé tritt eine Haftstrafe an. Wir Leserinnern und Leser erfahren nicht direkt, warum sie im Gefängnis ist. Wir begleiten ihren neuen Alltag im „Donut“, wie die Einrichtung genannt wird, weil die Gebäude in einer ähnlichen Form angelegt sind. Gedankenmonologe, Einsamkeit, Rückblicke und Stück für Stück ein Aufarbeiten des Geschehens und des eigenen Verhaltens – so erfahren wir nach und nach, was vorgefallen ist und warum Salomé an diesem Ort gelandet ist. Besonders herausfordernd für die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Wut ist der Therapeut Frits. Er war Teilnehmer in einer Reality-Show und „glänzte“ dort mit fremdenfeindlichen Vorurteilen – die Erinnerung an die Show, die Salomé im Fernsehen verfolgt hat, schürt ihre Wut weiter.
„Wir haben es alle beschissen schwer, Salomé, sagte Miriam, während sie mich beobachtete, wie ich nach der Schule in der Garage auf den Punchingball eindrosch. Wir haben es alle fucking schwer.“ (S. 97)
Eindringlich und gesellschaftlich relevant präsentiert Bekono ihr Debüt, dessen fesselnde Sprache die Gedankenwelt der jungen Salomé authentisch wiedergibt. Der persönliche und leicht aggressive Stil driftet immer wieder etwas ab, so dass die Gedanken echt wirken, und keineswegs durchkonzipiert. Immer wieder gibt es Blicke zurück in die Kindheit, Schulzeit oder zurück zum Besuch im Herkunftsland des Vaters – dem einzigen Aufenthalt für Salomé dort. Die geschilderten Erlebnisse sind nicht willkürlich gewählt, sondern Schlüsselmomente für die Protagonistin.
„Ich bin eigentlich gar nicht so stark. Ich habe einfach nur gegen das Schlechte gekämpft. Gegen die Jahreszeit des Schlechten, die Jahreszeit der schlechten Nachrichten.“ (S. 186)
„Salomés Zorn“ habe ich an zwei Tagen gelesen, die Geschichte und Gedankenwelt haben mich gefesselt, zudem hat das Buch nur einen schmalen Umfang von 243 Seiten. Das Ende kam für mich plötzlich und zu offen, aber schlussendlich funktioniert auch das wieder. Wie soll man eine Lösung, ein Ende für etwas finden, das selbst noch nach einem Ende sucht? Denn die Welt, besonders Europa, hat ein Rassismusproblem und auch für Salomé ist dies das Kernproblem. Übrigens, ohne zu viel spoilern zu wollen: Die Verurteilung der jungen Schwarzen finde ich fast am schlimmsten am ganzen Buch – hier gibt es einen ganz faden Beigeschmack der Täter-Opfer-Umkehr. „Salomés Zorn“ ist in jedem Fall ein sehr lesenswerter Roman.
Salomés Zorn. Simone Atangana Bekono. Aus dem Niederländischen von Ira Wilhelm. C.H.Beck. 2023.
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