Mit „Oz“ ist im Jahr 2021 ein weiteres Fantasy-Spielbuch von Autor Jonathan Green beim Mantikore Verlag erschienen. Beim Titel ist schnell erraten, in welcher Welt dieses Spielbuch beheimatet ist. Geschichtenerzähler Adrian hat sich als Held*in den Gefahren von Oz gestellt.
Zusammen mit dem Blechmann, der Vogelscheuche und dem Löwen hat das junge Mädchen Dorothy aus Kansas Oz vor dem Schrecken der bösen Hexe des Westens gerettet. Alle waren glücklich und lebten in Freiheit und in friedlichem Miteinander.
Jener Frieden währte jedoch nicht lange, denn eines Tages findet sich Dorothy erneut in der magischen Smaragdwelt Oz wieder. Im Angesicht einer neuen Bedrohung muss sich das Heldenquartett erneut zusammenfinden, um das Böse zu besiegen.
High Concept
Die Handlung von „Oz“ kann man als etwas bezeichnen, das sich High Concept nennt. Das bedeutet: Eine Handlung auf etwa 25 Wörter zusammenfassen oder der Titel sagt schon genug für die Handlung aus. Auf gut Deutsch: Die Geschichte passt auf einen Bierdeckel. Ein High Concept muss jedoch nichts Schlechtes sein. Schließlich fallen die berühmtesten Filme unter dieses Konzept: „Star Wars“, „Der weiße Hai“ oder „Terminator“.
Das Problem mit „Oz“ ist nicht das klassische High Concept, sondern dass es sich zudem liest wie jedes ausgelutschte, 0815-Fantasy-Setting, nur in der Welt von Oz. Diese wiederrum ist bereits etabliert und bedarf keiner großen Vorstellung.
Bekanntes, neues Setting
Green versetzt die Welt von Oz in das Fantasy-Subgenre des Steampunks. Dies ist ein Genre, in dem technologischer Fortschritt auf der Dampfmaschinentechnik aufbaut. Dieser Steampunk-Einfluss zeigt sich in „Oz“ vor allem im Gegnerdesign. Entweder muss man sich gegen vollwertige Maschinen behaupten, oder die Helden kämpfen gegen Humanoide in dampfbetriebenen Exo-Skeletten.
Auch wenn die Welt von Oz so teilweise einen neuen Anstrich erhält, ist dies nicht das erste Mal, dass Green jenes Genre in eine Geschichte integriert. Schon im Spielbuch „Alice im Düsterland“ von 2019 hat der Autor ein bekanntes Fantasy-Setting um Steampunk-Elemente erweitert.
Was ist eigentlich ein Spielbuch?
Spielbücher lassen einen selbst der Held oder die Heldin eines Abenteuers sein und es liegt in der Entscheidung der Lesenden, welchen Weg sie einschlagen möchten. Dafür ist ein Spielbuch in nummerierte Abschnitte unterteilt. In (fast) jedem Abschnitt sind Entscheidungen zu treffen, die dann in einen anderen Abschnitt führen – zum Beispiel: Gehe ich nach links, weiter mit Abschnitt 355; gehe ich nach rechts, weiter mit Abschnitt 14. Innerhalb solcher Abenteuer gibt es auch Kämpfe und sogenannte Proben auf die Fähigkeiten des Helden/der Heldin. Hier wird mal mit einem oder mehreren, meist 6-seitigen Würfeln gewürfelt. Ist das Würfelergebnis höher oder niedriger als der erprobte Wert, ist die Probe je nach Spielregeln bestanden oder nicht bestanden.
Rollenspiel in Oz
Im Falle von „Oz“ erschafft man keinen eigenen Helden oder Heldin. Dafür gibt es vier vorgefertigte Charaktere, die den vier klassischen Helden der Oz-Geschichte entsprechen: Dorothy, der Löwe, die Vogelscheuche und der Blechmann. Jeder Charakter hat seine eigenen Stärken, Schwächen und Fähigkeiten. Die Wahl des Löwen und des Blechmanns kann beinah schon als Easy-Mode begriffen werden, da sie mit ihren Fähigkeiten und Werten, wie etwa Stärke, recht mächtig sind.
Je nach gewähltem Charakter können Situationen auch anders erlebt werden. Hierfür sind einige Abschnitte mit einem charakterspezifischen Symbol gekennzeichnet. Diese Abschnitte sind jedoch sehr selten und haben mehrheitlich kaum bis gar keine Auswirkungen auf die Geschichte. Zwar steigert dies den Wiederspielwert, doch spätestens nach dem zweiten Mal und dem Erkunden eines anderen Weges ist die Luft raus.
Einzig das Freispielen von zwei neuen Charakteren – dem Zauberer von Oz und der bösen Hexe des Westens – nach dem ersten Durchspielen der Haupthandlung bringt einen kurzen Moment Spaß.
Oz in Bildern
Immer wieder finden sich in „Oz“ verschiedene Illustrationen von Kev Crossley. Diese stellen beispielsweise Gegner dar oder geben einen Eindruck der Smaragdstadt. Aber auch die Spielecharaktere sind zeichnerisch dargestellt. Letztere laufen jedoch teils eher konträr gegenüber der Geschichte. So ist Dorothy etwa als mächtige, sturmbeherrschende Zauberin dargestellt, während sie in der Geschichte eher unsicher und kindlich auftritt. In Bildsprache gesprochen könnte man das mit Aang aus der Serie „Avatar“ vergleichen. Während Dorothy in der Geschichte wie der junge, naive Luftnomade rüberkommt, stellt die Zeichnung sie dar wie Aang im furchteinflößenden Avatar-Zustand.
Dennoch helfen die Zeichnungen im Allgemeinen, ein besseres Bild von den Kreaturen und der Welt von „Oz“ zu erhalten, und sind auf jeden Fall gelungen.
Was soll man erwarten?
Wer bereits „Alice im Düsterwald“ von Jonathan Green gespielt hat, wird viele Déjà-vu-Momente haben. Es ist eigentlich dasselbe nur in Grün – auch weil das Cover in Grün gehalten ist – und im Oz-Setting. Für alle anderen ist es entweder ein netter Einstieg oder ein weiteres Erlebnis in der Welt der Spielebücher.
Die Geschichte sowie die beiden kleinen DLCs machen Spaß, wenn man sich darauf einlässt. Nach dem zweiten Mal spielen ist es dann eher ein nettes Geschenk für jemanden, der dieses Abenteuer noch nicht gespielt hat. Allgemein ein interessanter Ausflug in die Welt von Oz mit bekannten Charakteren.
Oz. Jonathan Green. Illustrationen: Kev Crossley. Übersetzung: Alex Kühnert. Mantikore Verlag. 2021.
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