Drogen, Mord und Eishockey

von | 20.04.2022 | #OwnVoicesBK, Buchpranger, Kinder- und Jugendbücher, Specials

Darf man gegen die eigene Community ermitteln? Bücherstädterin Vera hat den Young Adult Thriller von #ownvoices Autorin Angeline Boulley gelesen, der die Native American Community ins Zentrum stellt.

USA, an der Grenze zu Kanada, im Jahr 2004. Daunis ist gerade mit der Schule fertig und will Medizin studieren. Gleichzeitig sucht sie ihren Platz in der Welt zwischen der weißen Familie ihrer Mutter und dem Stamm ihres Vaters, der sie jedoch nie offiziell als Mitglied aufgenommen hat. Dann geschieht ein Mord in der Native Community, der mit einer neuartigen Sorte Crystal Meth in Verbindung gebracht wird. Sind etwa traditionelle Pflanzenkenntnisse von Stammesmitgliedern im Spiel, wie das FBI vermutet? Zwischen Zukunftsplänen und Trauer wird Daunis in die Ermittlung hineingezogen. Aber darf sie wirklich die Community in Gefahr bringen, die ohnehin schon mit Diskriminierung zu kämpfen hat? Und was hat die gefeierte lokale Eishockeymannschaft mit allem zu tun? Kann Daunis dem mysteriösen Jamie trauen, der gerade erst in die Stadt gezogen ist und ihre Gefühle durcheinander bringt?

„Wenn jemand stirbt, wechselt alles, was denjenigen betrifft, ins Präteritum. Außer die Trauer. Die Trauer bleibt im Präsens.” (S. 31)

Der Young Adult Thriller ist vom Aufbau nichts Besonderes, und das muss er auch gar nicht sein. Die Handlung ist ein klassisches Spiel mit Wendungen, Geheimnissen und einer gehörigen Portion Romantik. Der Anfang des Buches zieht sich ein wenig in die Länge, aber die Story gewinnt an Spannung, nachdem Daunis die Ermittlung in die eigenen Hände zu nehmen versucht und in den geheimen Unterlagen ihres verstorbenen Onkels nach den fehlenden Puzzleteilen sucht.

Zusätzlich balanciert Boulley den Plot mit Teen-Alltag, Identitätskonflikten und einer Romanze aus. Beide Seiten, der Fall und der Alltag, finden ihren Höhepunkt auf einer glitzernden Gala, auf der Geheimnisse ans Licht kommen und sich die Puzzleteile zu einem Ganzen zusammenfügen.

„Vielleicht geht es gar nicht darum, dem FBI zu helfen, sondern meiner Gemeinschaft zu helfen. Geht das eine ohne das andere?” (S. 148)

Bei „Firekeeper’s Daughter” überzeugt vor allem das Setting: Angeline Boulley, selbst Native American, fiktionalisiert ihre Erfahrungen und kann so glaubhaft (und manchmal schmerzhaft!) viel Wissen über die Vergangenheit und Gegenwart der Natives der Region einbringen. Denn das historische Trauma von Genozid, Misshandlungen in Internaten und systemischer Diskriminierung wirkt bis in die Gegenwart nach. Als #ownvoices Autorin gelingt es Boulley, ihre Figuren vielschichtig darzustellen und indigenen Erfahrungen von einem weißen, historisch verklärten Blick zu lösen und ins Heute zu holen, mit allen Facetten und Konflikten, die eine Community ausmachen. Das Glossar und weitere Texte zur historischen und kulturellen Einordnung helfen dennoch, den Roman in einem größeren Kontext zu betrachten.

Fazit: Breaking Bad trifft YA – wer nicht davor zurückschreckt, 2004 als historisches Setting zu begreifen und für den harte Thriller-Themen und Teen-Romanzen unbedingt zusammengehören, für den ist „Firekeeper’s Daughter” genau richtig. Dabei macht das Setting in der Native Community mehr als wett, dass der Plot keine bahnbrechenden Überraschungen bereit hält. Nicht umsonst plant Barack Obamas Produktionsfirma, den Roman zu verfilmen.

Firekeeper’s Daughter. Angeline Boulley. Aus dem Amerikanischen Englisch von Claudia Max. Cbj. 2022.

[tds_warning]Content Warnung: Gewalt, Mord, Drogen, Vergewaltigung, Rassismus[/tds_warning]

[tds_note]Ein Beitrag zum Themenjahr #OwnVoicesBK. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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