Eine Bilderbuchgeschichte über Leben und Sterben

von | 03.11.2025 | Bilderbücher, Buchpranger

Buchstabenakrobatin Melanie ist schon lange Fan von Olivier Tallec und hat gespannt auf die neue Geschichte um sein skurriles Eichhörnchen gewartet. Sie findet, dass der Bilderbuchkünstler erneut zeigt, dass er den ganz großen Themen gewachsen ist.

Pok und Eichhörnchen sind erschrocken, ihr Lieblingsvogel Amsel liegt regungslos am Waldboden. Vielleicht schläft er nur? Doch weder Krach noch laute Rufe können den Vogel wecken. Auch Maus Günther weiß keinen Rat. Den Freunden wird klar: Amsel ist tot. Diese Erkenntnis wirft viele Fragen und Gefühle auf, mit denen umzugehen das Trio seinen eigenen Weg finden muss. Klar ist für alle: „Auch wenn er tot ist, muss man ihn beschützen.“

Mit Kindern über den Tod zu sprechen, ist gar nicht so einfach. Da sind nicht nur die Fragen, die rational beantwortet werden können, sondern auch eine Menge Gefühle, die mitunter schwer in Worte zu fassen sind. Auch Eichhörnchen, Pok und Günther müssen sich mit Unverständnis, Trauer und – im Falle der Maus – mit Wut auseinandersetzen, als sie mit dem Tod von Amsel konfrontiert werden. Das zu zeigen gelingt Bilderbuchkünstler Olivier Tallec mit seinem typischen Minenspiel auf besonders warmherzige und zugleich humorvolle Art und Weise – denn bei all der Schwere um das Thema Tod kann man beim Anblick der großäugigen Waldbewohner gar nicht anders, als zu schmunzeln.

Trotz des subtilen Humors, der sich in Bildern und Text findet, begegnet Tallec dem Tod mit viel Respekt. Beispielsweise wenn Eichhörnchen erklärt:

„Es heißt, wenn man tot ist, wird der Körper kalt, und wenn man lebt, ist der Körper warm. Seiner war lauwarm. Vielleicht ist er nur halb tot.“

Die Unsicherheit der Freunde gibt Raum, gemeinsam über den Tod nachzudenken und darüber zu sprechen, was getan werden kann. Das Trio im Bilderbuch will seinem Freund Amsel zum Beispiel nicht nur Schutz bieten, indem es ihn mit Blättern und einem Kiefernzapfen bedeckt, auch will es sich gemeinsam erinnern.

Die in herbstlichen Gold-, Braun- und Orangetönen gehaltene Waldwelt unterstreicht den warmherzigen Ton der Erzählung und lässt auch im Angesicht des Todes keinen Schrecken zu. Dadurch ist dieses Bilderbuch gut geeignet, um sich mit Kindern ab 5 Jahren an dieses große Thema heranzuwagen. Und letztlich findet sich auch nach dem Verlust von Lieblingsvogel Amsel Hoffnung, denn das Leben geht buchstäblich weiter und hält auch nach dem Tod viel Schönes bereit:  

„Heute Morgen sind Pok und ich zur Amselwiese gegangen. Sie war immer noch genauso gelb und ein anderer Vogel hat dort sein Lied gesungen.“

Ist Amsel tot? Olivier Tallec. Aus dem Französischen von Ina Kronenberger. Gerstenberg. 2025. Ab 5 Jahren.

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Melanie Trolley

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Die Leidenschaft für das geschriebene Wort hat Melanie nach Bremen und dort an die Uni verschlagen. Das Studium der Germanistik hat ihr einen veränderten Blick auf Bekanntes ermöglicht, die Augen für Neues geöffnet und Begeisterung fürs Bilderbuch entfacht. Als Texterin arbeitet Melanie täglich daran, die richtigen Worte zu finden – im Beruf vorerst ohne literarische Berührungspunkte.

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