Statt Badespaß und Urlaubsfeeling in den Sommerferien gibt es Albträume und Hexenjagd. „Hexenwerk“ ist der Auftakt von Tanja Hanikas Hexenhorror-Trilogie und ein Muss für Horrorfans, findet Bücherstädterin Jessica.
Sommerferien in Schwarzbach, wo das Leben als Schulkind unbeschwert und fröhlich ist. Eine Zeit für Freibäder und Eis. Möchte man zumindest meinen, denn in Schwarzbach verschwinden Kinder und niemand weiß, wieso. Simon und seine Freunde haben da jedoch einen Verdacht: Die drei alten gruseligen Frauen sind schuld. Als die Jungen eines nachts Steinchen an die Fenster der Frauen werfen, werden sie erwischt. Doch anstatt schreiend auf die Jungen zuzurennen, passiert etwas viel Grausameres: Die Frauen schwören Rache an den Kindern und ein Kampf auf Leben und Tod entbrennt.
»Der Kinderfresserin haben wir bestimmt Appetit gemacht.« (Seite 12)
Kindliche Fantasie gegen die Welt der Erwachsenen
Simon und seine Freunde sind sich sicher, dass die Frauen Hexen sind und dass sie vernichtet werden müssen, um die Kinder der Stadt zu schützen. Doch das stellt sie vor das nächste Problem: Wie sollen sie ihren Verdacht beweisen? Wie überzeugt man die Erwachsenen davon, dass die alten Frauen Hexen sind? Das geht nur mit Recherche und jugendlichem Glauben, doch einfach wird es nicht. Die Hexen sind trickreich. Sei es, dass sie als Albträume erscheinen oder sogar den Vater einer der Jungen verführen. Ihnen ist jedes Mittel recht, um ihre Rache und frische Zutaten für ihre Zauber zu erhalten.
»Wie kommen die Hexen überhaupt zu ihren Kräften?« »Durch Teufelsbuhlschaft. Er gibt ihnen etwas von seiner Macht und fordert dafür unbedingten Gehorsam und böses Schaffen in der Welt.« (Seite 152)
Wie also sollen Schulkinder gegen die Dienerinnen des Teufels ankommen? Viel Unterstützung von den Erwachsenen bekommen sie dabei nicht und wenn ihnen jemand glaubt, dann sind die Hexen nicht weit, um die Erwachsenen aufzuhalten. Eine der wenigen Helferinnen ist Bibliothekarin Jessica Leonard, die den Kindern nicht nur zuhört, sondern sie auch bei ihren Recherchen unterstützt und ihnen die Hexenjägerin Margret Rüttiker vorstellt. Zwar herrscht auch bei Jessica anfängliche Skepsis, dennoch steht sie den Kindern zur Seite, so gut sie kann.
Mit Petersilie und Eberesche in den Kampf
Statt moderner Hilfsmittel und Magie bleibt den Schuljungen im Kampf gegen die Hexen nur das, was sie aus alten Büchern und Überlieferungen erfahren: Schutzmittel wie Petersilie, Brotkrumen in der Tasche und Äste der Eberesche, mit denen es den Hexen an den Kragen gehen soll. Und natürlich Feuer, wobei die Hemmschwelle dort recht hoch ist.
Tanja Hanika erzählt die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven: Sie zeigt die Geschehnisse sowohl aus Sicht der Jungen als auch aus Sicht der Hexen und der Hexenjägerin. Zusätzliche Abwechslung bringen einzelne Kapitel, in denen zum Beispiel aus Sicht einer der Mütter erzählt wird. So beleuchtet das Buch viele unterschiedliche Perspektiven und liefert Hintergrundinformationen, wodurch die Handlung greifbarer und komplexer wird.
Hanika schafft es, den alten Glauben an Hexen so logisch in ihre Geschichte einzubauen, dass alles sinnhaft erscheint. So schaffen es 12-jährige Jungen eher, mit einer Astschere in einen Garten einzusteigen, als exotische Mittel zu besorgen. Dadurch bekommt man nie das Gefühl, in einer Fantasywelt zu sein. Ganz im Gegenteil: Themen wie Freundschaft, Gewissensbisse und der bloße Fakt, dass Kinder verschwinden, machen den Horror des Romans greifbar. Ebenso das Alter der Protagonisten. Hier geht es um Kinder, die mit Kräften und Gefahren konfrontiert werden, für die sie nicht gewappnet sind. Weder körperlich noch emotional und doch stellen sie sich diesen Dingen, ganz gleich den möglichen Konsequenzen.
Kein cozy Gruselbuch
Ungeschönt schreibt Tanja Hanika über die Dinge, die die Hexen machen. Grabräuberei, Folter und das Verspeisen von Kindern werden nicht nur angesprochen, sondern explizit beschrieben und bilden einen grausamen Kontrast zu den unschuldigen Kindern. Dadurch wird die Gewalt noch greifbarer und der Schrecken des Buchs noch brutaler – nichts für schwache Mägen und Gemüter. Und auch wenn die Hauptfiguren Schulkinder sind, so richtet sich das Buch eher an ältere Leser*innen ab 16 Jahren.
„Hexenwerk“ ist ein toller Auftakt für eine Trilogie, die mit Alltag, greifbaren Figuren und deutscher Geschichte ihre eigene Horrorwelt erzeugt und für (un-)angenehme Lesestunden sorgt.
Hexenwerk: Die gestohlenen Kinder von Schwarzbach. Band 1 der Hexenhorror-Trilogie. Tanja Hanika. Selbstverlag. 2019.
Ein Beitrag zur #Todesstadt.



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