Eine schrecklich unaufgeräumte Familie

von | 31.10.2018 | #Todesstadt, Digitale Spiele, Specials, Spielstraße

Geister, Dämonen, Werwölfe, magische Reiche und ein Messie-Problem. Die Familie Gray hat es nicht leicht in der Geschichte der Wimmelbild-Computerspielreihe „Grim Tales“ des deutschen Entwicklerstudios astragon Entertainment. Geschichtenerzähler Adrian und Geschichtenzeichnerin Celina haben sich um die ersten vier Familienprobleme gekümmert.

In „Grim Tales: Die Braut“ fängt alles eigentlich ganz harmlos mit einer Hochzeit zwischen Luisa und John an. Doch die Familie Gray, zu der John gehört, würde ihrem Ruf nicht gerecht werden, wenn das nicht komplett schiefgehen würde. Stand der Dinge: Luisa ist tot und John wird verdächtigt, sie umgebracht zu haben. Mit der Fähigkeit, durch Bilder und Fotos in die Vergangenheit reisen zu können, macht sich die namenlose Schwester von Luisa auf, um die Geschehnisse aufzuklären. Dies endet in einem Vater-Töchter-Drama mit einem Hauch von Dämon.

Wenn man als namenlose Schwester nun denkt, die Probleme seien vorbei und die Grays würden glücklich werden, falsch gedacht. Kurz nach der Geburt ihres Neffen stellt sich in „Grim Tales: Das Vermächtnis“ heraus, dass das dunkle, unheimliche Schloss der Grays ein Werwolf-Problem hat, das auf einen Vorfahren der Gray-Familie zurückgeht.

Nun sollte die kleine Familie doch glücklich bis an ihr Ende leben, aber mal wieder muss die Protagonistin den Karren aus dem Dreck ziehen. In „Grim Tales: Gefährliche Wünsche“ hat ihr Neffe Brandon einen Pakt mit einer Hexe geschlossen, um seine Puppe lebendig zu machen. Oder war es um seinen Vater John Gray wiederzubekommen, der irgendwo am Polarkreis verschollen ist? Man weiß es nicht. Nun ja, auch die Hexe macht es nicht lange und wieder ist der Tag gerettet.

Im vierten Teil „Grim Tales: Die Steinkönigin“ geht es in die Kleinstadt Stoneville, die mit einem Steinproblem zu kämpfen hat – bei dem Namen war das vorherzusehen. Die namensgebende Steinkönigin verwandelt die Kleinstadtbewohner in Steinstatuen. Wo solche merkwürdigen Ereignisse stattfinden, kann ein Gray nicht weit sein und es dauert nicht lange, da wird die Protagonistin auch fündig. Eigentlich nur durch Zufall trifft man in der Stadt gleich auf zwei Angehörige der Unglücksfamilie, Brandon und den Bruder von John. Ersterer scheint nur noch so halblebendig und es ist mal wieder an der Protagonistin, den Tag zu retten.

Geschichten wie aus einem Zeitungskiosk

Geht man allein von den Geschichten der einzelnen Wimmelbildspiele aus, so sind diese nicht besonders abendfüllend. Während die Zusammenfassung jedes Abenteuers wohl auf einen Bierdeckel passen würde – wenn nicht sogar die von allen Vieren zusammen – beruht die Länge der Spiele größtenteils auf den vielen Rätseln und Wimmelbildern, bzw. wie lange man für diese braucht.

Auch wenn die Geschichten nicht besonders viel hergeben und mit reihenweise lächerlichen Momenten aufwarten, unterstreichen sie die Wege von Rätsel zu Rätsel und machen die Existenz dieser bis zu einem gewissen Grade nachvollziehbar.

Wenn der Müll überhandnimmt

Neben ihrem Hang dazu, allerlei magische Probleme anzuziehen, haben die Grays auch noch ein riesiges Müllproblem. Zwar eignen sich diese Berge von Unrat wunderbar dafür, als Wimmelbild darin nach verschiedensten Gegenständen zu suchen, doch es ist beeindruckend, was alles aus einem Schrank oder Gully quillt, sollte man wagen ihn zu öffnen. Insgesamt gleichen die Unterkünfte der Familie Gray meist eher einer baufälligen Ruine als einem warmen, angenehmen Heim: So etwa ein altes, verfallenes Schloss oder ein halbkaputtes Haus mit zugemülltem Garten und versiffter Küche.

Einen Hammer für zu harte Rätselnüsse, bitte.

Neben all dem Schmutz, gleicht es einer schieren Unmöglichkeit sich frei in einem Heim der Familie Gray zu bewegen. Gefühlt neunzig Prozent der Schlösser dort sind entweder durch Symbol-Embleme und/oder komplizierte Rätsel verschlossen. Wir wollen nicht den Schlüsselbund dieser Familie besitzen, beziehungsweise, was tun, wenn man schnell mal auf die Toilette muss?

Die Rätsel sind entweder langweilig einfach oder bockschwer und gerade dieses hin und her sorgt meist für ein frustriertes Seufzen. Viel zu häufig kam der Wunsch auf – und viel zu häufig wurde diesem Wunsch nachgegeben – einfach auf ‚Lösen‘ zu klicken. Dieses gefühlt stundenlange Hocken vor einigen Rätseln reißt immer wieder aus einem flüssigen Spielgefühl.

Warum hat sie das weggeschmissen?

Auch die Prioritäten, die das Spiel bei Gegenständen setzt, sowie die Handlungen der Spielfigur, sind hin und wieder kaum bis gar nicht nachvollziehbar und scheinen – wie einige Rätsel – nur dazu zu dienen, das Spiel unnötig in die Länge zu ziehen. Beispielsweise verschwindet eine, einmalig genutzte Schere aus dem Inventar, obwohl nur zwei bis drei Bilder weiter erneut eine benötigt wird.

Ebenso können Handlungen, wie etwa das Beiseiteräumen von ein paar Baumblättern oder einigen Ästen, nicht per Hand getätigt werden, sondern nur mit Hilfe von Harke und Gartenschere. Das wirkt teilweise sehr gestellt.
Die ab dem zweiten Teil bereitgestellte Karte, die das Finden von Gegenständen und Rätsel vereinfachen soll, weist immer wieder Lücken auf, sodass sich zwar eine Gewöhnung an die Benutzung einstellt, man aber immer wieder feststellt, dass sie einiges nicht anzeigt und so zu einer leichten Verwirrung führen kann.

Gut gezeichnet, schlecht animiert

Rein optisch sind die „Grim Tales“-Teile ein wirklicher Hingucker. Die vielen Bilder und Locations sind mit einem hohen Grad an Detailreichtum gestaltet und bieten viele Momente, in denen man sich beispielsweise in den Wimmelbildern umschaut und kleine Tiere, filigrane Schmuckstücke oder sonstiges schön Designtes entdeckt. Atmosphärisch sorgen die einzelnen Szenen für die richtige Stimmung. Auch wenn das Schloss im zweiten Teil bereits halb auseinanderfällt und man sich als Spielender fragt, wie ein Leben hier möglich ist, sieht es wenigstens dabei unheimlich aus und zelebriert seine Unordnung.

Wo die ruhigen und (fast) unbeweglichen Bilder durch ihre Hochwertigkeit glänzen, so wird man bei den Bewegungsanimationen von den Figuren ruckartig aus der Welt gerissen. Diese sind meist hölzern, nicht ins Bild passend und grafisch weit unter dem Niveau des restlichen Spiels.

Ein Horror für Sauberkeitsfanatiker

Obwohl die Geschichten der ersten vier Teile etwas an den Haaren herbeigezogen wirken, sind sie unterhaltsam und untermalen ein stimmungsvolles Wimmelbilderlebnis – obwohl sie im betrunkenen Zustand bei Weitem amüsanter sind.

Auch wenn das Zusammensammeln der einzelnen Symbolschlüssel und das Backtracking (immer wieder bekannte Orte nach Sachen absuchen) auf Dauer etwas anstrengend sind, so ist es eher das schwankende Rätselniveau, das Grim Tales für Rätselneulinge weniger empfehlenswert macht. Die verschiedenen, namensgebenden Wimmelbilder sind wohl das Highlight der Spielereihe.

Grim Tales 1-4. Entwickler: astragon Entertainment. Publisher: Big Fish Games. 2012-2013. PC.

[tds_note]Ein Beitrag zum Special #Todesstadt. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]
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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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