Fernsehen, (nicht) nur für die Ohren

von | 20.05.2019 | Filmtheater, Serien

Eine Psychologin, die sich nicht an ihre Vergangenheit erinnert – eine Amazon-Serie, die auf einem Podcast basiert: „Homecoming“ erzählt in zwei Medien spannend von einer Verschwörung. Worteweberin Annika hat hineingehört und hingeschaut.

Ein heruntergekommenes Fischrestaurant am Wasser: Heidi Bergman (Serie: Julia Roberts/Podcast: Catherine Keener) serviert fettige Gerichte und Kaffee, wohnt bei ihrer Mutter und denkt nicht oft an ihre Vergangenheit. Als der Ermittler des US-Verteidigungsministeriums Thomas Carrasco (Shea Whigham/Aaron Serotsky) im Restaurant auftaucht und beginnt, Fragen zu stellen, zeigt sich auch, warum: Heidi kann sich nicht daran erinnern, dass sie vor vier Jahren für das Homecoming Institut gearbeitet hat und was während dieser Zeit vorgefallen ist. Dort war sie für die Wiedereingliederung aus dem Krieg heimgekehrter Soldaten zuständig und interessierte sich besonders für einen Klienten, Walter Cruz (Stephan James/Oscar Isaac). Doch mit dem Projekt und seinem Leiter Colin Belfast (Bobby Cannavale/David Schwimmer) scheint etwas faul gewesen zu sein.

„Homecoming“ erzählt abwechselnd von Heidis Arbeit bei Homecoming im Jahr 2018 und dem Leben danach, im Jahr 2022. Nach und nach fügen sich die Vergangenheit und die Gegenwart zu einem eindeutigen Bild zusammen. In der Amazon-Serie unterscheiden sich die Zeitebenen durch unterschiedliche Bildformate: Während Heidis Zeit bei Homecoming in normalen 16:9-Format gezeigt wird, ist ihre Gegenwart mit der Erinnerungslücke durch ein quadratisches Bildformat veranschaulicht. Schön ist dabei, wie sich die Bildgröße in der vorletzten Folge verändert, wenn Heidi bestimmte Informationen bekommt.

Vom Hörspiel zur Serie

„Homecoming“ erschien zwischen 2016 und 2017 als Podcast des Medienunternehmens Gimlet Media. Hinter dem erzählenden Podcast stand die Idee, „Fernsehen für die Ohren“ zu machen und das verzeichnete große Erfolge. Allein durch (Telefon-)Gespräche wird hier in zwei Staffeln Heidis Geschichte erzählt. Das Hörspiel arbeitet mit sehr authentischen Geräuschen, so dass der Eindruck entsteht, die Szenen wären nicht im Studio aufgenommen, sondern an den tatsächlichen Schauplätzen.

Die Filmrechte für „Homecoming“ waren heiß begehrt. Amazon Studios sicherte sich den Zuschlag und gewann mit Julia Roberts auch gleich noch eine hochkarätige Hauptdarstellerin für das Serienprojekt. Die erste Staffel erschien im englischsprachigen Original 2018, in der deutschen Synchronfassung 2019 auf Amazon Prime. Eine zweite Staffel ist geplant.

Kein Mainstream

Die Serienadaption behält den Hörspielcharakter in vielen Punkten bei: Im Vergleich zu anderen aktuellen Serien wird „Homecoming“ in einem ruhigen Tempo erzählt und nimmt sich Zeit für langsame Kamerafahrten. Wie im Podcast auch schaffen ausgeprägte Hintergrundgeräusche eine Verortung der Szenen, zum Beispiel das blubbernde Aquarium in Heidis Büro im Homecoming Institut. Im Vergleich zum Podcast baut die Serie länger Spannung auf – im Hörspiel werden einige Informationen deutlich früher gegeben, die in der Serie erst im Showdown in den letzten beiden Folgen ans Licht kommen.

Wer Lust auf eine Serie hat, die einiges anders macht als der Mainstream, ist mit „Homecoming“ gut bedient. Bei aktuell zehn Folgen à ungefähr 30 Minuten braucht man dafür noch nicht mal außerordentlich viel Zeit. Auch der Hörspielpodcast ist sehr zu empfehlen. Allerdings sollte man dafür sattelfest im Englischen sein, denn eine deutsche Übersetzung steht nicht zur Verfügung. Wenn man sprachlich mitkommt, macht aber auch das Hörspiel viel Spaß.

Homecoming – Staffel 1. Regie: Sam Esmail. Drehbuch: Eli Horowitz, Micah Bloomberg, David Wiener u.a. Mit Julia Roberts, Bobby Cannavale, Stephan James u.a. Amazon Studios. USA. 2018. FSK 6. / Homecoming. Regie: Eli Horowitz. Drehbuch: Eli Horowith, Micah Bloomberg. Mit Catherine Keener, David Schwimmer, Oscar Isaac u.a. Gimelt Media. 2016-2017.

 

Bücherstadt Magazin

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