In der NS-Zeit nutzen einige Kunsthistoriker die Okkupation Frankreichs durch die Deutschen aus, um Kunstwerke zu erschwinglichen Preisen zu erwerben. War das rechtmäßig? Geschichtenzeichnerin Celina ist dieser Frage im Buch „Kunst und Profit“ nachgegangen.
„Mit dem Einmarsch deutscher Truppen im Sommer 1940 gerieten Paris und sein Kunstmarkt auf besondere Weise ins Visier deutscher Interessen.“ (S. 36)
Anhand von Fallbeispielen möchten die Autor*innen des Buches, sechzehn (Kunst)-Wissenschaftler*innen, aufzeigen, unter welchen Umständen in den 1940er Jahren Kunst aus Frankreich nach Deutschland kam. Dabei werden Fragen wie ‚Wer hatte an den Kunstwerken Interesse?‘, ‚Woher kamen die Bilder?‘, ‚Zu welchen Preisen waren diese erschwinglich?‘ und ‚Wie konnten unter anderem Museumsbeamte an die Gelder für den Ankauf von Kunst herankommen?‘ gestellt. Die Erforschung der Herkunft und der Geschichte eines Objekts, also die Provenienzforschung der Kunstwerke, und die damit verbundene Frage, ob es sich bei den damaligen Erwerbungen um Raubkunst handelte, stehen im Fokus.
Fallbeispiele
Im Buch wird von vorneherein bewusst gemacht, dass bei den Käufen von Kunstwerken in den 1940er Jahren in Frankreich besonders die Auslegung als legale Erwerbungen in der Nachkriegszeit problematisch ist, obwohl nachweislich vielen Museumsdirektoren klar gewesen sein müsste, dass die Werke unter spezifischen und vielfach fraglichen Bedingungen erworben wurden. Die Objekte wurden vielfach über Kunsthandlungen erstanden. Allerdings waren oder sind die Provenienzen teils ungeklärt.
Die ersten zwei Kapitel, geschrieben von Justus Lange, Günther Kuss und Nora Halfbrodt, widmen sich dem Fallbeispiel Hans Möbius. Er war Archäologe und erwarb damals unter anderem für die Staatliche Kunstsammlung in Kassel als sogenannter „Kunstschutzoffizier“ einige Werke. ‚Was war der Kunstschutz für eine Organisation?‘, ‚Welche Aufgaben hatte dieser?‘ und ‚Welche Möglichkeiten an Erwerbungen ergaben sich für Möbius?‘ Diese Fragen werden anschaulich beleuchtet.
Es wird ebenso klar gesagt, dass viele Werke mittlerweile zurückgegeben, also restituiert, wurden. Allerdings wird immer wieder deutlich, wie schwierig es ist, die Provenienz jedes Kunstobjektes im Nachhinein zu erfassen, da zum Beispiel Angaben fehlen oder unvollständig sind. Darüber hinaus wird einem beim Lesen bewusst, dass nicht allein Adolf Hitler und Hermann Göring die Besatzung Frankreichs ausnutzten, um ihre Kunstsammlungen auszubauen, sondern ebenso „Kunstschutzoffiziere“ und, wie das nachfolgende Beispiel zeigt, Museumsbeamte.
Museumsausbau auf Kosten anderer?
In einem weiteren Kapitel von Katharina Weiler wird besprochen, dass sich auch deutsche Museen für Kunsthandwerk in Frankreich bereicherten. Dazu wird die Person Walter Mannowsky vorgestellt, der das Museum für Kunsthandwerk in Frankfurt am Main leitete und Mitglied der NSDAP sowie SS war. Auch er bereicherte sich, beziehungsweise das Museum, an Objekten wie Möbeln, von zum Teil als Juden verfolgten Bürger*innen. Im Buch wird verdeutlicht, wie zu dieser Zeit Sammlungsgegenstände ins Museum kamen und mit welcher Beharrlichkeit Mannowsky den Objekten nachging, belegt durch mehrere seiner Dienstreisen nach Paris.
Ein weiterer vorgestellter Fall ist der des Gemäldes „Flusslandschaft“ des französischen Künstlers Camille Corot, das bis heute in der Nationalgalerie in Berlin hängt. Dessen Ankauf wurde 1941 aus den Mitteln der „Verwertung von Entarteter Kunst“ bezahlt. Wie ist dieser Fall zu bewerten? Diese Frage und die Verwobenheit der deutschen Erwerbungsgeschichte der Besatzungszeit mit der Geschichte der französischen Sammlungen werden hierbei beleuchtet. In weiteren Kapiteln werden deutsche regional-historische Museen, die französische Museumslandschaft und auch der Schweizer Kunstmarkt während der NS-Zeit thematisiert und deren Ankäufe hinterfragt.
Nur für Kenner*innen oder auch für Laien?
Wichtig zu wissen ist, dass vier Kapitel in französischer Sprache geschrieben sind. Auf der Website des Verlages wird zwar auf beide Sprachen – also Deutsch und Französisch – verwiesen, jedoch kann fälschlicherweise angenommen werden, dass die Texte dennoch in beiden Sprachen abgedruckt vorhanden sind. Da es sich um kunstwissenschaftliche Themen handelt, sollten für die vier Kapitel sehr gute Französischsprachkenntnisse mitgebracht werden.
Wiederum positiv ist, dass an jedem Kapitelende eine Zusammenfassung auf Englisch geboten wird. Allerdings machen diese Passagen meist nur noch mehr Lust auf den jeweiligen Text. Ebenso sind die detaillierten Beschreibungen der Fallbeispiele großartig, um einen Einblick in die Thematik zu bekommen. Bei vielen Texten erfolgt zudem am Ende ein Fazit, sodass Erkenntnisse und offen gebliebene Fragen nochmal auf den Punkt gebracht werden.
Abschließend lässt sich sagen, dass dieses Buch in jedem Fall für Fachkundige, bestenfalls mit Deutsch- und Französisch-Kenntnissen, zu empfehlen ist. Laien beziehungsweise Interessierte müssten sich etwas mehr in die Thematik einarbeiten, da es sich um ein Fachbuch handelt.
Kunst und Profit. Herausgebende: Elisabeth Furtwängler und Mattes Lammert. De Gruyter. 2022.
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