Jane Austen privat

von | 07.03.2022 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

 

Jane Austen hat bereits vielen Generationen mit ihren Romanen Freude bereitet. Aber wie war die britische Schriftstellerin privat? Was hat sie bewegt und wie war ihr Verhältnis zu ihrer Familie? Satzhüterin Pia und Büchertänzerin Michelle-Denise haben sich mit dem Sammelband „Jane Austen. Von ganzem Herzen … Die Briefe mit Illustrationen ihrer Zeit“ von Penelope Hughes-Hallett auf eine Zeitreise ins 18. Jahrhundert begeben.

Wer bereits Bücher von Autorinnen oder Autoren der Regency-Zeit gelesen hat, wird wissen, dass damals die Korrespondenz mittels Briefen ein hochgeschätzter Zeitvertreib für den gebildeten Teil der Gesellschaft war. Auch in Jane Austens Romanen spielen sie immer wieder eine Rolle und so ist es nur naheliegend, dass auch die Autorin selbst häufig und leidenschaftlich Briefe geschrieben und verschickt hat – ganz besonders an ihre geliebte Schwester Cassandra.

Unterstützende Bilder und Zeichnungen

Auf den ersten Blick macht das Buch „Jane Austen. Von ganzem Herzen … Die Briefe mit Illustrationen ihrer Zeit“ durch das verspielt-florale Design des Einbandes einen schönen Eindruck. Man stellt direkt eine Verbindung zu den romantischen Büchern von Austen her. Das längliche Querformat und das leicht raue Material überzeugen in der Haptik. Aufgeschlagen gehen die Meinungen jedoch auseinander. Während Satzhüterin Pia die glatten Seiten des Buches als neu und künstlich empfindet, was sie als Leserin stört und aus der Thematik herauszieht, empfindet Büchertänzerin Michelle-Denise das Material als angenehm und hochwertig beim Blättern.

Die (Doppel-)Seiten sind einheitlich nach dem gleichen Schema aufgebaut. Austens Briefe und Hughes-Halletts dazugehörigen Kommentare sind in einem mittig gesetzten breiteren Spalt platziert und werden links und rechts, je nach Bedarf, durch zusätzliche Informationen, Bilder, Skizzen oder Zeichnungen eingerahmt und ergänzt. Sowohl die Bilder, die in Sepia oder Graustufen gehalten sind, als auch die filigranen Skizzen und Zeichnungen schaffen bei den Leserinnen und Lesern Nähe zur Lebensrealität Austens. Zwar wird zumeist nicht Austen selbst abgebildet, sondern eher Personen und Szenen aus Austens Zeit, jedoch erleichtern sie es, sich zu orientieren und in die damaligen Lebensverhältnisse einzufinden.

Foto: Satzhüterin Pia

Ein optisches Durcheinander

Allgemein hätte das Layout optisch ansprechender gesetzt werden können. Teilweise wirken die Seiten zu überladen. Dieser Eindruck wird auch durch die dick gedruckte Schrift auf kleinem Raum verstärkt. Auf den ersten Blick ist es schwierig auszumachen, wo der Brief endet und der Kommentar beginnt. Denn obwohl die kommentierenden Absätze kursiv formatiert sind, wirkt alles wie ein Fließtext. Die unterschiedlichen Schriftarten und Formatierungen sind nur bedingt praktisch. Als Beispiel nehmen wir einfach mal Seite 20, um die Problematik genauer zu verdeutlichen.

Allein auf dieser Seite finden sich mindestens drei sehr verschiedene Schriftarten in kursiv, normal oder komplett großgeschrieben und das alles in Block- und Flattersatz oder mittig zentriert. Das wechselt sich auch noch wild ab – was für ein optisches Durcheinander.

Das Problem mit Austens unzähligen Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten

Bevor man mit der Lektüre der Briefe beginnt, ist es von Vorteil, die Einleitung aufmerksam zu lesen. Diese erstreckt sich über sechs Doppelseiten und ist für das bessere Verständnis notwendig. Im weiteren Verlauf liegt der Fokus auf den Briefen von Austen an ihre Schwester. Dieser Schriftverkehr ist chronologisch aufgebaut und in den historischen Kontext gesetzt. Zwar nicht allumfänglich, aber in dem Maße, dass man sich die Regency-Zeit vorstellen kann, unabhängig vom Kenntnisstand der Leserinnen und Leser aus Austens Romanen oder deren Verfilmungen.

Die Briefe selbst lesen sich wie ein Roman von Austen, jedoch erschweren die Massen an Namen zunehmend das Verständnis der Zusammenhänge. Zugegebenermaßen werden eine Handvoll Namen in den kommentierenden Absätzen aufgegriffen und näher erläutert, aber das schafft nur einen kleinen Überblick. Die gelegentlich angeführten Fakten, die optisch als Randnotizen neben den Briefen platziert sind, wirken teilweise willkürlich ausgewählt. Auf den zweiten Blick erschließt sich aber doch noch der Bezug zum Inhalt des abgedruckten Briefes.

Gelegentlich werden kurze Textauszüge aus Austens Romanen abgebildet, die mit den Briefen in Verbindung gebracht werden sollen. Nicht immer ließen sich die Zusammenhänge erschließen, wie beispielsweise auf Seite 24, auf der der Antrag an eine Freundin Austens mit der Szene von Mr. Collins Antrag in „Stolz und Vorurteil“ in Verbindung gebracht wird. Andere funktionieren jedoch ganz gut, wie der Vergleich einer Tanzpartie mit unwilligen männlichen Tanzpartnern (Seite 27f.) und der Szene, in der sich Mr. Darcy weigert, zu tanzen. Auch innerhalb der Briefe schreibt Austen über ihre Romane, was hingegen sehr interessant ist, da man als Leserin oder Leser dadurch das Gefühl bekommt, ein wenig am Schaffensprozess der Autorin teilnehmen oder ihr zumindest dabei zuschauen zu können.

Warum wir die Lektüre unterbrochen haben …

Obwohl wir beide das Thema des Buches lesenswert finden, schafften wir es nicht, konsequent im Lesefluss zu bleiben, und brachen unabhängig voneinander an der nahezu identischen Seite die Lektüre des Buches ab. Woran könnte das gelegen haben? Sicherlich trägt das etwas unübersichtliche Layout einen Teil dazu bei, vor allem handelt es sich bei den Briefen aber um keine konsequent flüssige Erzählung. Es gibt durch die Überzahl an Personenerwähnungen Handlungsstränge, die sich nur schwer bis gar nicht erschließen lassen. Wenn man nun diese Textabschnitte mehrfach lesen muss, um ein bessere Textverständnis aufzubringen, ist das auf Dauer leider eine mühselige Arbeit und kein angenehmer Lesegenuss. Des Weiteren ist die Korrespondenz zwischen Austen und ihrer Schwester überwiegend einseitig. Ohne die Antwortschreiben der Schwester, muss man sich den Inhalt des vorangegangenen Briefes selbst erschließen.

Foto: Satzhüterin Pia

Ein schöner Sammelband für ruhige Momente

Dennoch würden wir den Sammelband „Von ganzem Herzen … Die Briefe mit Illustrationen ihrer Zeit“ beide nicht als uninteressant oder gar schlecht bewerten. Sicherlich hat das Buch einige Schwachpunkte, bleibt in der Thematik jedoch interessant. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Werk vielmehr um ein Buch, das längere Zeit auf dem Nachttisch verweilt und das man immer mal wieder in einer ruhigen Minute zur Hand nimmt und ein, zwei Seiten auf sich wirken lässt. Womöglich muss man den Briefen mehr Raum geben. Diese wurden ja auch nicht einfach so schnell und unüberlegt, wie eine moderne Textnachricht auf dem Handy, geschrieben, die binnen Sekunden bei den Empfänger:innen zugestellt wird – Austen hat sich für die Briefe Zeit genommen. Auch der historische Kontext, auf den man sich einlassen muss, machen die Schriftstücke zu keiner leichten Lektüre. Die Briefe müssen nachhallen können.

Jane Austen. Von ganzem Herzen … Die Briefe mit Illustrationen ihrer Zeit. Penelope Hughes-Hallett. Übersetzung: Gisella M. Vorderobermeier. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 2021.

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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