Nora, eine jugendliche Schülerin der (fiktiven) Stadt Faber, gerät in eine gefährliche Situation: Ihr wurden Drogen ins Getränk gemischt und Schlimmeres wurde nur zufällig durch einen Mitschüler verhindert. Natasha Friend erzählt in „#NoGame“ vor allem von Noras Umgang damit. – Von Satzhüterin Pia
Noras Image ist tadellos. Sie ist gut in der Schule, hat eine bilderbuchhafte Familie und liebt Spieleabende, statt Partys mit Jungs und Alkohol. Ausgerechnet sie, die brave Schülerin, gerät in eine Situation, die sie ernsthaft in Gefahr bringt und die nur durch einen glücklichen Zufall verhindert werden kann. Die Autorin zeigt an dieser Protagonistin geschickt auf, wie wenig es um die Betroffenen geht oder auch um die konkreten Täter und Taten – Übergriffe dieser Art sind vor allem ein gesellschaftliches Problem und beginnen sogar schon in der Erziehung von jungen Mädchen und Jungen. Das aufzuzeigen funktioniert mit Nora und ihrer „heilen“ Welt mit konservativer Mutter und vorbildlichem Vater besser als beispielsweise der besten Freundin Cam.
Cam ist im Gegensatz zu Nora eher laut und aufgeweckt und zudem sehr feministisch aufgewachsen. Ich empfand beim Lesen viel Liebe für Cam und die Art, wie ihre Mutter sie „erzogen“ hat. Aber ich sehe auch einiges kritisch, denn die Art und Weise, wie Cam Nora immer und immer wieder drängt, über ihre eigenen Grenzen zu gehen, oder über ihren Kopf hinweg entscheidet und agiert, puh. Es ist sicherlich nur zu Noras Besten, aber Cams Vorgehen ließe sich diskutieren.
Benennungen sind wichtig
Noras Mutter ist eher der Typ „Der Intimbereich sollte intim bleiben“ und schafft damit eine ganz eigene Problematik, denn ihre Tochter fehlen richtiggehend die Worte, um den Übergriff überhaupt benennen zu können. Und sie muss zuerst ihre anerzogene Scham überwinden. Das Buch regt also nicht nur dazu an, über zu Unrecht tabuisierte Themen zu sprechen, sondern legt gleichzeitig mögliche Problematiken offen.
Die Worte „Wenn du ständig so enge, kurze Sachen anziehst …, dann betrachten manche Jungs das als Einladung“, legt die Autorin Noras Bruder in den Mund. Keinem prüden Mann oder besitzergreifenden Macho, sondern einem intelligenten und eigenständigen Menschen, der dennoch arglos einen solchen Satz sagt und sich zuerst nicht bewusst ist, wie problematisch und falsch ebenjener Satz ist. Denn: Frauen dürfen natürlich auch mit kurzem Rock und / oder betrunken herumlaufen und für keinen Mann darf das eine „Erlaubnis“ für Sexualverbrechen darstellen.
Festgefahrene Denkmuster gilt es neu zu denken
Die Denkmuster der Gesellschaft sind weiterhin festgefahren und ändern sich nur langsam – das zeigt die Handlung von „#NoGame“ sehr deutlich: Als junge Frau kann man „das Falsche“ tragen, „selbst schuld“ sein, wenn man etwas getrunken hat, oder muss Beleidigungen und Urteile über sich und sein Äußeres „widerspruchslos ertragen“. Geschickt räumt die Autorin Natasha Friend mit derartigen Vorurteilen und Haltungen auf und vermeidet dabei viele klischeehaft-gefährliche Narrative.
Sichtbarkeit und Aufklärung sind bei derart wichtigen Themen wie Gewalt und Missbrauch (junger) Menschen, zumeist junger Frauen, essentiell. Jugendromane wie „NoGame“ (oder auch „Speak Up“ und „Bitches Bite Back“) helfen hierbei ungemein. Zudem ist die Geschichte nicht so vorhersehbar, wie ich anfangs erwartet hatte – das Buch liest sich sehr schnell und bleibt im Gedächtnis.
#NoGame. Jetzt ist Schluss mit Schweigen! Natasha Friend. Übersetzung: Jessica Komina und Sandra Knuffinke. Magellan. 2022.
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