Auf dem Rasen vor Theos Haus liegen manchmal Mammut-Haufen. Und nicht nur das, hinter einer dicken Wand aus Baumstämmen hat er sogar eine ganze Welt voller Säbelzahnkaninchen und Zotteltaler entdeckt. Worteweberin Annika ist mit „Theo und Mammut“ von Stefan Boonen und Melvin auf Abenteuerjagd gegangen.
Theo ist „ein ganz besonderer Junge“, finden seine vielbeschäftigten Eltern. Deswegen gibt es Nannie Beinhaar, die jeden Tag ein Mammutprogramm an Klavier-, Tanz-, Judo-, Yoga- und Rechenunterricht mit ihm absolviert. Ruhe bleibt da nur in der Liegezeit nach dem Holzschwertkampf, wenn er eigentlich lesen soll. Dann klettert Theo aus dem Fenster, kämpft sich durchs Gebüsch, stapft durch den Froschmorast und kommt schließlich bei der riesigen Mauer an, auf der „Urzeit“ geschrieben steht. Dahinter warten Abenteuer auf Theo – und neuerdings auch ein Zotteltaler-Mädchen namens Marga, das sich von Theo einen Kuss wünscht…
Alles nur Einbildung?
Theos Geschichte ist im Prinzip eine sehr traurige, die aber stets lustig und vor allem hoffnungsvoll bleibt. Theos Schwester Ada hatte nämlich einen Unfall, seitdem ist die Familie umgezogen und Ada kommt nur noch manchmal zu Besuch. Jetzt ist Theo also Einzelkämpfer (wobei er natürlich noch Nannie Beinhaar hat), denn die Eltern – die Mutter ist Chefin einer großen Keksfabrik, der Vater Schauspieler – sind fast nie zu Hause und halten generell nichts davon, wenn Theo spielt. Sie wünschen sich für ihn eine große Zukunft. Viele Zusammenhänge bleiben hier nur angedeutet, wie zum Beispiel der Unfall der Schwester. Das alles gehört zur Erwachsenenwelt außerhalb der großen Mauer und ist für die Geschichte von Theos Abenteuern hinter den Mauern nur der Hintergrund, wenn auch ein bitterer.
Das alleine klingt jetzt erstmal gar nicht so witzig und hoffnungsvoll. Für Theo siegt aber über die traurige Lebensrealität die Flucht in die „Urzeit“-Welt und seine Gemeinschaft mit Marga und später auch Nannie Beinhaar, die eigentlich ein sehr gutes Herz hat. So ist „Theo und Mammut“ ein tolles Buch über Freundschaft und Zusammenhalt, und – wenn man so möchte – auch eine Hymne auf die Kraft der Fantasie. Ob es sich bei den Ausflügen um tatsächliche Erlebnisse oder Theos Imagination handelt, bleibt nämlich der Interpretation der Lesenden überlassen. Da bleibt dann nur die Frage, woher diese Mammut-Häufchen auf dem Rasen kommen könnten…
Einmal Achterbahnfahren, bitte!
Das Zusammenspiel zwischen den rot-schwarzen Bildern von Melvin und den komischen Texten von Stefan Boonen entwickelt große Dynamik. Schon die Benennungen der Figuren wie Nannie Beinhaar zeugen vom Humor des Autors, der sich auch in der Art des Erzählens zeigt. Außerdem wird in „Theo und Mammut“ mit Schrift und Illustrationen gespielt. Als Theo und Marga zum Beispiel über Kopf gefesselt bei den gefährlichen Krachbacken hängen, steht auch das Bild plötzlich Kopf. Immer wieder sind die Sätze direkt in die Illustrationen integriert, etwa bei der halsbrecherischen Achterbahnfahrt, bei der die Worte den Weg des Wagens nachzeichnen. Deswegen ist „Theo und Mammut“ wohl vorranging zum Selbstlesen mit recht guten Lesekenntnissen interessant, obschon es sich durchaus ebenfalls zum Vorlesen eignen könnte.
Der Comic von Stefan Boonen und Melvin macht großen Spaß, auch wenn er einen sehr ernsten Unterton behält. Gerade dadurch entfaltet die Geschichte um Freundschaft, Abenteuer und Fantasie aber ihre Kraft.
Theo und Mammut. Alles begann an einem Freitag. Stefan Boonen. Illustrationen: Melvin. Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer. Arena. 2018.
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