Ein Sachbuch über die Falknerei landete 2015 ganz weit oben auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Ungewöhnlich, fand Worteweberin Annika. Mit dem Hörbuch von „H wie Habicht“, gelesen von Cathlen Gawlich, hat sie sich einen Einblick verschafft.
Helen Macdonald schildert in diesem erzählenden Sachbuch einerseits das Abtragen ihres ersten Habichts Mabel, andererseits ihre Trauer über den Tod des Vaters. So wechseln sich im Buch Trauerbewältigung, Tränen und Depression mit toten Mäusen und Fasanen, Übungsflügen und Fachausdrücken ab. Die Identifikation mit ihrem Vogel verspricht Macdonald Linderung, eine Einheit mit der Natur, in der sie aber bald zu verschwinden droht.
„Irgendetwas tief in mir drin versuchte, sich neu zu erschaffen, und das Vorbild dafür saß vor mir, auf meiner Faust. Der Habicht war all das, was ich sein wollte: ein Einzelgänger, selbstbeherrscht, frei von Trauer und taub gegenüber den Verletzungen des Lebens. Allmählich verwandelte ich mich in einen Habicht.“
Am Ende steht die Erkenntnis, dass sich der Einklang mit der Natur nur finden lässt, wenn man auch die Menschen und die eigene Menschlichkeit nicht aus den Augen verliert. Und während Mabel in die Mauser kommt, hat Macdonald am Ende von „H wie Habicht“ bereits eine große Entwicklung hinter sich.
Ein anderer Habichthalter
Zu den Themenkomplexen Familie und Falknerei mischt Macdonald die Biografie des Schriftstellers T. H. White (1906-1964), der unter anderem „Der König von Camelot“ schrieb, aber mit „The Goshawk“ auch ein Bericht über die Habichthaltung verfasste. Macdonald analysiert Whites Texte und Leben, blickt tief nicht nur in seine, sondern auch die eigene Psyche.
So ist „H wie Habicht“ ein sehr introspektives Buch, das sich nicht davor scheut, Träume zu deuten. Andreas Isenschmid betitelt Macdonald in der ZEIT daher als „viel sehende, klug deutende Psychologin“, während ich selbst gerade die Selbstanalysen teilweise als anstrengend empfand. Auf jeden Fall aber ist „H wie Habicht“ mehr als ein bloßes Sachbuch über die Falknerei, es meistert den Spagat zwischen Tierbeschreibungen, psychologischer Introspektion und Schriftstellerbiografie.
Das Hörbuch
Das Hörbuch von „H wie Habicht“ wurde von Cathlen Gawlich eingelesen, die man auch als deutsche Stimme der Schauspielerin Elizabeth Banks kennt. Gawlichs raue Stimme führt wunderbar durch Macdonalds Gedanken und Erlebnisse. Durch die Sprünge zwischen den einzelnen Themen, teilweise auch hinein in Whites Tagebucheinträge oder Passagen aus „The Goshawk“, mit denen sich auch die Erzählfigur verändert, kann das Hörbuch jedoch nicht immer sicher führen. Hier wären zur Orientierung längere Pausen oder vielleicht auch dezente Geräusche hilfreich gewesen.
H wie Habicht. Helen Macdonald. Aus dem Englischen von Ulrike Kretschmer. Ungekürzte Lesung mit Cathlen Gawlich. HörbuchHamburg. 2015.
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Illustration: Satzhüterin Pia[/tds_note]
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