Leo Lionni

von | 21.11.2014 | Bilderbücher, Buchpranger

Anlässlich des Bundesweiten Vorlesetages stellt euch Bücherstädterin Alexa Leo Lionnis Werke und die Methodik der Bilderbuchbetrachtung vor.

Leo Lionni

Leo Lionni ist am 5. Mai 1910 in Amsterdam geboren. Da er mit seinen Eltern oft umgezogen ist, beherrschte er im Jugendalter bereits fünf Sprachen. In Italien studierte er auf Wunsch seines Vaters Volkswirtschaft, war nebenher jedoch auch als Grafiker und Maler tätig. 1939 zog Lionni in die Vereinigten Staaten, wo er als künstlerischer Leiter für verschiedene Zeitschriften arbeitete. Drei Jahre nach Erscheinen seines ersten Kinderbuches „Little Blue and little yellow“ (1959) zog er wieder nach Italien. Dort arbeitete er als freischaffender Künstler. Am 11. Oktober 1999 starb er in Radda in Chianti im Alter von 89 Jahren.

Bilderbuchbetrachtungen als Erlebnis gestalten

Leo Lionnis Werke sind noch heute sehr bekannt und in vielen pädagogischen Einrichtungen zu finden. Während meiner Ausbildung zur Erzieherin war die Betrachtung seines Werkes „Swimmy“ auf dem Pflichtprogramm. Wir beschäftigten uns nicht nur mit der Geschichte und deren Kernaussagen, sondern auch mit der Frage, wie man diese Kindern vermitteln könnte. Entstanden ist ein künstlerisches Projekt, bei dem gelesen, diskutiert und gestaltet wurde. Die Kernaussagen dieses Buches wurden herausgearbeitet: „Gemeinsam sind wir stärker.“, „Man ist nicht weniger wert oder schlechter, wenn man anders ist.“, „Man muss Mut haben etwas auszuprobieren.“

Wir haben gelernt, Bilderbuchbetrachtungen als ein Erlebnis zu gestalten. Die Kinder sollen die Geschichte nicht nur vorgelesen bekommen, sondern aktiv wahrnehmen. Dafür gibt es einen Einstieg, in dem die Kinder auf das Buch vorbereitet werden, z.B. durch einen vorbereiteten Raum, durch die Vermittlung von Grundkenntnissen der Protagonisten mit Hilfe von anschaulichem Material (z.B. Handpuppen, gebastelte Fische etc.). Im Hauptteil wird das Bilderbuch betrachtet, wobei hier die Regel gilt: Erzählen statt vorlesen, weil man sich auf diese Weise viel besser auf die Fragen und Impulse der Kinder einlassen kann.
Im Anschluss wird gemeinsam mit den Kindern reflektiert. Bestimmte Fragestellungen fordern sie dazu auf, sich die Geschichte in Erinnerung zu rufen und nach und nach zur Aussage des Buches zu gelangen. Da viele Bilderbücher eine weise Botschaft vermitteln, können die Kinder aus der Geschichte eine Lehre ziehen und von den Protagonisten lernen. Die neuen Impulse, die sie durch das Bilderbuch bekommen haben, könnten sie anschließend durch eine kreative Aktivität oder durch Rollenspiele verarbeiten. Auf diese Weise wird die Botschaft, die das Bilderbuch vermittelt, verinnerlicht. Eine schöne, ausführliche Anleitung zur Methodik einer erlebnisreichen Bilderbuchbetrachtung findet ihr auf: www.kindergartenpaedagogik.de

Im Folgenden möchte ich drei Werke vorstellen, deren Kernaussagen sich ähneln. In diesen Bilderbüchern ist der Protagonist der Geschichte auf der Suche nach sich selbst und lernt im Laufe der Zeit, sich so zu akzeptieren wie er ist.

Das größte Haus der Welt

„Wenn ich erwachsen bin, dann…“ ist eine Formulierung, die sicherlich jeder schon einmal geäußert hat. Als Kind malt man sich das Schönste aus, träumt von Abenteuern, Taten, Erlebnissen. So auch die kleine Schnecke in diesem Bilderbuch. Sie möchte nämlich, wenn sie erwachsen ist, das größte Haus der Welt haben. „Das ist dumm“, sagt der Vater schlicht. Was zunächst unüberlegt und traumzerstörerisch von seiner Seite wirkt, zeigt sich in seinen nächsten Worten als weiser Rat. Denn die Geschichte, die er der kleinen Schnecke erzählt, vermittelt eine besondere Botschaft. „Es war einmal eine kleine Schnecke, die war genauso groß wie du…“ Die Schnecke in der Geschichte hat den gleichen Wunsch wie unsere kleine Schnecke und sie tut alles, um diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. Und tatsächlich hat sie bald das größte und schönste Haus der Welt, alle Tiere bewundern und bestaunen sie. Nur sie selbst ist nicht mehr glücklich. Denn das Haus ist so schwer geworden, dass sie sich kaum noch fortbewegen kann. Irgendwann schafft sie es nicht, sich überhaupt zu bewegen und verhungert. Doch zum Glück ist dies nur eine Geschichte und unsere kleine Schnecke begreift, wie unsinnig ein großes Haus ist. Viel mehr möchte sie bleiben wie sie ist. Denn so enden wie die Schnecke in der Geschichte möchte sie nicht…
„Das größte Haus der Welt“ erinnert uns an all die großen Wünsche, die wir hegen. Immer größer, immer schneller. Dabei ist es nicht größer und schneller zu sein nicht gleich besser. Glück findet man auch in kleinen Dingen. Eine schöne Geschichte, mit einer weisen Botschaft, wundervoll poetisch erzählt.

Seine eigene Farbe

Jeder und alles scheint seinen Platz und „seine eigene Farbe“ auf der Welt zu haben. Papageien sind grün, Goldfische rot, Elefanten grau. Nur das Chamäleon weiß nicht, wo es hingehört. Denn wo auch immer es sich befindet, seine Farbe wechselt sich, passt sich seiner Umgebung an. Auf Zitronen ist es zum Beispiel gelb, auf einem Tiger ist es genauso wie der Tiger gestreift. Seine Idee, einfach auf einem grünen Blatt sitzen zu bleiben und für alle Zeit dieselbe Farbe zu behalten, scheitert daran, dass auch das Blatt sich je nach Jahreszeit verfärbt. Das stimmt das Chamäleon traurig. Bis er einem anderen Chamäleon begegnet und lernt, sich so zu akzeptieren wie es ist…
In seinem Bilderbuch „Seine eigene Farbe“ zeigt Leo Lionni, dass die eigene Identifikation eine große Rolle spielt. Wir können unser Aussehen, unsere Hautfarbe auf natürlichem Wege nicht verändern, wir können aber lernen, unser Äußeres zu akzeptieren und dazu zu stehen, dass wir bspw. eine andere Herkunft haben und anders leben. Und natürlich wird unsere Aufmerksamkeit darauf gelenkt, andere, die anders sind als man selbst, genauso zu achten.

Pezzettino

„Pezzettino“ ist italienisch und heißt „Stückchen“. Und als Stückchen fühlt sich unser Protagonist auch. Denn im Vergleich zu allen anderen ist er nur ganz klein. Bestimmt ist er ein Stückchen von irgendwas, denkt sich Pezzettino und macht sich auf die Suche. Auf seinem Weg begegnet er verschiedenen Gestalten: dem, der rennt, dem, der stark ist, dem, der schwimmt und vielen anderen. Alle fragt er, ob er zu ihnen gehöre, doch sie verneinen. Irgendwann gelangt Pezzettino auf eine Insel, stolpert, fällt und zerbricht in Stückchen… von nun an weiß er, dass auch er aus Stückchen besteht, genauso wie alle anderen. Seine Erkenntnis „Ich bin ich!“ fasziniert nicht nur seine Freunde, sondern auch den Betrachter des Bilderbuches. Schließlich merkt man, dass seine Freunde ihn schon längst akzeptiert haben, und nur er es war, der sich seinem eigenen Glück im Wege stand. „Pezzettino“ vermittelt demnach eine Botschaft, die wir uns immer mal wieder ins Gedächtnis rufen sollten – in schweren Zeiten, wenn wir Fehler machen, wenn wir glauben, schlechter zu sein als andere. Dann sollten wir auf Pezzettinos Worte hören und einfach mal laut sagen: „Ich bin ich!“

Etwas Besonderes

Leo Lionnis Werke sind lehrreich, seine Geschichten vermitteln Werte und Normen, machen Mut, zaubern einem ein Lächeln ins Gesicht. Schnell schließt man seine Protagonisten ins Herz, denn sie alle sind anders, etwas Besonderes: Der kleine „Swimmy“, der akzeptieren muss, dass er der einzige schwarze Fisch ist. „Frederick“, der seine Stärken auf seine Weise einbringen kann. Die Buchstaben im Bilderbuch „Der Buchstabenbaum“, die auf ihre Art Frieden bringen wollen… Seit 1959 hat Leo Lionni die Literaturwelt mit seinen Werken bereichert und kleinen sowie großen Lesern eine Freude gemacht. Sein Wirken verbreitete sich über mehrere Länder, in verschiedenen Sprachen und hält noch bis heute an. „Von all dem, was ich in meinem Leben getan habe, hat mich wenig so sehr und so tief befriedigt wie meine Kinderbücher“, sagte Leo Lionni einst. Seine Liebe und Leidenschaft für seine Werke merkt man seinen Bilderbüchern an.

Weitere Infos:

Das größte Haus der Welt, Leo Lionni, Robert Wolfgang Schnell (Übersetzer), Beltz&Gelberg, 2013, (1968)
Seine eigene Farbe, Leo Lionni, Ernst Jandl (Übersetzer), Beltz&Gelberg, 2014, (1975)
Pezzettino, Leo Lionni, Harry Rowohlt (Übersetzer), Beltz&Gelberg, 2011, (1975)

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

1 Kommentar

  1. Avatar

    Ich finde dieses Buch fantastisch und total süß! Ich sammle Kinderbücher, die mich faszinieren, und das ist eines davon…

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