„Es macht Angst um den Beruf, da es sonst schon einer ist, der wenig ernst genommen wird in meiner Wahrnehmung.“

Anlässlich des 150. Geburtstags von Thomas Mann erschien die Graphic Novel „Rückkehr in eine fremde Heimat“. Passend zum Themenjahr des Bücherstadt Magazins „Buch & Kunst“ hat Bücherstädterin Andrea mit der Illustratorin des Werks über ihren Schaffensprozess, die Graphic Novel und den Umgang mit Artificial Intelligence Tools gesprochen.

BM: Du hast in Deutschland studiert, erwähnst aber immer wieder deine Auslandsaufenthalte und auch dein momentanes Leben irgendwo zwischen Italien und Skandinavien. Inwiefern haben deine Reisen und Auslandsaufenthalte einen Einfluss auf deine Arbeit?

MA: Ich denke, man kann nicht wirklich ein Leben führen, das die Illustration nicht beeinflusst. Von daher beeinflusst das Reisen sicher sehr viel. Allein dadurch, dass ich an Orten bin, die ich sonst nicht um mich hätte. Wenn man zum Beispiel monatelang im norwegischen Fjord sitzt, hat man natürlich andere visuelle Einflüsse als in Deutschland. Meine persönlichen Projekte beeinflusst es sehr, da es da viel ums Reisen geht. Es wäre schön, wenn das auch in meinen beruflichen Projekten mehr so wäre. 

BM: Ergibt Sinn. Mich würde interessieren, wie du überhaupt zum Illustrieren gekommen bist. War dieser Weg schon immer ein Wunsch von dir oder gibt es dazu eine andere Geschichte?

MA: Also ich habe immer schon viel gezeichnet. Mich hat es früher tatsächlich eher genervt als Kind und dann als Jugendliche, wenn alle immer gesagt haben „Du machst ja eh irgendwas mit Kunst“, sodass ich mich immer ein bisschen dagegen gewehrt habe. Auch weil ich mir nicht so richtig vorstellen konnte, als freie Künstlerin zu leben. Das war mir irgendwie zu vage. Mit zwölf oder dreizehn hat mir dann jemand ein Buch in die Hand gedrückt. Das war ein Katalog mit Illustrationen von der Hochschule in Hamburg. Da habe ich zum ersten Mal verstanden, dass Illustrieren ein Job ist. Was, glaube ich, viele immer noch nicht wissen (lacht). Irgendwann, als ich dann auf der Hochschule war, hatte ich die Chance, dem Professor, bei dem ich dann studiert habe und der damals unter anderem das Buch herausgebracht hatte, genau dieses Buch vorzulegen. Da hat sich der Kreis dann geschlossen. 

BM: Wie stehst du zur Arbeit mit AI Tools? Denkst du, es gibt für die Illustration sinnvolle und hilfreiche Aspekte oder hat es verstärkt negative Auswirkungen? 

MA: Es macht tatsächlich Angst. Es macht Angst um den Beruf, da es sonst schon einer ist, der wenig ernst genommen wird in meiner Wahrnehmung. Es wird wenig geschätzt, dass es wirklich eine Arbeit ist. Also ich mache ja immer noch Auftragsarbeiten. Eine Freundin hat es mal so ausgedrückt: „Wir haben halt einen sexy Job.“ Es sieht so aus, als würden wir den ganzen Tag nur dasitzen und malen, was wir ja eh gerne tun. Was definitiv auch der Fall ist, aber es ist trotzdem ein Job. Und man sollte auch gebührend bezahlt werden für die Arbeit, die man da reinsteckt. Ich glaube, es ist ein riesiges Thema. Sowohl was die positiven als auch die negativen Aspekte betrifft. Es ist ein Weg, schnell und günstig gut wirkende Ergebnisse zu erzielen. Im Moment ist es noch so, dass viele Leute sehr viel Wert auf die menschliche Ebene legen und das auch weiter so funktionieren wird, aber ich mache mir schon Gedanken, ob ich in zwanzig Jahren noch einen Job habe. 

BM: Das ist sehr verständlich. Also im kommerziellen Bereich natürlich. Aber könntest du dir vorstellen, dass es auf einer gesellschaftlichen Ebene dadurch auch eine Gegenbewegung geben könnte und mehr wertgeschätzt wird, wenn Leute analog arbeiten?

MA: Ich denke, im Endeffekt kommt es darauf an, für wen du arbeitest und wen du triffst. Ich schätze sowieso die Zusammenarbeit mit meinem kleinen Kreis. Ich glaube, es gibt Verlage, die Wert darauf legen und aus einem bestimmten Anspruch Bücher machen. Die werden das auf jeden Fall weiter tun. Illustrator*innen wird es weiter geben, aber es werden weniger Jobs da sein, um den Einstieg zu schaffen. Aber wie du sagst, ein Vorteil könnte sein, dass analoge Kunst wieder viel wichtiger wird. Ich arbeite auch viel zu wenig analog. Das muss man sich aber auch leisten können. Da ich hauptsächlich Auftragsarbeiten mache, für die man leider auch oft nicht besonders gut bezahlt wird, geht sich das zeitlich oft einfach nicht aus. 

BM: Und was hältst du von einer Zusammenarbeit mit KI? Denkst du, man kann sich davon als Illustratorin sinnvoll unterstützen lassen?

MA: Das habe ich tatsächlich am Anfang gedacht. Man fungiert ja immer noch als Art Direktor. Und die Übersetzungsarbeit, von einem Text zu einem passenden Bild zu kommen, muss man dann immer noch selbst übernehmen. Man muss die KI trotzdem sehr viel anleiten, wobei es darauf ankommt, wie perfektionistisch man mit dem Endergebnis ist. Ich habe es ausprobiert und mein Fazit war, dass es für mich einfacher ist, direkt das Bild zu zeichnen, als der KI zu erklären, was sie mir zeichnen soll. Das liegt aber sicher auch daran, dass ich sowieso schon sehr visuell denke. Also ich war fast überrascht, wie wenig es mir geholfen hat. 

BM: Um jetzt auf das Thomas-Mann-Projekt zurückzukommen. Wie kam es zu deiner Mitarbeit an dem Projekt?

MA: Die Lektorin von dem Projekt ist damals auf mich zugekommen und meinte, sie hätte meine Sachen gesehen und wollte nachfragen, ob ich Lust hätte, den Bereich Graphic Novel auszuprobieren. Für mich kam das völlig überraschend, weil ich vorher noch nie etwas in dem Gebiet gemacht habe. Ich war begeistert, weil ich seit Jahren gerne in den Bereich Graphic Novel einsteigen wollte, da ich auch schon lange an meiner eigenen Graphic Novel arbeite.

BM: Was hat dich am Schaffensprozess der Illustrationen für das Thomas-Mann-Projekt am meisten begeistert? Sind dir bestimmte Szenen besonders im Kopf geblieben?

MA: Ja, ich musste tatsächlich sehr viel recherchieren für die Arbeit. Es ist immerhin eine historische Graphic Novel. Das bedeutet: Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, mich zu informieren, wie zum Beispiel Nürnberg zu dieser Zeit aussah. Also wie viel von der Stadt zerstört war und wie viel schon wieder aufgebaut war. Ich musste auf eine andere Art kreativ sein, als ich es sonst bin, da dem Ganzen ein historischer Rahmen gegeben war.

BM: Gab es in dem Sinne auch bestimmte Herausforderungen?

MA: Das war tatsächlich auch eine der Herausforderungen. Der eigenen Kreativität treu zu bleiben, durch die Illustration der Geschichte einen Mehrwert zu geben und dabei trotzdem historisch akkurat zu bleiben.

BM: Abschließend: Welche Projekte können wir in Zukunft von dir erwarten?

MA: Also vor allem die Graphic Novel, die ich mit einem Freund gemeinsam mache. Diese wird eher in Richtung Sci-Fi gehen. Das Ganze ist allerdings ein Herzensprojekt und wir wollen uns dementsprechend auch die Zeit dafür nehmen. Das wird also noch dauern, weil es auch eine Serie sein soll – und neben den bezahlten Aufträgen muss man auch einfach die Zeit dafür finden, was oft schwer fällt. Ansonsten habe ich auch noch mein Postkarten-Abo. Das ist für mich auch eine schöne Art, Reisetagebuch zu führen. Das ist ein Projekt, das sich momentan selbst finanziert. Am liebsten würde ich es kostenlos machen, muss aber ein bisschen was dafür verlangen, damit wenigstens die Kosten dafür gedeckt sind. Außerdem ist es eine Möglichkeit, mir selbst zuzugestehen, mir die Zeit dafür zu nehmen.

Besprochene Graphic Novel: Thomas Mann – 1949: Rückkehr in eine fremde Heimat. Julian Voloj, Friedhelm Marx, Magdalena Adomeit. Knesebeck. 2025.

Foto: Jule Breiert

Andrea Wessely

Andrea Wessely

Da Andrea neben Literaturwissenschaften auch Psychologie studiert hat, faszinieren sie besonders Bücher, die tief in die menschliche Psyche eintauchen. Mit demselben Scharfsinn widmet sie sich auch ihren Rezensionen in der Bücherstadt. Außerdem gestaltet sie mit Vorliebe kreative Beiträge für unsere Social-Media-Kanäle und verbindet dabei Sprache und Bild zu einem stimmigen Gesamtkonzept. Wenn sie gerade nicht für das Bücherstadt Magazin arbeitet, schreibt sie an ihren eigenen Geschichten oder geht mit Freundinnen ins Kino.

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