Your body, my choice – oder warum wir Männlichkeit neu definieren müssen

von | 21.05.2025 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

In ihrem Essay „Liebe Jorinde oder Warum wir einen neuen Feminismus des Miteinanders brauchen“ plädiert Mareike Fallwickl, die Autorin von „Die Wut, die bleibt“, für einen neuen Feminismus, der alle einschließen – und damit auch alle befreien soll. Bücherstädterin Andrea hat sich dem Thema gewidmet und wurde mit der Frage konfrontiert, ob diese Art des Feminismus vielleicht zu sanft mit den derzeitigen Machtverhältnissen ins Gericht geht.

Eine neue Männlichkeit in einer neuen Welt

Der Essay lässt sich deshalb so leicht lesen, weil er von all dem frauenfeindlichen Gedankengut erzählt, mit dem wir heutzutage konfrontiert sind. Nicht nur auf offener Straße, der Arbeit und in der Schule – sondern wie sich diese Kontexte im digitalen Raum erweitern und zu grundlegenden Diskursen über Männer und Frauen führen. Mareike Fallwickl thematisiert Reality TV-Dating Shows, BookTok, X und die Menschen, die diese Medien maßgeblich mitbestimmen. Der Tweet „Your body my choice“, der seit dem Wahlsieg von Donald Trump in den sozialen Medien kursiert, steht dabei für eine Generation, die von Männern wie Andrew Tate und Donald Trump als Meinungsmachern angeführt wird.

Mareike Fallwickl schafft es, diese gesellschaftlichen Probleme sinnvoll zusammenzuführen und ihren Ausführungen eine ganz grundlegende Erkenntnis deutlich herauszuarbeiten: Wir müssen zusammen kämpfen und Männer müssen daran arbeiten, Männlichkeit neu zu definieren. 

Ein feministischer Befreiungsakt ohne Machtkämpfe?

Ein feministischer Leitsatz, der beim Lesen immer wieder durch den Kopf gehen mag und gerne in aktivistischen Kontexten verwendet wird, ist dieser: „If your liberation does not upset your opressor, you are not liberated at all.“

Damit wird in feministischen Machtkämpfen betont, dass wahre Befreiung bestehende Machtstrukturen herausfordert und somit zwangsläufig Unbehagen bei denjenigen verursacht, die von diesen Strukturen profitieren. Genau diese Machtkämpfe sind für Fallwickl jedoch der wahre Feind. Die Unterdrücker sind für die Autorin nicht die Männer, sondern das System – das Patriarchat –, gegen das es sich gemeinsam zur Wehr zu setzen gilt, wie sie immer wieder deutlich macht:

„Weil zu viel Kraft und Zeit durch den ‚Kampf der Geschlechter‘ verloren geht, weil der alte Spruch ‚Streiten sich zwei freut sich der Dritte‘ etwas Wahres hat: Das Patriachat muss kaum etwas tun, wir erledigen das selbst.“

Männer sind den Frauen wieder mal einen Schritt hinterher

Wichtig zu betonen ist, dass die Autorin sich klar dagegen ausspricht, Männer von ihrer Verantwortung zu entbinden. Sie seien es, auf die das System ausgelegt ist. Sie seien es, die das Privileg haben, davon zu profitieren. Fallwickl bleibt allerdings nicht dort stehen, sondern geht einen Schritt weiter, indem sie wiederholt deutlich macht, wie sehr auch Männer – und damit im Umkehrschluss wir alle – immer noch unter den aktuellen patriarchalen Strukturen leiden.

Sie argumentiert, dass Frauen es immer öfter schaffen, sich von sexistischem Gedankengut zu befreien – und das auch ohne viele Vorbilder. Männern traut sie das nicht nur zu, sondern verlangt von ihnen, diese Arbeit ebenfalls zu tun – auch um ihrer selbst willen.

Schullektüre vom Feinsten?

Beim Lesen würde man am liebsten jeden Satz dick unterstreichen und allen jungen Menschen mit auf den Weg geben. Mareike Fallwickl schafft es in einfacher Sprache, die berührend und schlagkräftig zugleich ist, ganz klar auszudrücken, was noch zu wenige wirklich gehört haben. Sie wirkt dabei nie belehrend – vor allem weil sie ihre Worte nicht an die Leser*innen richtet, sondern an ihre Freundin, wodurch viele vermutlich eher gewillt sind, gespannt zuzuhören. Genau deshalb könnten diese 70 Seiten auch einen wichtigen Platz im Schulunterricht einnehmen und damit den Menschen, die am meisten davon profitieren würden, einen Feminismus näherbringen, der alle miteinschließt und uns damit alle befreit.

Liebe Jorinde oder Warum wir einen neuen Feminismus des Miteinanders brauchen. Mareike Fallwickl. Kjona Verlag. 2025.

Andrea Wessely

Andrea Wessely

Da Andrea neben Literaturwissenschaften auch Psychologie studiert hat, faszinieren sie besonders Bücher, die tief in die menschliche Psyche eintauchen. Mit demselben Scharfsinn widmet sie sich auch ihren Rezensionen in der Bücherstadt. Außerdem gestaltet sie mit Vorliebe kreative Beiträge für unsere Social-Media-Kanäle und verbindet dabei Sprache und Bild zu einem stimmigen Gesamtkonzept. Wenn sie gerade nicht für das Bücherstadt Magazin arbeitet, schreibt sie an ihren eigenen Geschichten oder geht mit Freundinnen ins Kino.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

Erhaltet einmal im Monat News aus Bücherstadt. Mehr Informationen zum Newsletter gibt es hier.

Wir sind umgezogen!

Wir sind vor einer Weile umgezogen und müssen noch einige Kisten auspacken. Noch steht nicht alles an der richtigen Stelle. Solltet ihr etwas vermissen oder Fehler entdecken, freuen wir uns über eine Nachricht an mail@buecherstadtmagazin.de – vielen Dank!

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner