Das Buch „Schwarz. Deutsch. Weiblich.“ der deutschen Wissenschaftlerin, Autorin und Gastprofessorin (Universität der Künste in Berlin) Natasha A. Kelly widmet sich dem Thema intersektionaler Feminismus, genauer dem Problem, dass Schwarze Frauen ausgeklammert werden: eine recherchereiche Aufarbeitung der afrodeutschen Geschichte. – Von Satzhüterin Pia
Der Feminismus in Deutschland hat ein maßgebliches Problem: Viele marginalisierte Gruppen, wie zum Beispiel Schwarze Frauen, werden nicht inkludiert, sie werden ausgeklammert. Es wirkt oft so, als würde Gleichberechtigung erreicht werden, wenn weiße Frauen wie weiße Männer behandelt würden, reine Geschlechtergerechtigkeit also – ein Trugschluss, denn schon die Geschlechterkategorie „Frau“ wird von weißen Feministinnen oft nicht annähernd so divers präsentiert, wie sie eigentlich ist.
Kulturgeschichte Schwarzer Frauen in Deutschland
Kelly zeigt in ihrem Buch anhand eigener, sehr persönlicher Erfahrungen und zahlreicher Schlaglichter auf andere Persönlichkeiten und vergangene Geschehnisse in Deutschland und anderen Ländern, wie tiefgreifend die Problematik ist. Dabei ist das Wissen, das sie präsentiert und aufwendig recherchiert haben muss, gewaltig. Kelly hat nicht einfach ein feministisches Buch geschrieben, sondern auch und vor allem die Kulturgeschichte Schwarzer Frauen (in Deutschland) vom siebzehnten Jahrhundert bis heute abgebildet. Selbst hat die Autorin karibische Wurzeln und kam im Grundschulalter aus England nach Deutschland. Ihr Abitur hat sie 1994 gemacht – sie und ihre Familie wuchsen in einem Dorf in Norddeutschland als einzige Schwarze Familie auf und genau das war sehr lange Kellys Lebensrealität, andere Schwarze Menschen kannte und sah sie nicht.
Kein klassisches Sachbuch
Statt Fußnoten zu nutzen, werden die Kurzbiografien der im Text thematisierten Personen in einer fettgedruckten anderen Schrift auf den Seiten abgebildet. Dass diese Textabschnitte somit auch bewusst gelesen werden, wird viel wahrscheinlicher, als wenn sie in Fußnoten untergehen. Gleichzeitig wirkt das Buch an diesen Stellen leicht lexikonhaft, aber schließlich ist es auch ein Sachbuch. Das vergisst man beim Lesen ein ums andere Mal beinahe, denn durch die eigenen, persönlichen Erzählungen und die lebendigen Vorstellungen von Schwarzen Aktivistinnen und Autorinnen in Deutschland und deren Leben und Verdiensten, ist das Buch auch mehr als ein klassisches Sachbuch.
„Und meinen weißen Leser*innen wünsche ich, dass sie die Erkenntnis gewinnen, dass Gender nie getrennt von Race und Class gesehen werden kann. Und zudem von vielen anderen Faktoren beeinflusst wird, die hier nur rudimentär angesprochen werden. Es ist daher auch eure Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Feminismus mehr als Geschlechtergerechtigkeit fordert.“ (S. 267)
Mit „Schwarz. Deutsch. Weiblich“ hat die Natasha A. Kelly ein Buch geschrieben, das nicht nur aufzeigt, warum „Feminismus mehr als Geschlechtergerechtigkeit fordern muss“, sondern das auch eine mitreißende Mischung aus gut recherchierter Geschichte und persönlicher Erzählung ist. Und ich wünsche diesem Buch – und allen anderen Menschen, die ihre Stimmen erheben oder lehrreiche Bücher schreiben – viele Leser*innen, Zuhörer*innen und die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Ich kann nur erahnen, wie ermüdend diese Arbeit sein muss.
Schwarz. Deutsch. Weiblich. Warum Feminismus mehr als Geschlechtergerechtigkeit fordern muss. Natasha A. Kelly. Piper. 2023.
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