Naturschönheiten – Bilderbuchschönheiten

von | 05.06.2024 | Bilderbücher, Buchpranger

Worteweberin Annika hat zwei Bilderbücher unter die Lupe genommen, in denen die wilde, wunderschöne Natur eine Hauptrolle spielt. Noch dazu sind beide beeindruckend illustriert und toll geschrieben.

„Opa Bär und kleiner Bär suchen die Wildnis“

An Opas Kühlschrank hängt eine Postkarte: „Viele Grüße aus der Wildnis.“ Natürlich ist der kleine Bär sofort neugierig. Wo ist die Wildnis?

„Sie liegt auf der anderen Seite des Meeres, zwischen Bergen aus Eis und unendlich tiefen Seen. Dort gibt es wilde Tiere, die einen fressen, wenn man nicht aufpasst, und im Sommer duftet alles nach sonnenwarmen Tannennadeln.“

Opa und der kleine Bär bereiten sich vor, üben Landkarten zu lesen, Sternbilder zu erkennen, ein Zelt aufzubauen. Irgendwann kann es losgehen, doch bis die beiden Entdecker ans Ziel ihrer Träume gelangen, dauert es. Gibt es die Wildnis am Ende gar nicht mehr? Und was kann man tun, um die Natur zu schützen? Das Bilderbuch berichtet auch davon, wie unberührte Natur zerstört wird und dass es sich lohnt, für sie einzustehen.

Cecilia Heikkilä erzählt in „Opa Bär und kleiner Bär suchen die Wildnis“ eine abenteuerliche, spannende Geschichte über die Natur und über ein starkes Opa-Enkel-Duo. Wie die Sternbilder Großer und Kleiner Bär sind auch die beiden Figuren im Bilderbuch unzertrennlich – selbst wenn sie zwischenzeitlich getrennte Wege gehen müssen. Der Großvater unterstützt seinen Enkel und ist für ihn da, aber auch andersrum sagt das Kind: „Ich bin ja bei dir, egal, was passiert.“ Was für eine wichtige Botschaft.

Die farbprächtigen, raumgreifenden Illustrationen sind ein großer Liebesbrief an die wilde Natur – einfach wunderschön! Wie der kleine Bär über die grüne Ebene und die dahinterliegenden bunten Berge schaut oder wie Enkel und Opa unter den Nordlichtern und den Herbstblättern am Lagerfeuer liegen, das ist sehr atmosphärisch gezeichnet. Die von Katja Maatsch gelungen aus dem Schwedischen übersetzten Texte sind einfach gehalten und haben doch einen ganz besonderen Klang, der mich direkt verzaubert hat. Das mag an der Stimme der Ich-Figur liegen, die sich Zeit dafür nimmt, ins Erzählen zu kommen:

„Eines Tages entdeckte ich die Postkarte. Sie hing zwischen Kassenbons und Notizzetteln an Opas Kühlschrank.“

„Opa Bär und kleiner Bär suchen die Wildnis“ ist ein besonderes Bilderbuch, das ich als Erwachsene mir stundenlang ansehen kann und das ich liebend gerne vorlese. Zum Glück kommt es auch bei meinem Sohn gut an, der die Tierfiguren und den Geruch des Abenteuers mag. Ein richtiger Bilderbuchschatz!

„Zwischen Tag und Nacht“

Im Bilderbuch „Zwischen Tag und Nacht“ steht eine bestimmte Zeit im Fokus – die Dämmerstunde. Autorin Dianne White und Illustratorin Felicia Sala erzählen hier Hand in Hand, wobei große Teile der Geschichte nicht über die gereimten Sätze, sondern über die Illustrationen kommuniziert werden: Drei Kinder brechen nach Sonnenuntergang auf, um ihren Hund zu finden. Sie suchen zwischen Salbeirabatten im Garten, auf einem prächtigen Lavendelfeld, im großen Wald …

„Glitzernd der Himmel, wolkenlos.
Dunkles Laub und taunasses Moos.“

Pro Seite gibt es im Bilderbuch einen gereimten Zweizeiler, der insbesondere Beschreibungen der Natur enthält. White verwendet viele Adjektive und sehr kurze Sätze, die in der Übersetzung von Henning Ahrens einen sehr besonderen, melodischen Klang entfalten.

Wie die Reime transportieren auch die Bilder von Felicita Sala die Liebe zur Natur. Die festgehaltenen Szenen erinnern an Fotos und wirken wie mitten aus dem Geschehen gegriffen. In ihren Buntstiftzeichnungen arbeitet die Illustratorin mit einer abgestimmten, doch kontrastreichen Farbpallette und wählt teils ungewöhnliche Perspektiven. Beispielsweise wie die Kinder hoch in die nachtblauen Blätter des Waldes schauen, oder das freudige Wiedersehen mit dem Vater, der mit einer Laterne aus dem Haus kommt, sind sehr rührende Bilder.

„Zwischen Tag und Nacht“ ist ein ruhiges Bilderbuch mit einem tollen Klang, das sich als Gute-Nacht-Geschichte eignet und das Erwachsene anspricht, aber auch Kindern durch die Reime und die schönen Bilder gefällt. Trotzdem ist dieses Buch, anders als „Opa Bär und kleiner Bär“, nicht wirklich ein Favorit meines Sohnes geworden.

  • Opa Bär und kleiner Bär suchen die Wildnis. Text & Illustration: Cecilia Heikkilä. Aus dem Schwedischen von Katja Maatsch. Dragonfly. 2023. Ab 3 Jahren.
  • Zwischen Tag und Nacht. Text: Dianne White. Illustration: Felicita Sala. Übersetzung: Henning Ahrens. Bohem. 2024.
Annika Depping

Annika Depping

Als Chefredakteurin versucht Annika in der Bücherstadt den Überblick zu behalten, was mit der Nase zwischen zwei Buchdeckeln, zwei Kindern um die Füße und dem wuchernden Grün des Kleingartens im Nacken nicht immer einfach ist. Außerhalb der Bücherstadt ist Annika am Literaturhaus Bremen mit verschiedenen Projekten ebenfalls in der Welt der Geschichten unterwegs.

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