„Ich tauche als Illustratorin in das Bild ein und fange an, darin weiterzudenken. Oft klappt das und ich finde einen Geschichtenfaden, an dem ich dann auch weitere Bilder anknüpfe.“
Im Tulipan Verlag ist mit „Hollie & Fux“ das erste Bilderbuch der Illustratorin und Autorin Nini Alaska erschienen, eine Geschichte über Freundschaft, Familie und Sehnsucht. Im Interview hat sie Worteweberin Annika verraten, warum die Geschichte gerade in Schweden spielt, welchen Beruf sie sich als Kind gewünscht hat und was für eine Rolle Haie in ihrem nächsten Projekt spielen.
BK: „Hollie & Fux“ ist Ihr erstes Buch. Wie hat es sich angefühlt, es das erste Mal in Händen zu halten?
NA: Das war ein großartiger Moment! Der Postbote brachte mir ein Paket mit dem ersten Druckexemplar und als ich dann mein Buch in den Händen hielt, habe ich es erstmal gar nicht so recht kapiert, dass ich das gemacht haben soll.
BK: Und davor? Wie ist es Ihnen ergangen von der Idee, ein Buch zu schreiben, bis zur Zusage beim Verlag?
NA: Das war eine aufregende Zeit. Zuerst existierten ja nur einzelne Bilder und eine flüchtige Idee der Geschichte. Zwischen dieser Idee und der Entscheidung des Verlags lagen ungefähr 1,5 Jahre. Ich wusste also lange nicht, ob aus der ursprünglichen Idee der Geschichte überhaupt ein fertiges Buch werden würde. Ich habe zuerst einmal über lange Zeit allein kontinuierlich an Teilen der Geschichte und den Bildern gearbeitet, dann ging sie durch das erste Lektorat meiner Agentur, erst dann folgten Gespräche darüber auf Messen mit Lektoren von Verlagen. Das Interesse war glücklicherweise sofort groß, das Buchkonzept überzeugte. Und dann war es noch einmal eine spannende Zeit, als sich verschiedene Verlage um das Buch bewarben, bis dann einer schließlich das Rennen machte.
Lustigerweise habe ich dann im Januar 2019 gleich 3 fertige Buchkonzepte auf einmal verkauft und das fühlte sich für mich nach dem absolut richtigen Weg an, den ich als Autorin ja auch neu einschlug. Ein großer Motivations- und Kreativitätsschub folgte für mich. Innerhalb der folgenden drei Monate zeichnete und schrieb ich das Buch somit komplett. Das war straffe Arbeit, aber diese Intensität und Dichte brauche ich zum Büchermachen.
BK: Astrid Lindgren hat Pippi Langstrumpf ja für ihre Tochter erfunden. Wie sind „Hollie & Fux“ entstanden, gibt es da eine ähnliche Geschichte?
NA: Ich hatte zu der Zeit der ersten Bilder von „Hollie & Fux“ einen kleinen Ideengeber, der mit für die Entstehung des Buches verantwortlich ist! Es war der ältere meiner beiden Söhne, damals 9 Jahre alt.
Er sah das erste Bild, als Hollie Fux auf dem Hinterhof beobachtet, und dieser in einer der Mülltonnen wühlt und nach Essen sucht. Da wurde er sehr traurig und meinte, das könne so nicht stehenbleiben, der Fuchs dürfe nicht so abgemagert und hungrig leben müssen. Ich versprach ihm daraufhin, dass dies nicht das einzige und letzte Bild sei und dass ich dafür sorgen würde, dem Fuchs ein schönes Leben einzurichten. Darauf folgte das zweite Bild, in dem Hollie Fux etwas von ihrem Mittagessen abgibt. Tja, und dann folgten all die anderen, denn plötzlich wurde klar, wie die Geschichte sein musste. Die Geschichte ist somit für meinen Sohn erfunden worden.
BK: Hier standen also die Bilder am Anfang, aber ist das immer so, wenn Sie illustrieren und schreiben? Sehen Sie erst Bilder oder haben Sie zuerst Wörter im Kopf?
NA: Diese Frage versuche ich oft zu beantworten. Es ist unterschiedlich. Ich habe oft zuerst eine Szene im Kopf, ein Bild, und zeichne dieses. Je nachdem, was auf dem Bild passiert, und das passiert auch ein wenig intuitiv, führt mich diese erste Szene zu einer Geschichte. Das heißt, ich tauche als Illustratorin in das Bild ein und fange an, darin weiterzudenken. Oft klappt das und ich finde einen Geschichtenfaden, an dem ich dann auch weitere Bilder anknüpfe. Es gibt aber auch Bilder, in die ich nicht so schnell hineinfinde.
Manchmal habe ich aber auch eine Geschichte im Kopf, da mich ein bestimmtes Thema beschäftigt. Bei meinem zweiten Buch „Haiferien“ war das zum Beispiel so. Ich interessiere mich schon immer sehr für Natur, Tiere und Biologie und wollte als Kind immer Forscherin werden. Da recherchiere ich dann auch und schreibe zuerst eine Geschichte. Parallel zeichne ich aber schon los …
BK: Wie kommt es, dass die Geschichte in „Hollie & Fux“ gerade in Schweden spielt? Hat das auch etwas mit dem deutschen Bullerbü-Syndrom zu tun oder gibt es ganz andere Gründe?
NA: Dem Bullerbü-Syndrom gehen bei mir schon viele Jahre lang Aufenthalte und Reisen in Skandinavien, also Norwegen und Schweden voraus. Ich bin sozusagen schon als Teenager damit angesteckt worden. Schweden birgt für mich diese schlichte Schönheit der Natur, ein entspannteres Miteinander. Das Landleben verkörpert für mich dort Einfachheit und Entfaltungsfreiheit, die ich an keinem anderen Ort so vorgefunden habe – so dass ich gern eine Geschichte darüber machen wollte, in der all dies steckt. Nicht zuletzt mag ich Schwedens Farben einfach unheimlich gerne. Helle, ruhige, blassere Töne sorgen für mich für Ruhe und einen kühlen Kopf.
Ich denke, dass das Bullerbü-Syndrom, mit dem sich seit einiger Zeit immer mehr Menschen anstecken, letzten Endes der Ausdruck einer Sehnsucht nach genau diesen Dingen ist: Familie, Zusammensein, ein naturverbundeneres und nachhaltigeres, einfacheres Leben. Die Rückbesinnung und Konzentration auf das Elementare – auch mit inbegriffen die Suche nach dem eigenen Ort, an dem man Ruhe für sich und Schönheit findet. Das Thema der Sehnsucht ist ja das Tragende der Geschichte von „Hollie & Fux“.
BK: Für Ihre Figuren wird der Wald zum Sehnsuchtsort und ich habe das Gefühl, immer mehr Menschen merken, dass sie eigentlich keine Stadtkinder sind. Wie ist das bei Ihnen?
NA: Ich kann mittlerweile beides sein, aber im Herzen, seit meiner Kindheit, bin und bleibe ich ein Naturkind. Ich war als Kind sehr viel im Wald, ich bin viel gewandert und habe viel gezeltet und in Flüssen gebadet. Das kleine rote Haus ist ein innerer Sehnsuchtsort von mir, den ich an vielen Orten in der Natur finden kann. Ich brauche nicht so viel zum Leben, und versuche dies in der Stadt auch umzusetzen – was gar nicht so einfach ist. Man lässt sich doch oft mitreißen und landet schneller als man blinzeln kann im Überfluss. Dann muss ich wieder aufs Land fahren, um zu merken, dass es einfacher geht. Wir haben gottseidank ein Haus hoch im Norden, noch nicht ganz in Schweden, in dem dieses einfache Leben möglich und schnell erreichbar ist.
Die Stadt gibt mir Abwechslung und die Möglichkeit, gut und schnell vernetzt zu arbeiten. Manchmal brauche ich ein bisschen Trubel und das ein oder andere Konzert, eine schöne Lesung, eine durchtanzte Nacht. Als DJane, die ich auch noch bin, gibt es in der Stadt definitiv mehr zu tun als auf dem Land. Schreiben und zeichnen kann ich besser in der Natur.
BK: Ich habe „Hollie & Fux“ als Geschichte über Freundschaft und Familie gelesen. Haben Sie sich da in Ihrem Umfeld inspirieren lassen?
NA: Ja, durchaus. Durch meine eigene Familie erlebe ich, dass dies die Lebensform ist, die trägt und Kindern Halt und Geborgenheit gibt. Es ist nicht zwingend notwendig, dass Familien komplett sind – es gibt heutzutage ja viele verschiedene Lebenskonzepte. Wichtig sind aber feste und verlässliche Bezugspersonen, um ein Gefühl von Familie zu erzeugen. Das können auch Freunde sein.
BK: Hätten Sie auch gerne einen Fuchs zum Freund?
NA: Ich würde nicht nein sagen und ihm auf jeden Fall extra eine große Portion Pfannkuchen machen!
BK: Wenn man genau hinsieht, findet man auf den meisten Bildern in „Hollie & Fux“ eine Schildkröte – sie kommt sogar mit ins Kino! Was hat es mit ihr denn auf sich?
NA: Die Schildkröte ist Hollies stiller Begleiter. Sie hat keine kommunikative Rolle – wer weiß, vielleicht bekommt sie die ja noch – im nächsten Buch? Die Kinder, die die Bilder aufmerksam anschauen, können sie suchen und finden.
BK: Sie machen Musik und sind DJane. Spielt die Musik auch für Ihr Zeichnen und Schreiben eine Rolle, hören Sie zum Beispiel nebenbei Musik?
NA: Musik inspiriert und begleitet mich vor allem in Zeichenphasen auf dem Kopfhörer, bei der Entstehung der Bilder. Manchmal lässt sich beides so toll verbinden, zum Beispiel wenn ich kurz vor einem Auftritt eine Setlist noch mal durchhören muss. Wenn ich schreibe, kann ich gar nichts anderes hören. Da muss aller Raum im Kopf der Geschichte zur Verfügung stehen. Am besten ist es dann um mich herum total still, da die Figuren aus der Geschichte miteinander sprechen, und ich muss ihnen zuhören und mitschreiben.
BK: Wie geht es jetzt weiter für Sie, was sind die nächsten Projekte?
NA: Ich habe mein zweites Buch vollendet und es geht in einer Woche in den Druck, es erscheint im Januar. Jetzt bin ich genauso aufgeregt wie beim ersten Buch. Die Vorfreude, bis dann schließlich der Postbote kommt, ist groß!
BK: Da sind wir gespannt! Und wird es danach ein weiteres Buch geben?
NA: Ich hab schon Ideen. Hollies und Fux‘ Freundschaft hat ja eben erst begonnen! Vielleicht gibt es auch Kinder, die sich das wünschen. Die können mir dann gern schreiben und Vorschläge für die Geschichte machen.
BK: Fast geschafft, aber zwei Fragen müssen sich alle Besucherinnen und Besucher der Bücherstadt stellen: Welche Frage haben Sie sich schon immer für ein Interview gewünscht und was antworten Sie darauf?
NA: Die Frage, was ich als Kind werden oder machen wollte. Antwort: Forscherin, Schriftstellerin, Musikerin und mindestens ein Buch. Hat ja gut geklappt!
BK: Und wenn Sie selbst ein Buch wären, was für eines wäre es dann?
NA: Ein Buch mit vielen unterschiedlichen Meerestieren in vielen verschiedenen Farben.
BK: Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben!
[tds_note]Weitere Infos, Illustrationen und mehr gibt es unter www.ninialaska.de.[/tds_note]
Foto: Maxi Feder
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