Petra Hammesfahr

von | 03.10.2012 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

Ich lege mehr Wert darauf, einen Menschen so zu beschreiben, dass man glaubt, ihn persönlich zu kennen.

*Klick* Foto © Petra Hammesfahr facebook.com/PetraHammesfahr

Petra Hammesfahr ist 1951 in Titz geboren. Sie begann früh zu schreiben, wurde von ihren Eltern jedoch nicht weiter unterstützt und machte deshalb eine Lehre als Einzelhandelskauffrau. Das Schreiben ließ sie jedoch nicht los, und so versuchte sie es immer wieder mit einer Veröffentlichung. Nach mehr als 150 Absagen wurde schließlich 1991 ihr erster Roman „Wer zweimal lebt, ist unsterblich“ veröffentlicht. Eine Zeit lang schrieb sie auch Drehbücher, heute gilt ihre volle Aufmerksamkeit aber ihren Romanen. Einige ihrer Werke wurden bereits verfilmt, zum Beispiel „Der Puppengräber“ und „Die Lüge“. Im März 2012 ist ihr neuer Roman „Die Schuldlosen“ erschienen, den der Bücherstadt Kurier einmal genauer unter die Lupe genommen hat.

Liebe Frau Hammesfahr, wir freuen uns, dass Sie sich die Zeit für unser Interview genommen haben. In diesem Interview haben wir Fragen zu Ihrer Person und zu Ihrem neusten Roman „Die Schuldlosen“ vorbereitet. Wir beginnen nun mit einer Frage zu den Anfängen ihrer schriftstellerischen Karriere:

Wie sind Sie überhaupt ans Schreiben gekommen? Erinnern Sie sich an Ihre erste, richtige Geschichte? Wenn ja, worum handelte diese?

Die ersten Geschichten habe ich schon während meiner Schulzeit geschrieben, und noch mehr während den Pausen auf dem Schulhof erzählt. An die erinnere ich mich heute nicht mehr. Den ersten Roman habe ich mit 17 begonnen, das war „Der Engel mit den schwarzen Flügeln“. Veröffentlich wurde er 1992.

Wie kamen Sie auf das Genre „Krimi“? Warum kein anderes Genre?

Ich schreibe gar keine Krimis, ich werde nur meist diesem Genre zugeordnet, manchmal heißt es auch Thriller oder Psychothriller. Anscheinend gibt es für Geschichten, wie ich sie schreibe, keine treffende Bezeichnung. Mir sind die Opfer wichtig, also erzähle ich ihre Geschichten, was ihnen widerfährt und wie es dazu kommt. Für eine spannungsgeladene Handlung ist es doch nebensächlich, ob eine Kommissarin kochen kann oder ein Ermittler eine Beziehungskrise hat. Detailliert beschriebene Misshandlungen oder Verstümmelungen finde ich auch nicht spannend, sondern grausam und oft auch eklig.

Wann kam der Punkt, an dem Sie sagten: „Meine Geschichte soll veröffentlicht werden“? Was hat Sie dazu bewegt, es mit einer Veröffentlichung zu versuchen?

Ich wollte schon als Kind das Schreiben zu meinem Beruf machen, also musste ich darauf hinarbeiten, veröffentlicht zu werden.

Bevor der richtige Erfolg als Autorin kam, bekamen Sie viele Absagen. Bitte erzählen Sie unseren Lesern von Ihren Anfängen. Welche Tipps würden Sie Nachwuchsautoren mit auf den Weg geben?

Da müsste ich bei meinem ersten Schultag beginnen und bei meiner Enttäuschung, weil meine Tante mir erklärt hatte, in der Schule würde ich schreiben lernen. Geschichten habe ich schon als kleines Kind erzählt, und am ersten Schultag habe ich nichts gelernt.

Mit 17 konnte ich dann zwar schreiben und quoll über von Ideen, hatte aber leider kein Geld für Papier, auch keine Schreibmaschine zur Verfügung und – was am wichtigsten ist, keine Ahnung, wie man eine Geschichte richtig erzählt.

Das habe ich in langen Jahren gelernt, mit 28 besaß ich eine Schreibmaschine, saß jeden Tag 6 bis 8 Stunden am Küchentisch – einen Schreibtisch besaß ich noch nicht. Nach sieben abgeschlossenen Romanen und zwei halben, die ich nicht abschließen konnte, weil ich nicht wusste, welchem Verlag ich sie noch anbieten sollte, kam nach 159 Absagen mit 40 dann die erste Veröffentlichung.

Heutzutage ist der Start entschieden leichter. Wer keinen Verlag findet, stellt sein Werk ins Internet. Deshalb kann ich Nachwuchsautoren nur einen guten Tipp geben: Überarbeiten, überarbeiten, überarbeiten. Es gibt keine gute erste Fassung. Und nicht aus jeder Idee lässt sich eine gute Geschichte machen.

Sie haben viele Romane und Erzählungen geschrieben – woher nehmen Sie all ihre Ideen? Was inspiriert Sie?

Wenn ich diese Frage beantworten könnte, würde ich meine Inspiration zum Patent anmelden. Ich habe sehr viel Phantasie, eine Menge persönlicher Erfahrungen und ausreichend Kenntnisse in Psychologie, Medizin, Forensik, Kriminalpsychologie und Kriminaltechnik – auch wenn ich keine Krimis schreibe, die Details müssen stimmen.

Was motiviert Sie zum Schreiben? Haben Sie sich feste Ziele gesetzt, welche Sie erreichen möchten?

Schreiben ist mein Beruf, ich setze mich morgens an den Schreibtisch und lese erst einmal, was ich in den letzten Tagen, Wochen oder Monaten geschrieben habe. Dafür brauche ich keine Motivation, ich lese eben gerne und finde auch meist noch etwas, das sich verbessern lässt. Ein festes Ziel setze ich mir nicht, an manchen Tagen läuft es gut, an anderen nicht. Und das große Ziel, das ich als Kind und Jugendliche vor Augen hatte, habe ich doch erreicht.

Vier Literaturpreise, Übersetzungen in mehr als 20 Sprachen. Ich bin sogar in England und den USA vertreten, wo deutsche Autoren nur schwer Fuß fassen. Und in England habe ich auch noch sehr gute Kritiken bekommen. Mein Ziel ist einfach jeden Tag, mit dem nächsten Roman wieder ein Buch zu bieten, das seine Leser ebenso beeindruckt und begeistert wie die vorherigen.

Im März 2012 ist Ihr Roman „Die Schuldlosen“ erschienen. Bitte erzählen Sie uns kurz, worum es in dem Roman geht.

Um einen jungen Mann, der als Kind kein Junge sein durfte. Ein ganzes Dorf hat zugeschaut, wie er sich zum Schläger entwickelte, unternommen hat niemand etwas. Erst als er wegen Mordes verurteilt wird, regen sich alle über seine Mutter auf. Bei seiner Verurteilung hat er der Hauptbelastungszeugin gedroht, das werde sie bereuen. Deshalb ist die Aufregung noch größer, als er vorzeitig aus der Haft entlassen wird.

Die Frage nach der Schuld von Protagonist Alex fesselt den Leser bis zur letzten Seite. Im Laufe des Buches erfährt man von Alex´ Vergangenheit, seinen Vorlieben, Wünschen und Sehnsüchten. Können diese darüber aussagen, wie ein Mensch „wirklich“ tickt? Wie wichtig ist Ihnen die Beschreibung Ihrer Protagonisten?

Eine fundierte Beschreibung macht einen Charakter aus, wobei mir Äußerlichkeiten nicht so wichtig sind. Jeder hat seine eigene Vorstellungskraft von Schönheit oder einer schicken Jeans. Diese Vorstellungskraft möchte ich gar nicht beschneiden, in dem ich zu viele Details präsentiere. Ich lege mehr Wert darauf, einen Menschen so zu beschreiben, dass man glaubt, ihn persönlich zu kennen.

Es gibt zu Ihrem Buch auch einen Trailer, welcher die Neugier des Betrachters weckt. Hatten Sie bei der Umsetzung ein Mitspracherecht? Wie ist dieser Trailer entstanden?

Ich habe den Hauptdarsteller ausgesucht, meinen Alex, wie er in meinem Kopf existiert. Die Herstellung hat eine Produktionsfirma übernommen.

Das Medium „Internet“ haben Sie auch für sich entdeckt: Auf Facebook posten Sie hin und wieder Neuigkeiten, berichten von ihren Büchern und geben Termine für Lesungen bekannt. Was denken Sie über das Thema „Facebook“? Wie wichtig ist dieses Medium in unserer Gesellschaft?

Ich habe lange gezögert, meine Facebook-Seiten einzurichten. Vor Jahren musste ich meine E-Mail-Adresse ändern, weil immer mehr Anfragen von Schülern kamen, zu deren Unterrichtsstoff einer meiner Romane gehörte. Einerseits machte mich das stolz, meine Töchter haben noch Kafka und Hesse interpretieren müssen. Andererseits hatte ich nicht die Zeit, all diesen Kindern die Hausaufgaben zu machen.

Auf Facebook musste ich auch schon mehrfach antworten: „Tut mir leid, das geht nicht.“ Aber es ist schön, zu erfahren, dass meine Romane immer noch Thema an Schulen sind. Vor Kurzen bekam ich sogar eine Nachricht aus Schweden, allerdings keine Bitte um Hilfe, sondern ein großes Lob von einem jungen Mädchen, das sich für das „Superbuch“ Die Sünderin bedanken wollte.

Außerdem kann man im Internet (u.a. Youtube) Videos, in denen Sie aus ihren Büchern lesen, finden. Wie kam es dazu?

Das war eine Idee meines Mannes, und eine gute, wie ich und einige hundert Nutzer finden.

Vier ihrer Bücher wurden bereits verfilmt. Was ist das für ein Gefühl, die eigenen Geschichten auf der Leinwand zu sehen? Und: waren Sie mit der Umsetzung zufrieden?

Es sind sogar fünf verfilmt worden. Und bei „Der stille Herr Genardy“ war es ein sehr gutes Gefühl. Das Drehbuch hatte ich selbst geschrieben und sah die Bilder aus meinem Kopf auf dem Bildschirm, das war atemberaubend. „Die Mutter“, „Der Puppengräber“ und „Die Lüge“ sind gute Filme geworden, haben nur mit meinen Romanen nicht mehr viel gemein. Über Nummer 5 wollen wir hier lieber den Mantel des Schweigens ausbreiten.

Sollen weitere Verfilmungen folgen?

Momentan sind keine geplant. Ich bin den Produzenten wohl zu anstrengend und zu anspruchsvoll. Weil ich den Standpunkt vertrete, dass 400 Seiten Roman mehr als genug Vorlage für einen Film bieten. Da sollte man nur überlegen, was man weglassen kann, ohne zu viel zu verlieren. Aber man sollte nicht noch Dinge dazu dichten, die im Roman gar nicht vorkommen und meine Figuren in einem völlig anderen Licht zeigen.

Sie haben eine Zeit lang auch als Drehbuchautorin gearbeitet. Was waren die Gründe, diese Tätigkeit einzustellen? Werden Sie irgendwann wieder Drehbücher schreiben?

Meine Gründe, auf weitere Drehbücher zu verzichten, kann man im Roman „Der Schatten“ nachlesen. Mir ist es mit einem großen Projekt so ähnlich ergangen wie der Gabi im Roman. Und ich hatte keine Freundin, die mir aus der Klemme helfen konnte.

Können Sie uns etwas über Ihren nächsten Roman verraten? Wann können wir mit einer Veröffentlichung rechnen?

Im kommenden Frühjahr wird das Taschenbuch „Hörig“ erscheinen. Das ist eine überarbeitete Fassung des Romans „Die Augen Rasputins“, der 1993 erschienen ist. Es braucht also niemand mehr bei Ebay ein gebrauchtes Exemplar für 50 oder noch mehr Euro zu ersteigern. Das Buch gibt es bald preiswerter und besser.

Wenn Sie mal nicht schreiben, was machen Sie dann? Was sind Ihre Hobbies?

Wenn ich nicht schreibe, lese ich.

Haben Sie ein Lieblingsbuch? Wenn ja, warum ausgerechnet dieses?

Das Lieblingsbuch von meinen eigenen ist immer das, an dem ich gerade arbeite.

Und nun einige Fragen, bei denen Sie kreativ sein können:
Wenn Sie ein Buch wären, welches wären Sie und warum?

So kreativ bin ich dann wohl doch nicht. Ich kann mich zwar in jeden Menschen – sogar in einen Kinderschänder – hineinversetzen, um die Figur authentisch zu schildern. Aber die Vorstellung, ich wäre ein Buch, will mir einfach nicht gelingen.

Welche Frage haben Sie sich in einem Interview schon immer mal gewünscht und wie würde Ihre Antwort darauf lauten?

Da muss ich auch passen. Ich bin in Interviews schon so viel gefragt worden, dass ich das Gefühl habe, es gibt keine Frage mehr, die mir noch nicht gestellt wurde.

Wir danken Ihnen für das Interview!

Alexa

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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