Vom 15.09.19 bis 16.02.20 ist die Sonderausstellung „Mœbius“ im Max-Ernst-Museum in Brühl zu sehen. Geschichtenzeichnerin Celina und Geschichtenerzähler Adrian sind aufgebrochen, um diese nicht zu verpassen.
Ausstellungsbesuchende erhalten einen breitgefächerten und umfangreichen Einblick in die Werke des bereits verstorbenen französischen Comickünstlers Jean Giraud alias Mœbius. Dieser arbeitete ab 1964 als Zeichner an der Westerncomicserie „Leutnant Blueberry“ (gemeinsam mit Jean-Michel Charlier) und hatte damit seinen ersten großen Erfolg. Damals unterzeichnete er diese Comics noch mit seinem Pseudonym „Gir“. Beträchtliche Berühmtheit erlangte er schließlich für die zeichnerische Umsetzung von surrealen und fantastischen Science-Fiction-Welten, die er mit „Mœbius“ signierte und die in dieser Ausstellung im Vordergrund stehen.
Beispiele für Science-Fiction-Comics sind „The Long Tomorow“ (mit Dan O´Bannon, 1975) und „Der Incal“ (mit Alejandro Jodorowsky, 1979). Zudem war Mœbius Mitbegründer der Zeitschrift „Métal Hurlant“ (ab 1975), die in Deutschland unter dem Namen „Schwermetall“ (ab 1980) veröffentlicht wurde. Hier konnte Mœbius viele Science-Fiction-Comics erstveröffentlichen.
Beim Eintreten in die Ausstellung wird schnell ersichtlich, dass es sich mehr um einen „White Cube“ handelt, also um weiße Wände mit Bildern. Ausnahmen bieten die medialen Darbietungen, wie die in Stellwandgröße gezeigten Zeichnungen, denen mit Hilfe der Augmented-Realitiy-App „Artivive“ Leben eingehaucht werden kann. Postkartengroße Bildschirme, auf denen Videos zu sehen sind, und iPads, auf denen Comics durchgeblättert werden können, ermöglichen ebenso Abwechslung. Insgesamt können 450 Ausstellungsstücke betrachtet werden, die der Künstler in verschiedenen Techniken angefertigt hat.
Ebenfalls ist beim Eintreten direkt auffällig, dass diese Ausstellung nicht in einem Rundgang konzipiert ist, sondern die Besuchenden ihre Wege selbst wählen können. Es gibt zwar thematische Überschriften wie „Natur und Metamorphosen“ und „Der Traum vom Fliegen und Fallen“, dennoch ist es jedem/r selbst überlassen, wo er oder sie als nächstes hingeht.
Comicausstellung?
Bei all der Vielfalt an Ausstellungsobjekten und dem ausgeklügelten Konzept, die Werke themenspezifisch zu sortieren, gibt es auch Irritationen. Zum einen werden kaum Comics gezeigt. Zwar stehen iPads bereit, auf denen Comics zu sehen sind und an den Wänden befinden sich einzelne Auszüge, aber es sind keine haptisch fassbaren, gedruckten Comichefte vorhanden, zumal auf den iPads das Format anders ist als in gedruckter Form. Ebenso wird dadurch das optische Zusammenspiel der Doppelseite nicht bedacht. Für das Layout eines Comics ist dieses Zwei-Seiten-Prinzip eine wichtige Gestaltungsform.
Auch der Effekt des sogenannten Page-Turn, des visuellen Überraschungseffektes des Comics, wird durch diese Art der Präsentation abgeschwächt. Dass keine Comichefte vorhanden sind, löst Irritation aus, bedenkt man, dass Mœbius ein Comickünstler war und zu der Zeit, als er berühmt wurde, gerade Comiczeitschriften wie der „Métal Hurlant“ zu den zentralen Medien zählten.
Kontext
Ein weiterer Irritationspunkt steht in Verbindung zum erstgenannten. Es fehlt an Kontextualität, beispielsweise zum Thema „Métal Hurlant“. Zwar wird an der Wand in der stichpunktartigen Biografie Jean Girauds erwähnt, dass diese Heftserie 1975 gegründet wurde, aber das ist auch alles dazu. Dass „Métal Hurlant“ für Mœbius‘ öffentliche Präsenz wichtig war, dass diese Heftreihe 220 Ausgaben umfasste und weltweit in mehreren Sprachen veröffentlicht wurde, geht hier unter.
Ein weiteres Beispiel ist, dass in der Biografie seine medienübergreifende Zusammenarbeit mit dem chilenischen Regisseur und Comicautoren Alejandro Jodorowsky so gut wie vergessen wurde. Unerwähnt bleiben Jodorowsky als Autor der Comicreihe „Der Incal“ sowie das gemeinsame Schaffen am gescheiterten Filmprojekt „Dune“, wobei Mœbius unter anderem die Konzeptzeichnungen für die Kostüme beisteuerte.
Ein weiterer fragwürdiger Aspekt ist der Film, der, bevor man in die eigentliche Ausstellung eintritt, geschaut werden kann. Hier wird weder betitelt, wovon die einzelnen Filmausschnitte handeln – ein Teil wirkt wie eine Performance – noch kann man das Gezeigte genauer einordnen. Auch hier wären ein paar mehr Informationen hilfreich gewesen. Es finden sich noch ein paar weitere Lücken, die, hätte man sie gefüllt, die Ausstellung inhaltlich schlüssiger gemacht hätten.
Aha!
In der Sonderausstellung finden sich viele Werke von Mœbius, die nicht so bekannt sind. Darunter fallen etwa Illustrationen zu Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“, seine gezeichnete Vielfalt an Mars-Tieren sowie seine abstrakten Gemälde, die wie Detailaufnahmen erscheinen und formenbetont wirken. Weiterhin fällt in der Ausstellung positiv auf, dass zu jedem themenbezogenen Abschnitt Zitate von Mœbius stehen, die seine Sicht auf spezifische Aspekte einbinden.
Sehenswert
Auch wenn es inhaltliche Lücken gibt und teils der übergeordnete Zusammenhang verloren geht, so ist diese Sonderausstellung mit einem Eintrittspreis von 10€ (ermäßigt 6,50€) durchaus sehenswert. Es wird viel Bildmaterial zu Mœbius geboten, das man so, besonderes in Deutschland, noch nicht gesehen hat. Auch der Katalog in hochwertiger Druck-Qualität kann sich mit einem Wert von 50€ sehen lassen.
Allerdings sollte hierzu gesagt werden, dass wir es als angenehm empfunden hätten, wenn die erklärenden Texte im Katalog als narrative Begleitung teilweise in die Ausstellung integriert worden wären. Eine themengebundene Präsentation der Bilder gleich der Ausstellung wäre im Katalog wünschenswert gewesen. Zusammen mit dem Verschieben der Bildbeschreibungen in ein Bilderverzeichnis am Ende des Katalogs macht es die Betrachtung der hochwertigen Drucke zwar nicht weniger ansehnlich, jedoch leicht kompliziert.
Mœbius. Sonderausstellung. Max-Ernst-Museum. Brühl. 15.09.2019 bis 16.02.2020. // Bild: Mœbius, Arzak le rocher, 1995, Gouache und Acryl auf Papier © 2019 Mœbius Production // Ausstellungsfoto: Geschichtenzeichnerin Celina und Geschichtenerzähler Adrian.
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