Auf der Leipziger Buchmesse hat man immer mehr das Gefühl, in einem großen Bienenstock zu sitzen. Das habe ich festgestellt, als ich mit ein paar Freunden am Samstag in der Glashalle auf einem erhöhten Platz gesessen und die riesige Menschenmenge betrachtet habe. Die Buchmesse erfreut sich seit Jahren schon an wachsenden Besucherzahlen, besonders der Messesamstag ist außerordentlich gut besucht. Wie der MDR berichtet hat, waren es dieses Mal insgesamt 260.000 Besucher, die auf der Messe selbst und zu zugehörigen Veranstaltungen zugegen waren. Was die Buchmesse und die „Manga-Comic-Con“ dieses Jahr zu bieten hatten, erzähle ich euch in diesem Erfahrungsbericht. – Von Bücherhorterin Claudia
Endlich wieder Buchmesse!
Wie jedes Jahr ruft die Buchmesse wieder nach eifrigen Bücherwürmern und nachdem ich die vertraut wirkende Glashalle betreten habe, stellt sich gleich dieses in mir altbekannte „Buchmesse-Gefühl“ ein. Geschäftige Verlagsmenschen arbeiten an ihren Ständen, Buch-Neuheiten liegen zum Schmökern aus und können teilweise sogar schon käuflich erworben werden. Es sind viele neugierige Besucher, die sich umschauen oder Vorträgen und Gesprächen auf den verschiedenen Bühnen lauschen oder einfach nur von A nach B unterwegs sind.
Freitags kann ich mich noch gut durch die Gänge bewegen, es ist nicht all zu voll und relativ kühl im Gegensatz zu den vorherigen Tagen in den Hallen. Sehr angenehm, so kann man sich in Ruhe die Stände anschauen und den ein oder anderen Einkauf tätigen.
Wieder sind die alten Verdächtigen da, die Fernseh- und Radiosender, sowie die großen Zeitungen, die jedes Jahr ordentlich Programm in der Glashalle auffahren und großzügig Abos verteilen. Auch die Imbissstände kommen mir verdächtig bekannt vor. „Same procedure as every year.“
Politisch aktuell: Der Schwerpunkt auf Zuwanderung und Integration
Großer Schwerpunkt der Messe ist dieses Jahr das Thema, das uns alle bewegt: Die Zuwanderung und Integration von Flüchtlingen. Dieses Thema zieht sich durch viele Veranstaltungen und Diskussionsrunden mit Politikern, Wissenschaftlern und Journalisten. „Europa 21“ nennt sich dieses Sonderprogramm. Gleich im Eingangsbereich der Messe stehen Hörstationen, an denen man sich die persönlichen Geschichten von Flüchtlingen anhören kann.
Wie es bei einer Buchmesse der Fall ist, gibt es wieder einige Veranstaltungen auch außerhalb des Messegeländes in der Innenstadt und das gleichzeitig laufende Lesefest „Leipzig liest“. Leider fallen daher so ein paar Veranstaltungen, die mich interessiert hätten, für mich raus, zum Beispiel eine über das Verlagswesen im Dritten Reich – die war sogar schon am Dienstag, wie ich überrascht feststellen musste. Das zeigt, wie vielfältig das Programm ist und schon Tage davor aufgefahren wird. Neu ist dieses Jahr auch eine App, damit man nicht im Meer der Angebote strandet und nach seinen Interessen gezielt nach Veranstaltungen suchen kann. Die App ist außerdem aktuell und übersichtlicher als das Programmheft.
Neben den Hallen, die thematisch nach Bildung, Kinder- und Jugendbuch und Fantasy, sowie der Belletristik und Buchkunst & Grafik gerichtet sind, besuche ich dieses Jahr auch die Manga-Comic-Con in Halle 1, die nunmehr zum dritten Mal in diesem Rahmen stattfindet. Noch vor drei Jahren war der Bereich um gezeichnete Literatur, sprich Comics und Manga, sowie ergänzend Anime, zusammen mit den Jugend- und Kinderbüchern in einer Halle untergebracht. Nachdem die Besucherzahlen aber dermaßen gestiegen sind, dass man sich dort nur noch gegenseitig auf die Füße treten konnte, hat die Veranstaltungsleitung ein neues Konzept für eine eigene „Convention“ auf die Beine gestellt, welches sich als ein großer Erfolg herausgestellt hat.
Von Landkarten und Minibüchern – es gibt viel zu sehen
Man sollte meinen, ein Wochenende müsste reichen, um sich mehrere Hallen anzusehen oder möglichst viel vom Programm mitzunehmen. Das ist aber weit gefehlt. Wie schon erwähnt, kann ich mich am Freitag in Ruhe umschauen und ungestört für diesen Bericht in den verschiedenen Hallen fotografieren. Nur sind es so viele Aussteller, dass ich oft kaum mehr als einen kurzen Blick auf die Stände werfen kann und immer noch nicht alles gesehen habe.
Denn zu sehen gibt es unheimlich viel Verschiedenes! In Halle 3 locken mich beispielsweise Landkarten und verschieden beleuchtete wunderschöne Globen zum Bestaunen. Die künstlerischen Fakultäten mehrerer Universitäten, die jung und alt für die Kunst begeistern möchten, haben so manch interessantes Kunstwerk mit zu ihrem Auftritt gemacht.
Ein Highlight war für mich die Herstellung von winzigen Büchern – zu finden am Stand der Buchbinder-Landesinnung Sachsen. Dort arbeitet ein Herr mit diversen Materialien an einer ziemlich großen Maschine an diesen kleinen Wundern und auch ein paar fertige Exemplare sind vorhanden. Auch das Gutenberg Museum aus Mainz hat eine rekonstruierte Gutenberg-Presse dabei, an der das Druckverfahren vorgeführt wird und das Museum für Druckkunst Leipzig stellt erneut ihre Linotype-Setzmaschine aus.
Das Gesundheitswesen wird von mehreren Verlagen repräsentiert. Es gibt neben dem Psychotherapie-Verlag, der zahlreiche Veröffentlichungen über unterschiedliche Therapieverfahren veröffentlicht und der Mabuse-Verlag, der eine Zeitschrift und einen Buchversand für alle Gesundheitsberufe anbietet. Samstagmorgen stellt die Autorin Karla Heinrich ihr illustriertes Buch „Als die schwarze Dame kam. Tagebuch einer Depression in Bildern“ vor – ein Zeugnis ihrer eigenen Genesung anhand von Bildern, die sie selbst während ihrer Therapie gemalt hat.
Bildung und Fantasy Seite an Seite
In Halle 2 erwartet mich dann eine nostalgische Erinnerung an meine Schulzeit: Diverse Schulbuchverlage, wie Cornelsen und die Westermann Gruppe, geben sich die Klinke in die Hand und stellen ihre Unterrichtsmaterialien und Zubehör vor. Kurz denke ich, ich stehe auf der Frankfurter Buchmesse, denn viel verändert scheint sich seitdem nicht zu haben – ist ja auch noch nicht so lange her. Zusätzlich gibt es hier auch Stände, die Zubehör für Lehrer verkaufen, darunter praktische Taschen und flüssige Kreidestifte. An einem anderen Stand sind interessante Chemiekoffer ausgestellt. Bücherbändigerin Elisabeth, mit der ich unterwegs bin, ist auf der Suche nach Material für Seiteneinsteiger im Deutschunterricht, sprich Kinder mit fremdsprachigem Hintergrund, wie Flüchtlingskinder. Leider findet sie nur relativ wenig Unterrichtsmaterial.
In derselben Halle sind noch die Kinder- und Jugendbücher untergebracht, bei denen es – hätte man es gedacht? – von Kindern und Familien nur so wimmelt. Neben einem Bereich, wo die Kinder spielen können, gibt es nicht nur Bücher, sondern auch coole Kartenspiele! Der Mitarbeiter am Adlung-Spiele-Stand hatte sichtliche Freude daran, die Spiele mit den emsigen Kindern auszuprobieren und nebenher alles Mögliche zu erklären, zum Beispiel was eigentlich eine Telefonzelle ist.
Gleich nebenan befindet sich die Fantasy-Leseinsel. Sie ist verhältnismäßig wieder eher klein gehalten. Und das obwohl es schon ein paar Stände mehr gegenüber dem letzten Jahr geworden sind. Mit dem Verlag Torsten Low sieht man hier ein bekanntes Gesicht. Leider suche ich vergeblich nach Science-Fiction. Es gibt zwar einen großen Perry Rhodan-Stand, der ist aber auch so ziemlich der einzige aus dem Genre.
Cosplayer überall: das ist die „Manga-Comic-Con“
Halle 1 beherbergt schließlich die „Manga-Comic-Con“ und wenn es schon in den anderen Hallen am Samstag voll ist, ist hier die Hölle los. Da ich am Freitag erst relativ spät angekommen bin, habe ich nur einen oberflächlichen Blick reinwerfen können und Veranstaltungen wie „Die Simpsons auf Sächsisch mit live-zeichnen“ verpasst. Es hätte so lustig werden können.
Aus der Menge stechen auf einmal die Köpfe zweier Deadpool-Cosplayer und einer Harley Quinn hervor, die auf dem Schwarzen Sofa herumhampeln – ich weiß immer noch nicht, wozu das eigentlich gut war, aber es muss wohl Werbung für Panini Comics gewesen sein. Auch die groß angekündigte Live-Ninja-Action Show mit „Hattori Hanzo and the Ninjas“ aus Japan zum Ende der beliebten Reihe „Naruto“ wird zahlreich besucht. Und beim Vorentscheid des „European Cosplay Gathering“-Wettbewerbs sind die Plätze vor der großen Bühne bis auf den letzten Platz besetzt.
Konnte man am Freitag noch relativ kleine Schlangen an den Signierständen der großen Verlage Egmont Manga, Carlsen Manga und Tokyopop sehen, platzen dagegen heute die Gänge aus den Nähten. Besonders die beliebte Shojo-Zeichnerin Moe Yukimaru bei Tokyopop ist gut besucht und beim Live-Zeichnen ihrer Charaktere auf dem Schwarzen Sofa lauschen viele Leser dem Interview, zu dem man im Vorhinein Fragen an den Verlag schicken konnte.
Ähnlich schaut es mit Egmonts Gaststar Ken Akamatsu aus, auch dieser zeichnet live und gibt Einblicke in seine Arbeitsweise. An der Signierstunde des Sailor Moon German-Stands sind zur Feier der Veröffentlichung der neuen „Sailor Moon Crystal“-Serie die deutschen Synchronsprecher einiger Charaktere zugegen und es gibt auch ein Q&A Panel. Auch die kleineren Verlage, wie z.B. Schwarzer Turm haben einiges an Zeichnern und Autoren zu bieten.
Aber nicht nur das – die Verlage suchen mit einigen Aktionen ihre Leser anzuwerben. Carlsen Manga und KAZÉ veranstalten in Kollaboration eine Schatzsuche ganz im Stile von „One Piece“. Am KAZÉ-Stand kann man sich mit Leuchtschminke bemalen lassen – eine Werbeaktion zu einer Messeneuheit. An der Rückwand des Standes kann man sich eine große Ausstellung zur „Tokyo Ghoul“-Serie anschauen. Zahlreiche Goodies liegen aus, die man sich mitnehmen kann.
Comics für Groß und Klein und alles, was das Herz begehrt
Nicht nur Manga sind großzügig vertreten. Am riesigen gemeinsamen Stand von Cross Cult, dem Splitter Verlag und POPCOM liegt eine Menge Comics für Interessierte aller Altersstufen aus, in die man reinschnuppern kann. Ich stecke meine Nase kurz in einen „The Walking Dead“-Comic und muss mich zurück halten, nicht doch noch zuzuschlagen. Wenigstens ist Band 1 aus, als ich wieder vorbei schaue und meine Geldbörse dankt es mir.
Splitter bietet sogar eine Buchpräsentation und Diskussionsrunde zur Neuheit „Alte Knacker“ von Wilfrid Lupano und Paul Cauuet an. Später kann man sich auch die Bände signieren lassen. Panini Comics setzt ganz auf ihre Superhelden und veranstaltet einen eigenen Cosplaywettbewerb. Ganz besonders begehrt sind die Messevarianten neu erscheinender Comics, die es nur hier zu kaufen geben wird.
Auch die deutschen Zeichner nutzen die Messe, um sich selbst zu promoten. An einer ganzen Reihe von Ständen im Mangamarkt kann man selbstgezeichnete Manga, Lesezeichen, Poster und Drucke erwerben. Carlsen Manga holt seine deutschen Zeichner ebenfalls auf die Bühne: Auf dem Schwarzen Sofa treffen sich Tamasaburo, Inga Steinmetz, Kamineo und Anne Delseit um über ihre Arbeit zu sprechen. Egmont Manga schickt das Team CHASM, bestehend aus Michel Decomain und Marika Herzog ins Rennen, die zu ihrem im Verlag erschienenen Manga „Demon King Camio“ signieren.
Der Sonntag steht im Zeichen der Bühnenshows
Am Sonntag gelingt es mir, den Vortrag zur Japanischen Teezeremonie der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Leipzig zu verfolgen und die Vorstellung von „Animes in Concert“ zu sehen. Ein Projekt, das für mehr Aufmerksamkeit für psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sorgen will: Nächstes Jahr soll in Leipzig ein riesiges Konzert mit unterschiedlichen Interpreten, die Anime-Musik umsetzen, stattfinden. Grund für dieses Projekt ist der Selbstmord eines jungen Mädchens, das der Manga-Szene angehörte – ihr Vater ist der Gründer der Stiftung, Eckart Bormann. Imposante Live-Musik der Band „Unloved“ begleitet die Vorstellung des Projektes, an der auch Kai von Klitzing, der Direktor der Kinder- und Jugendpsychatrie am Uniklinikum Leipzig und die jüngere Schwester der Verstorbenen teilnehmen.
Die neu gegründete Dimitroff Foundation Leipzig Stiftung Kinderdepression hat bereits die Unterstützung der Leipziger Buchmesse und Tokyopop. Dieses Projekt kann jeder durch Crowdfunding realisieren – Helfen durch Spaß haben ist die Devise.
Alles in Allem verlasse ich die Buchmesse mit platten Füßen und Muskelkater, blicke aber auf ein ereignisreiches und lohnenswertes Wochenende zurück. Nun beginnt erneut die Wartezeit – bis es wieder heißt: Die Buchmesse ruft!
Hat dies auf Nekos Geschichtenkörbchen rebloggt.