Alles begann mit drei Igeln im Schlauchboot: Joscha Sauer auf der Leipziger Buchmesse 2016 – Ein nicht ganz objektiver Bericht von Bücherstädterin Kathrin.
Ein Igel kann nicht mehr stehen, der zweite gibt zischende Laute von sich, der dritte ist genervt und weist die anderen zurecht. Im Jahr 2003 erwarb ich eine Postkarte mit genau diesem Motiv – der Anfang einer großen Liebe, die bis heute anhält.
Joscha Sauer, der Schöpfer der Nichtlustig-Cartoons, erzählt von selbstmordliebenden Lemmingen, von Yetis, dem Tod und seinem Begleiter – einem Pudel, von Dinos, die sich gerne Dinge aus der Zukunft ausleihen, von zeitreisenden Enten und vielen, vielen mehr. Sein Humor ist dabei schräg bis schwarz, aber immer unterhaltsam und unglaublich komisch.
Seit nunmehr dreizehn Jahren begleiten mich diese Figuren. Klar, dass ich mich daher auf der Leipziger Buchmesse 2016 ganz besonders auf Joscha Sauer gefreut habe, der dort signieren würde. Bedingt durch meine Aufregung war ich fast zwei Stunden vor der angekündigten Zeit da, bekam das Ende einer anderen Signierstunde mit und sah einem weiteren Cartoonisten beim Unterschreiben zu. Je näher der Termin rückte, desto nervöser wurde ich. Nach außen war ich einigermaßen ruhig, aber meine Mit-Bücherstädter wussten es besser. Ich erntete teils amüsierte, teils mitleidige Blicke.
Endlich war es soweit! Nur fünfzehn Leute hatten die Chance, eine signierte Zeichnung zu erhalten. Ich war die Nummer zehn. Joscha Sauer signierte heute nämlich nur eine Stunde und nahm sich für jeden einzelnen bis zu fünf Minuten Zeit, um Zeichenwünsche zu erfüllen.
Da war er – der Herr Sauer – gut sah er aus, musste ich mir eingestehen. Ein sehr sympathischer Mann, ganz lässig in Jeans und grauem Strickpulli. Im Gegensatz zu seinen Kollegen, die vor ihm signiert hatten, verschanzte er sich nicht hinter einem Pult, sondern setzte sich an einen kleinen Tisch, an welchem auch ein Stuhl für die ‚Bezeichneten‘ bereit stand – eine Begegnung auf Augenhöhe.
Jeglicher noch so abstruse Zeichenwunsch wurde erfüllt – Joscha Sauer zeichnete alles, auch wenn er noch nie von ‚pummeligen Giraffeneinhörnern‘ oder ‚Dinoelfen‘ gehört hatte. Doch er malte nicht nur die vorgeschlagenen Figuren, sondern entwarf um sie herum in kurzer Zeit eine kleine Geschichte, die er locker aus der Hüfte schoss. Mit viel Liebe und Präzision brachte er das Gewünschte zu Papier. Als ihm Küchenaufkleber zum Signieren vorgelegt wurden, lachte er: „Sie Schlingel, nicht, dass sie die in Bücher kleben, die nicht von mir sind!“
Die Schlange wurde kürzer und meine Nervosität stieg ins Unermessliche. Mein Puls raste, mir wurde warm und auch ein bisschen schlecht. „Du meine Güte“ – Ich hoffte so sehr, dass ich gleich nicht stammeln würde, oder schlimmer: stolperte, mich neben den Stuhl setzte oder Ähnliches.
Jetzt war es soweit, ich war dran. „Mein lieber Herr Gesangsverein“ – auch aus der Nähe tageslichttauglich… Ich räusperte mich innerlich, atmete tief durch, setzte mich, lächelte und erklärte ihm meinen Wunsch: die besagte ‚Dinoelfe‘. „Eine Dinoelfe?“ Doch auch diesen Auftrag meisterte er mit Bravour. Auf dem Blatt entstand mit viel Liebe zum Detail ein T-Rex mit riesigen Augen, winzigen Flügelchen und Ärmchen, die einen sternförmigen Zauberstab hielten.
Äußerlich wirkte ich vielleicht einigermaßen normal – von der Tatsache einmal abgesehen, dass ich nur das Nötigste sagen konnte und meine Wangen brannten wie Feuer – innerlich aber warf ich imaginäres Konfetti, hüpfte auf der Stelle und trug ein Partyhütchen.
Joscha Sauer bei der Arbeit zuzusehen, war wirklich faszinierend. Gekonnt schwang er den Stift und fügte weitere kleine Details hinzu. Jeder Strich saß. Als er fertig war, übergab er mir meinen Block, deutete auf meine mitgebrachten Bücher auf dem Tisch und fragte: „Soll ich die auch signieren?“ Gut, dass wenigstens er dran gedacht hatte, in meinem derzeitigen Zustand wäre ich fast schon aufgestanden und glücklich gegangen. Er reichte sie mir zurück, ich nahm sie entgegen, bedankte mich, lächelte noch einmal leicht benebelt, stand auf und stolperte zu den anderen Bücherstädtern, die auf mich gewartet und Fotos während des Zeichnens gemacht hatten.
„Wolltest du gar kein Foto? Also so von vorne?“ dringt es entfernt an mein Ohr. „Hmm? Was? Foto?“, dümpelt es in meinen Gedanken. Ich schüttelte mich kurz, um wieder zur Besinnung zu kommen. „Wollen schon“, sagte ich fast etwas beschämt, „wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre, danach zu fragen…“ Aber ich habe ja die Zeichnung, die signierten Bücher und Fotos von der Seite. Warum ist man überhaupt nicht man selbst, wenn man Leuten gegenübersteht, die man bewundert? Das nächste Mal reiße ich mich ganz bestimmt mehr zusammen.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich Joscha Sauer und seine Arbeit noch mehr schätzen würde als vorher, aber durch seine Zeichenkünste, seinen Humor und seine sympathische Art hat er es definitiv geschafft, mich noch mehr zu beeindrucken. „Wo wollen wir als nächstes hin?“ „Mir ganz egal“, antwortete ich selig und schwebte den anderen hinterher.
Foto: Buchstaplerin Maike
sweet 😉 wie ein teenager.
Haha! Ich finde an diesem Artikel schön, dass er aufzeigt, wie man sich fühlen kann – unabhängig davon, ob man als „Presse“ oder „privat“ unterwegs ist. Ich denke, dass auch Profis hibbelig und aufgeregt sein können und das nur nicht zeigen, weil sie professionell erscheinen wollen. Vielleicht steckt ja in jedem von uns noch ein Teenager! 🙂
klar, ich habe auch so meine favoriten… und ich würde tot umfallen, wenn ich ihnen begegnete. bei umberto ecco zum beispiel konnte ich jemanden vorschicken und so tun, als ob nicht ich ein autogramm von ihm haben wollte. dabei war es mein buch, das er signierte 😉