Über geplatzte Träume: „Verheißung“

von | 15.04.2025 | Belletristik, Buchpranger

Die Verheißung vom Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten lockt Patsy in Nicole Dennis-Benns Roman „Verheißung“ nach Amerika. Als die junge Jamaikanerin endlich ein Visum für die Einreise in die USA erhält, lässt sie nicht nur ihre Mutter, sondern vor allem ihre fünfjährige Tochter zurück. – Von Satzhüterin Pia

Patsys Freundin Cicely ist bereits länger in den Staaten, schreibt verheißungsvolle Briefe an ihre Freundin und als Patsy das lang ersehnte Visum endlich erhält, folgt sie Cicely und reist nach New York – allein. Ihre fünfjährige Tochter lässt sie bei deren Vater und dessen Familie. Offiziell ist es ein Besuchervisum, aber Patsy hat nicht vor, jemals zurückzukehren, auch wenn sie das kaum sich selbst einzugestehen wagt. Sie träumt von einem neuen Leben, möchte ihrer Familie Geld und Geschenke schicken – in Brooklyn jedoch muss sie feststellen, dass das Leben einer illegalen Einwanderin nicht so einfach ist. Desillusioniert und voller Scham bricht sie den Kontakt nach Hause ab.

Über Perspektivlosigkeit …

Der Roman springt von Patsys Sicht immer wieder auch zu ihrer Tochter Tru, zeigt, wie sie hadert, vermisst, und unter dem Weggang ihrer Mutter leidet. Patsys Wunsch nach Freiheit, Veränderung und einem anderen Leben wird durchaus nachvollziehbar geschildert, besonders gegen Ende des Romans erfahren Leserinnen und Leser mehr über ihre Hintergründe und Beweggründe, was – wenn auch sehr spät im Verlauf des Buches – ein gewisses Verständnis für ihre Handlungen weckt. Aber gleichzeitig ist es kaum auszuhalten, wie sie sich gegenüber ihrer Tochter verhält, wie diese leiden muss. Über lange Strecken des fast 600 Seiten umfassenden Romans sind beide Perspektiven ehrlich gesagt einfach nur deprimierend.

… und Selbstfindung.

Trus Geschichte ist noch viel komplexer als Anfangs erwartet, was dem Roman viel Tiefe verleiht. Sie sucht nach Antworten, hofft und gibt schließlich auf zu hoffen. Jahre vergehen und sie hadert mit ihrem Leben, mit sich selbst und ihrem sich verändernden Körper.

Die Verdrängungstaktik, die sowohl Mutter als auch Tochter anzuwenden scheinen, lässt die Geschichte oft distanziert wirken. So richtig vermag es die Handlung nicht, mitzureißen, vielleicht auch, weil die Sympathien sich in Grenzen halten. Viel wird angerissen, aber nicht auserzählt, dann wieder geht es vor allem um sexuelle Orientierungen und den eigenen Platz in der Gesellschaft.

(Enttäuschte) Hoffnungen, Selbstfindung und Einsamkeit bestimmen über den Großteil des Romans das Geschehen. Das Ende ist vergleichsweise versöhnlich, hier will ich nicht zu viel vorgreifen, aber im Vergleich zu der doch eher zähen, perspektivlosen und deprimierenden Erzählung, wirkt der Rest eher gehetzt. Ein paar Seiten weniger hätten der eher langatmigen und langsamen Erzählungen hinsichtlich des Stimmungsaufbaus sicherlich nicht geschadet.

Es geht in „Verheißung“ um geplatzte Träume, niederschmetternde Schicksale und mühselige Neuanfänge, Erwartungen und Hoffnungen, die enttäuscht werden, schmerzhafte und geradezu zerstörerische Versprechungen, die nicht eingehalten werden. Insgesamt hat mich das Buch etwas ratlos zurückgelassen: Ich bin Mama einer Fünfjährigen, was Vieles für mich schwer ertragbar gemacht hat. Gleichzeitig habe ich das Buch nie abbrechen wollen, weil mich trotz allen Widrigkeiten das Schicksal von Patsy und Tru nicht losgelassen hat, ich wollte wissen, ob es ein Happy End für die Beiden gibt. Ich habe das Buch bereits vor drei Wochen beendet und die Geschichte hallt immer noch nach.

Verheißung. Nicole Dennis-Benn. Übersetzung: Eva Bonné. Btb. 2024.

Pia Zarsteck

Pia Zarsteck

Pias Liebe zur Literatur hat sie vor Jahren an die Uni Bremen geführt, wo sie bis zum Masterabschluss Germanistik studierte. Heute ist sie Vorsitzende im Bücherstadt e.V., Mama einer Vierjährigen und beruflich ganz woanders unterwegs - aber immer noch vernarrt in Bücher und Spiele. Ein Leben ohne die Bücherstadt kann sie sich nicht vorstellen.

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