In Ellen Forneys Graphic Novel „Meine Tassen im Schrank“ setzt sich die amerikanische Künstlerin voller Witz und Ehrlichkeit mit ihrer manischen Depression auseinander.
Ende der 90er: Comiczeichnerin Ellen Forney erhält die Diagnose, dass sie manisch-depressiv ist. Das rüttelt einiges in ihr wach: Wie viel ihrer Persönlichkeit ist wirklich einzigartig, wie viel nur Nebenerscheinung der Krankheit? Wie werden die Therapie und die Medikamente sich auf ihre kreative Arbeit auswirken? Und: Entspricht sie jetzt dem legendären Typus des verrückten Künstlers? Immerhin sagt man die bipolare Störung auch Michelangelo, van Gogh, Virginia Woolf und so vielen anderen ihrer Vorbilder nach…
„Meine Tassen im Schrank“ ist eine dynamische Mischung aus Tagebuch, Erzählung und Information. Innerhalb kürzester Zeit springen die Passagen von makaber-komischen Gesprächen mit der Therapeutin zu Ellens ehrlich wiedergegebenen Erinnerungen an ihre manischen und depressiven Phasen. Sehr assoziativ werden die folgenden Jahre nachgezeichnet, wie Ellen mit der Krankheit lebt, wie sie mit der richtigen Dosierung der Medikamente kämpft und wie all das ihr Denken, ihre Arbeit, Familie und Beziehungen beeinträchtigt. Man fühlt sich der Ellen im Buch sofort verbunden. Mein besonderes Highlight ist, wie der Mythos des „leidenden Künstlers“ verhandelt wird.
Die Zeichnungen sind fast ausschließlich in schwarz-weiß gehalten und wirken durch ihre einfachen Linien klar und reduziert, ohne an Detailreichtum und Ausdrucksstärke einzubüßen. Wie die Erzählung schwankt auch die Darstellung zwischen typischen Comic-Panels und kreativen Collagen sowie Schaubildern, die alles rund um die Diagnose erläutern. Spielerisch lernt man dabei etwas über bipolare Störung und die Künstler und Künstlerinnen, die Ellen vorangegangen sind. Ab und zu werden Originalzeichnungen eingestreut, die die Gefühlsebene der Künstlerin aufleben lassen.
Nicht umsonst trägt die Graphic Novel den Untertitel „gezeichnete Memoiren“ – Ellen Forney legt ein Buch vor, das sich zwischen Autobiographie und Ratgeber bewegt. Es vermittelt trotz der Thematik eine erfrischende Leichtigkeit mit einem harmonischen Fazit.
Gerade in Zeiten, in denen in den Medien die Sensibilität für psychische Krankheiten gestärkt wird, ist es ein interessanter Titel auf dem Buchmarkt. Auch wenn der Titel etwas irreführend ist, da explizit das Leben mit bipolarer Störung und nicht nur mit Depressionen verhandelt wird, ist die Graphic Novel unbedingt einen Blick wert. Sie ist mehr als ein Ratgeber für Betroffene. Kein Leitfaden, keine klassische Narration – sondern einfach ein intimer, tragikomischer Einblick in das Leben einer Künstlerin.
Meine Tassen im Schrank. Depressionen, Michelangelo & Ich; Ellen Forney, Johanna Wais (Übersetzterin), Egmont Graphic Novel, 2014
klingt fein! selbst eine künstlerin: manisch-depressiv bin ich nicht, aber etwas verrückt schon… irgendwo, irgendwie!
Nicht jeder, der Kunst macht, muss auch verrückt sein. Aber ein gewisser einzigartiger Blick auf die Welt kann bestimmt nicht schaden. Hoffentlich konnten wir dich mit der Rezension ein bisschen inspirieren. (Maike)