Eine junge Frau ist durstig nach Erfolg in einer selbstverliebt-intellektuellen Welt von Kunstschaffenden und menschlichen Abgründen. In „Nichts in den Pflanzen“ wird ein zynischer Blick auf die sagenumwobene Kulturmetropole Berlin und ihre Bewohner*innen geworfen. Die Autorin Nora Haddada widmet sich in ihrem Debütroman genau diesem märchenhaften Lebensraum und bringt ihn bereits innerhalb der ersten Seiten ins Wanken. Bücherstädterin Andrea hat sich auf diese Desillusionierung durch dicht erzählte 240 Seiten eingelassen.
Zwischen Selbstzerstörung und Größenwahn
Eine Drehbuchautorin namens Leila kämpft sich mehr schlecht als recht durch ihre Schreibroutine. Trotz der richtigen Kontakte und eines vielversprechenden Auftrags, ist sie gefangen zwischen Selbstzweifel und Selbstüberschätzung, wovon sie in Alkohol und langen Nächten verzweifelt Ablenkung sucht. Durch die Beziehungen zu den Männern in ihrem Leben bringt sie sich oft in moralische Schieflagen, die eng mit ihrer kreativen Ideenfindung verknüpft zu sein scheinen. Der Roman gleicht einem Wettlauf gegen die Zeit vor dem Hintergrund einer immer näher rückenden Deadline – und bekommt dadurch eine beklemmende Atmosphäre.
Ein zynischer Stil und eine abgebrühte Persönlichkeit
Leilas Geschichte wird aus der Ich-Perspektive erzählt und wechselt zwischen zwei Zeitsträngen – der Gegenwart und der Vergangenheit –, was zunächst nur durch den Wechsel in die Vergangenheitsform deutlich wird. Dies kann anfangs etwas verwirrend wirken, da die beiden Perspektiven nicht weiter als ein Jahr auseinander zu liegen scheinen. Im Laufe der Erzählung ergibt sich jedoch ein schlüssiges Gesamtbild aus Verzweiflungstaten und Momenten der Realitätsverzerrung. Genau darin liegt eine der großen Stärken Haddads: So nahe wir auch an Leila durch die Erzählweise aus der Ich-Perspektive herantreten können, lassen ihre paranoiden Gedankengänge immer wieder die Möglichkeit zu einer Interpretation der Hauptfigur als eine unzuverlässige Erzählerin offen. Der zynische Schreibstil passt zu Leilas scharfzüngiger Persönlichkeit und lässt so eine Vielzahl cleverer Dialoge und absurder Szenerien entstehen.
Es ist vor allem der zynische Blick auf diese Welt der – wie Leila es ausdrücken würde – „Möchtegern Kulturschaffenden und tatsächlich Kulturschaffenden“, der den Roman ausmacht. Die Hauptfigur schreckt nicht davor zurück, ihre reißerische Perspektive auch auf sich selbst zu richten und kann dadurch auch mit Selbstreflexion überzeugen. Vor allem wirft das Buch jedoch den Blick auf eine junge Frau, die sich in dieser Welt selbst so unter Druck setzt, dass sie vor moralischen Irrwegen nicht bewahrt bleibt. So unbeliebt sie sich dabei bei dem/der Leser*in auch macht, hält sie einem vielleicht auch den eigenen Spiegel vor und wirft einen höhnenden Blick hinter die Kulissen einer glamourösen Welt, der sich aufgrund vieler clever konstruierter Wortwechsel und einer furchtlosen Darbietung der eigenen Abgründe, wirklich lohnt.
Nichts in den Pflanzen. Nora Haddada. Ecco Verlag. 2023.
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