„Hinter dem Schnee“ und „Der erste Schnee“ haben nicht nur den Schnee im Titel als Gemeinsamkeit. Es geht in beiden Bilderbüchern um das Hoffen und Warten, um Gefühle – und auch Schwalben kommen vor. Worteweberin Annika und Zeichensetzerin Alexa sind begeistert.
„Hinter dem Schnee“
Die Schwalbe Gloria ist anders als alle anderen Schwalben: Dieses Jahr fliegt sie im Dezember gegen den Strom, in den Norden. Denn Gloria interessiert sich für das Leben der Menschen: „Hinter dem Schnee wartet jemand auf mich“, glaubt sie. Gleichzeitig ist Freddy d’Angelo im ersten Schnee des Jahres mit einem Lastwagen voller Eiscreme von Genua nach London unterwegs. Seit 100 Tagen hat er mit niemandem mehr gesprochen. Jetzt kreuzt er nicht nur Glorias Weg, auch eine dritte Figur taucht auf: „Leben, die sich kreuzten und einander ganz in seiner Nähe berührten. Ein Ereignis.“
In „Hinter dem Schnee“ geht es um Gemeinschaft, Solidarität und das Schicksal. Timothée de Fombelle erzählt eine Weihnachtsgeschichte, in der zwei Männer am Ende zu Chorgesängen Dosenravioli löffeln – ungewöhnlich zwar, doch diese Geschichte berührt und lässt ein sehr weihnachtliches Gefühl aufkommen. Die Illustrationen in diesem Bilderbuch für Erwachsene stammen von Thomas Campi. Dadurch, dass sie recht flächig gearbeitet sind, fangen sie eher Stimmungen als Details ein und lassen Raum für die Emotionen der Leser*innen. Dennoch vermitteln sie in der Gegenüberstellung zum Text eine gute Vorstellung der Figuren. „Hinter dem Schnee“ ist ein schönes (Geschenk-)Buch für die Einstimmung auf Weihnachten, ohne Kitsch und mit viel Gefühl. (wa)
Hinter dem Schnee. Text: Timothée de Fombelle. Illustrationen: Thomas Campi. Übersetzung: Tobias Scheffel und Sabine Grebing. Gerstenberg Verlag. 2022.
„Der erste Schnee“
„Der erste Schnee“ von Elham Asadi und Sylvie Bello erscheint in seinem großen Format und der fast durchgehend doppelseitigen Illustrationen besonders. Wie Kunstwerke wirken die Bilder, die in vielen Farben, detailreich mit Bunt- und Wachsmalfarben gestaltet sind. Die Motive im Vorder- und Hintergrund vermischen sich, übertreten räumliche Grenzen, erscheinen auf mehreren grafischen Ebenen, sodass man sich fragt: Wo ist der Anfang, wo das Ende? Eine Frage, die sich im Inhalt widerspiegelt, denn in diesem kunstvoll gestalteten Bilderbuch geht es um den ersten Schnee und den Wechsel der Jahreszeiten.
Die Rahmenhandlung beginnt mit der Beschreibung, wie die Ich-Erzählerin zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee entdeckt: „Tausende Flocken, groß wie meine Fäuste, fielen vom Himmel. Ich öffnete den Mund. Ich fing eine, dann noch eine: Ich jagte ihnen hinterher. Sie waren nicht süß, wie ich es erwartet hatte, aber das störte mich nicht.“
Daraufhin erzählt ihr die Großmutter ein Märchen, in dem es um eine Frau namens Naneh Sarma geht, die weit über den Wolken lebt und Staub wischt, den die Menschen als Schnee bezeichnen. Naneh Sarma wartet auf Nouruz, von dem sie schon so viel gehört hat. Wärme und Licht soll er im März bringen und dieses Mal will sie ihm unbedingt begegnen. In schönen sprachlichen Bildern wird beschrieben, wie sie auf Nouruz wartet, an ihn denkt, seine Nähe herbeisehnt. „Bald entdeckte sie in der Ferne eine Schwalbe. Bald waren es ihrer tausend. Und die tausend und eine fingen an zu zwitschern. So hörte Naneh Sarma die Musik des Frühlings, schloss die Augen und kuschelte sich ermattet zusammen. Sie fiel in einen tiefen Schlaf. Und träumte natürlich von Nouruz.“
„Der erste Schnee“ ist ein vielschichtiges Buch mit philosophischen Gedanken, die sich um die Frage drehen, was es bedeutet, Hoffnung auf ein anderes Ende zu haben. Voller Liebe und Sehnsucht und Zartheit – in Text und Bild. Ein Gesamtkunstwerk, das in seiner teils ungreifbaren, abstrakten Form eher ältere Leser*innen begeistern wird. (za)
Der erste Schnee. Text: Elham Asadi. Illustration: Sylvie Bello. Aus dem Italienischen von Ulrike Schimming. Bohem. 2022.
Ein Beitrag zum #litadvent.
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