10 Fragen an das Nornennetz

von | 29.06.2021 | #BKtastisch, 10 Fragen an ..., Buchpranger, Specials, Stadtgespräch

„Schwerpunkt der Netzwerksarbeit ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Fantastik zu erhöhen und ihre Forderungen nach gleichen Chancen bei Verlagen sowie gerechter Vergütung zu unterstützen.“

Anlässlich des Phantastik-Specials #BKtastisch hat der Bücherstadt Kurier dem Nornennetz 10 Fragen gestellt. Claudi Feldhaus stellt das Nornennetz vor, spricht über Fantastik und verrät, was in Zukunft geplant ist.

1. Was ist das Nornennetz?

Das Nornennetz ist ein Netzwerk deutschsprachiger Fantastik-Autor:innen und besteht seit 2017. Schwerpunkt der Netzwerksarbeit ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Fantastik zu erhöhen und ihre Forderungen nach gleichen Chancen bei Verlagen sowie gerechter Vergütung zu unterstützen. Durch gegenseitige Hilfestellung, kreative Einzelprojekte und Präsenz in den sozialen Medien und auf Buchmessen machen wir auf diese Anliegen aufmerksam.

In anderen Worten: Wir sind weibliche und nicht-binäre Schreibende aus dem deutschsprachigen Raum und aus aller Welt, die ihre fantastischen Werke vornehmlich in deutscher Sprache verfassen. Unser Sinnspruch dazu ist: Die Nornen, Schicksalsfrauen der Edda, lenkten nach der Vorstellung der nordischen Mythologie die Geschicke der Götter und der Menschen. Genauso lenken Autor:innen die Figuren ihrer Welten.

2. Wie kann man sich eure Arbeit vorstellen? Was macht ihr konkret, um eure Ziele zu erreichen?

Wir sind auf Messen (online und im realen Leben) präsent, organisieren uns für Aktionen, wie zum Beispiel die literarische Weltreise oder den Nornenschuber, in denen wir gezielt auf Fantastik und die Geschichte schreibender Frauen (und künftig noch weiteren marginalisierten Personen) aufmerksam machen und unterstützen uns gegenseitig moralisch und mit dem ein oder anderen Tipp zum Schreiben. Natürlich ist auch die Arbeit in den Sozialen Netzwerken ein wichtiger Punkt und so können unsere Beiträge auf Twitter, Facebook, Instagram und YouTube gefunden werden.

3. Was bedeutet für euch „Fantastik“?

Fantastik bedeutet uns alles! Als wir mit unserer Aktion zu Subgenres anfingen, erklärten wir, warum wir uns der Fantastik und nicht „nur“ der Fantasy widmen:

„[W]ieso Fantastik und nicht Fantasy? Die Erklärung ist recht einfach. Fantasy ist nicht so umfassend wie Fantastik. Sie bildet nur einen kleinen Teil dessen ab, was fantastische Literatur ausmacht. Punk und Science Fiction fallen bei Fantasy zum Beispiel raus. Die Fantasy ist genau genommen eine Unterkategorie der Fantastik. Wir aber schreiben in den verschiedenen Subgenres der Fantastik und dementsprechend ist auch das Nornennetz nicht auf Fantasy beschränkt.”

In der Fantastik können wir so innovativ sein, wie in keinem anderen Genre. Wir können die Geschichte der Welt neu schreiben, so nie dagewesene Gesellschaften leben. Wir können zaubern, fliegen und neu erfinden – eben Grenzen verlassen, die gesellschaftliche Normen und Naturgesetze uns auferlegen. Das kann erholsam sein und ermutigend. Und meistens einfach sehr spaßig. Eine Vorstellung der Aktion konntet ihr davon auch schon im Gastbeitrag von Norne Anne Zandt hier lesen.

4. In Deutschland wurde bisher hauptsächlich Fantastik von männlichen Autoren veröffentlicht. Inwieweit ist eine Veränderung bemerkbar?

Es ist leider in fast allen Genres und allen Medien so, dass vornehmlich männliche Arbeit sichtbar ist. Vor allem wenn wir uns in der sogenannten Mainstream-Bubble bewegen, das heißt, in Räumen, die von großen Verlagen für die breite Masse zugänglich gemacht werden. Sobald wir nur ein bisschen von diesem Pfad abrücken, finden wir sehr schnell die weiblichen, queeren oder unabhängigen Stimmen. In den letzten Jahren wurde es auch immer einfacher, die eigenen Bücher im Selfpublishing zu veröffentlichen, was vornehmlich Schreibende wie wir nutzen, die eben nicht für die breite, oft sehr konservative Masse schreiben. Kleinere Verlage sehen offenbar schon länger dieses Potenzial und so lassen sich dort innovativere Ideen verbreiten. Als Beispiele kann ich da den OhneOhren Verlag oder den Alea Libris Verlag empfehlen.

Ich habe auch das Gefühl, dass die großen Verlage langsam mitbekommen, dass ein anderer Wind weht und sich auch mal trauen, neue Stimmen aus den eigenen Landen zuzulassen, als immer nur das zu reproduzieren, was gerade in den USA oder England läuft. Dass Autorinnen wie Jenny-Mai Nuyen oder nun auch unsere Norne Nora Bendzko in großen Verlagen veröffentlichen, sind gute Zeichen. Also: Die Mühlen mahlen auch hier langsam, aber eine Veränderung ist sicher erkennbar, denn Lesende interessieren sich immer mehr für Stimmen, die nicht weiß und männlich sind.

5. Auf eurer Website werden die aktuellen Fantastik-Werke der Nornennetz-Mitglieder präsentiert. Inwiefern werden diese beim Prozess des Schreibens bis hin zur Veröffentlichung begleitet und unterstützt?

Oft entstehen durch die Nornenschaft enge Zusammenarbeiten und Freundschaften. Neben „alten Häsinnen“ finden sich auch absolute Schreibbeginnende im Nornennetz, die erst einmal eine Orientierung finden, die ein oder andere Inspiration, bevor sie die Angst vorm weißen Blatt ablegen. Wir haben auf unserem Discord-Server verschiedene Räume, von einem reinen Chat-Kanal, wo wir einfach alles besprechen, herumblödeln oder gegenseitig aufbauen, über Kanäle, in denen wir unsere Plotideen präsentieren oder einen Titel finden. Wir lesen gegenseitig Korrektur oder beraten einander, wenn wir an einer Textstelle nicht weiterkommen. Oftmals ist es auch so, dass wir einander aus einem Loch der Selbstzweifel herausholen müssen oder uns gegenseitig vom Prokrastinieren abhalten. Das sind ja alles sehr individuelle Prozesse, doch nach ein paar Wochen im Nornennetz merkt jemensch schließlich, ob das Geschwister eher Zuckerbrot oder Peitsche braucht, um am Buch weiterzuarbeiten.

Zusätzlich dazu bieten wir mit unseren Messeauftritten Neulingen die Chance, sich in die wuselige Welt der Messen mit Unterstützung einzuarbeiten oder sich auch mal an einem Talk über verschiedene Themen (wie zum Beispiel auf der Leipziger Buchmesse 2019, der aus einem weiteren Gastbeitrag unserer Norne Anne Zandt für den Bücherstadt Kurier entstand) zu beteiligen oder sich an einer Lesung oder einem Q&A zu versuchen.

6. Drei Fantastik-Tipps für unsere Leser:innen: Welche Bücher möchtest du anderen ans Herz legen?

Ich lege euch unsere Liste der deutschsprachigen Fantastik-Autorinnen ans Herz. Lest einfach alle Bücher, die darauf zu finden sind – dann könnt ihr wirklich behaupten, ihr kennt das Genre! Und es sind dezent mehr als drei Bücher, ihr habt also auch ein bisschen länger was davon. Wir haben auch eine eigene Liste mit den Werken unserer Nornen. Da wir recht bunt durchmischt sind, wäre es ein guter Anfang, mit diesen Büchern anzufangen, um das Genre kennenzulernen, wenn euch der Wulst an fantastischer Literatur deutschsprachiger Autorinnen doch zu viel auf einmal ist.

7. Was wünscht ihr euch für die Zukunft des Nornennetzes? Sind in nächster Zeit Aktionen beziehungsweise Projekte geplant?

Gerade hatten wir sehr große Projekte, zum Beispiel unseren 4. Geburtstag als Online-Messe. Quasi nebenbei läuft der Nornenschuber, der sich auf fantastische Werke konzentriert. Die nächste literarische Weltreise soll sich auch nun um fantastische Werke rund um den Globus drehen, die startet aber erst wieder am 19. Januar, dem Jahrestag des deutschen Frauenwahlrechts. Außerdem stellen wir auf Youtube Subgenre-Videos vor. Da gibt es schon einiges zu gucken und zu lernen. Und wenn wir schon auf Youtube sind: Schaut in unsere Writers on Writers Reihe, Nornen interviewen sich gegenseitig, wie zum Beispiel Jana Jeworreck und Roxane Bicker.

Die Zukunft ist noch etwas loser definiert. Wir wollen weiterhin großartige Autor:innen in interessanten Projekten vorstellen und sie in das Licht rücken, das sie verdienen. In diesem Rahmen wollen wir auch mehr auf Diversität achten und uns überdies eine sensible Sprache aneignen, von der sich möglichst viele Leute angesprochen fühlen. Es ist ein Prozess und wir haben noch einiges zu lernen.

Es bleibt außerdem spannend, wie es mit den Präsenz-Buchmessen weitergeht. Die BuchBerlin und die Leipziger Buchmesse fehlen uns sehr! Online werden wir auf der ein oder anderen Veranstaltung bestimmt auch wieder dabei sein.

8. Wer kann beim Nornennetz mitmachen?

Alle schreibenden Frauen der deutschen Fantastik sind bei uns herzlich willkommen. Dazu möchten wir sagen, dass trans Frauen Frauen sind und sehr gerne Norne werden können. Bei uns sind ebenso inter* und nicht binäre Personen willkommen, einfach alle, die sich unter dem Schirm eines Autorinnennetzwerkes wohlfühlen und sich mit dem Begriff Norne identifizieren können. Unser Bewerbungsformular findet ihr hier.

9. Zum Abschluss zwei bücherstädtische Fragen, denen sich alle stellen müssen: Wenn du ein Buch wärst, welches wärst du?

Ein Buch, in dem die Prinzessin nicht auf den Ritter wartet und den Drachen nicht erschlägt, sondern zähmt und auf ihm durch die Welt fliegt.

10. Welche Frage hast du dir schon immer in einem Interview gewünscht? Und wie wäre deine Antwort auf deine Frage?

Die Frage, ob ich gut geschlafen habe. Und ja, danke, ich habe gut geschlafen.

[tds_note]Ein Beitrag zum Special #BKtastisch. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]
Bild: Elenor Avelle, Esther Wagner
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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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