Alltagsedelstein: „Maud Martha“

von | 14.11.2023 | #OwnVoicesBK, Belletristik, Buchpranger

Der kurze Roman „Maud Martha“ von Gwendolyn Brooks ist ein wahrer Schatz. Darin erzählt die Autorin autofiktional von einer Schwarzen Frau und ihren jungen Ehejahren. Worteweberin Annika war ab der ersten Seite verzaubert.

Als ich gelesen habe, dass der wunderbare Daniel Schreiber das Nachwort zu dieser Wiederentdeckung verfasst hat und die begeisterten Stimmen von Autor*innen wie Bernadine Evaristo gelesen hatte, war mein Interesse an „Maud Martha“ direkt geweckt. 1953 erschien der einzige Roman der ansonsten als Lyrikerin durchaus erfolgreichen, nämlich als erste Schwarze Autorin mit dem Pulitzer Preis ausgezeichneten, Schriftstellerin Gwendolyn Brooks.

Träume & Schäume

Der Text erzählt in autofiktionalen Miniaturen aus dem Leben einer jungen Schwarzen Frau. Mit achtzehn ist sie voller Hoffnung, sich bewusst, zwar gewöhnlich zu sein, dass aber doch etwas Besonderes in ihr schlummert.

„Sie war achtzehn Jahre, und die Welt erwartete sie. Um sie in die Arme zu schließen.“

(S. 44)

Kurze Zeit später trifft die Protagonistin einen Mann, der sie „trotz ihrer Hautfarbe“ heiraten will und mit dem sie sich eine Zukunft in den schillerndsten Farben ausmalt. Stattdessen landet sie in einer nicht allzu glücklichen Ehe, in einer kleinen, schäbigen Kitchenette. Bald zeigt sich, dass Pauls große Pläne nicht aufgehen werden und dass das Ehepaar diese Kitchenette, eine kleine, möblierte Wohnung mit Einbauküche, auch nicht verlassen wird – trotz der Kakerlaken, trotz der Enge.

Rassismuserfahrungen

Neben dieser Enttäuschung ist es vor allem der Rassismus, der Maud Martha begegnet: wenn der Kaufhausweihnachtsmann die kleine Tochter ignoriert zum Beispiel, im Friseursalon das N-Wort fällt oder die Elite an der Universität die kluge Maud Martha von oben herab belächelt, weil sie Schwarz ist und niemals dazugehören könnte. Diese Erlebnisse gehen nahe, machen betroffen. Die Figur Maud Martha setzt ihren Erfahrungen Gleichmut und Würde entgegen.

„Sie mochte Schokolinsen und Bücher und gemalte Musik (tiefblau und zartsilbern) und den sich wandelnden Abendhimmel, von den Stufen der Veranda aus betrachtet. Und Löwenzahn. (…) Gelbe Alltagsedelsteine, mit denen das geflickte grüne Kleid ihres Hinterhofs verziert war.“

(S. 7)

Gwendolyn Brooks erzählt kunstvoll von einem Leben, das exemplarisch für die Geschichten vieler Schwarzer Frauen stehen kann. Wie der Löwenzahn ist dieser Roman ein Alltagsedelstein, birgt das Besondere im Alltäglichen. Das Nachwort von Daniel Schreiber ist eine hilfreiche Ergänzung und Einordnung und stellt die bei uns noch unbekannte Autorin ins Zentrum. „Maud Martha“ berührt und macht Lust darauf, auch die Lyrik von Gwendolyn Brooks zu entdecken, die bisher noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde.

Maud Martha. Gwendolyn Brooks. Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Ott. Mit einem Nachwort von Daniel Schreiber. Manesse Verlag. 2023.

Annika Depping

Annika Depping

Als Chefredakteurin versucht Annika in der Bücherstadt den Überblick zu behalten, was mit der Nase zwischen zwei Buchdeckeln, zwei Kindern um die Füße und dem wuchernden Grün des Kleingartens im Nacken nicht immer einfach ist. Außerhalb der Bücherstadt ist Annika am Literaturhaus Bremen mit verschiedenen Projekten ebenfalls in der Welt der Geschichten unterwegs.

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