Cyberkriminalität – Ein Fall für Sektion 9 (Teil 2)

von | 05.03.2020 | Filme, Filmtheater, Serien

„Ghost in the Shell“ von Mangaka Masamune Shirow wurde mehrfach als Film sowie als Serie umgesetzt. Während Geschichtenzeichnerin Celina im ersten Teil auf die grundlegende Geschichte und die Manga eingegangen ist, stellt sie im folgenden zweiten Teil die filmischen Adaptionen vor.

Mamoru Oshiis Anime-Adaptionen

Die Filme von Regisseur Oshii zeichnet besonders die Ruhe aus, mit der sie erzählt werden. Jene Ruhe erleichtert es, die detailreichen Bilder zu verinnerlichen und gibt in ihren langanhaltenden Straßenszenen einen Einblick in den Alltag in der japanischen Stadt. Zudem erzeugen die atemberaubenden Atmosphären, welche durch den Zusammenklang von beeindruckenden Bildern und Soundtrack entstehen, ein Gänsehaut-Erlebnis. Die atemberaubende Musik ist von Komponist Kenji Kawai geschrieben worden. Hier spielt ein ganzes Orchester und teils singen mehrere Frauen auf Japanisch. Am besten hört ihr hier selbst mal rein. Die Animes erscheinen ernsthafter als die Manga, da es keine cartoonhaften Darstellungen gibt und auch die Gespräche der Figuren kaum bis gar keinen Humor beinhalten.

Der erste Anime setzt den Fokus mehr auf Motoko und die Geschichte rund um den Puppetmaster. In Motoko kommen immer mehr philosophische Fragen auf, wie etwa „Wer bin ich?“, „Was macht einen Menschen zum Menschen?“ und „Ist auch ein Cyborg menschlich?“. Bei diesem innerlichen Konflikt Motokos werden die Zuschauenden mitgenommen, da dieser in Bildern und Worten dargestellt wird. Daher wird hier die Darstellung der leichtbekleideten Motoko aufgegriffen, da sie ihren Körper mehr als Hülle betrachtet.

„Ghost in the Shell 2: Innocence“ ist an das Noir-Genre angelehnt. Zwar ist es weiterhin ein Science-Fiction-Film, der allerdings typisch für Noir eine Low-Key-Beleuchtung aufweist, also dunkele und düster gehaltene Bilder, in denen das Spiel zwischen Licht und Schatten prägnant hervorsticht. Auch schräge Kameraperspektiven, extreme Unter- oder Aufsichten und Aufnahmen von Personen in Spiegelungen sind im Stil des Noir. Dieser Anime wird ebenfalls langsam erzählt. Teilweise werden einzelne Frames so gesetzt, dass sie wie ein Standbild erscheinen. Auffällig ist ebenso, dass das CGI weiter ausgereift ist. Daher wirken die Hintergründe realistischer. Die gezeichneten Figuren heben sich somit von der Umgebung ab.

In diesem Film sind Batou und Togusa die Protagonisten, die eine Mordserie lösen wollen. Hier zeigt sich, dass der Anime vom Manga „Ghost in the Shell 1.5“ inspiriert wurde, welcher von der Zeit ohne den Major berichtet. Allerdings stehen nur Batou und Togusa im Mittelpunkt, während es im Manga die ganze Sektion 9 ist. Außergewöhnlich ist, dass eine Vielzahl an philosophischen Zitaten verwendet wird und generell ein recht komplizierter Fall vermittelt wird, was eine hohe Konzentration des Publikums einfordert. Ebenso ist die Frage nach der Grenze zwischen Mensch und Maschine wieder präsent.

Kenji Kamiyamas Serie und Anime

In der Serie und dem Anime von Regisseur Kamiyama wird eine sozial- und gesellschaftskritische Perspektive eingenommen. Es werden politische Machtintrigen und (Cyber)-Kriminalität in der Sektion 9 ermittelt. In der ersten Staffel „Ghost in the Shell: Stand Alone Complex“ gibt es einen Villain-of-the-week, also ein Fall pro Woche beziehungsweise Folge. Nur der Fall des lachenden Mannes erstreckt sich über mehrere Folgen. Durch die zweite Staffel „Ghost in the Shell: S.A.C. 2nd GIG“, die zwei Jahre später spielt, zieht sich die Thematik Flüchtlinge als roter Faden hindurch. Aus heutiger Sicht erscheint diese zweite Staffel aus dem Jahr 2004 aktueller und vorausschauender denn je.

Der Anime „Ghost in the Shell: S.A.C. Solid State Society“ von 2006 schließt an die Serie an, allerdings setzt auch hier die Handlung zwei Jahre später ein. Irritierend ist anfangs, dass die deutsche Synchronisation anders ist als in allen vorherigen Adaptionen. Die Sektion 9 steht wieder im Vordergrund und die Charaktere haben sich weiterentwickelt. So ist beispielsweise Togusa nun Gruppenleiter, nachdem der Major die Gruppe verlassen hat. Im Film wird ein Fall von Kindesentführung behandelt.

In Kamiyamas Darstellung wirkt Motoko – vor allem in der Serie – unerfahrener als in Oshiis Animes und es kristallisiert sich mehr heraus, wie entscheidend das Zusammenwirken innerhalb der Sektion 9 ist. Hinzu fällt auf, wie immer wieder Stand-alone-Komplexe, bei denen mehrere Nachahmungstäter existieren, aufgegriffen werden, sodass der wahre Täter nur schwer zu ermitteln ist.

In der ganzen Serie und dem Anime kommt den Tachikomas, den KI-Panzern, noch ein wichtiger nebendarstellerischer Part zu. Sie bringen etwas Humor mit ein und zeigen nachvollziehbar auf, wie künstliche Intelligenz funktionieren kann.

Filmreihe und Anime von Kazuchika Kise

Der Anime „Ghost in the Shell: The New Movie“ baut auf der Filmreihe „Ghost in the Shell – Arise“ auf, die ich noch nicht gänzlich sehen konnte und deshalb nur auf den Anime eingehe. Generell soll die Vorgeschichte zum ersten Anime von Oshii erzählt werden. Jedoch wirkt diese nicht wie eine düstere Dystopie, sondern heller und bunter.

Da ein ganz neuer Stil verwendet wird, wäre es sinnvoll gewesen, die Filmreihe und den Anime für sich stehen zu lassen, anstatt diese als Vorgeschichte zu verkaufen. Weiterhin ist es teils schwierig, dem Anime zu folgen, da Logiklücken entstehen. Zum Beispiel soll Togusa, der erst kurz vor den Ereignissen des 1995er Films zur Sektion 9 stieß, schon früher dabei gewesen sein.

Geschichtlich wird besonderes auf zwei Themen eingegangen. Einmal auf die Situation, dass vollständige und partielle Cyborgs nicht mehr nachgerüstet werden, sodass diese langsam zerfallen. Dies steht im politischen und sozialgesellschaftlichen Konflikt mit dem Recht auf Lebenserhaltung. Eine weitere Ebene ist Motokos Vorgeschichte. Allerdings leidet hier die Nachvollziehbarkeit durch zu wenig Informationen. Zudem findet auch hier teils eine Neuinterpretation, beispielsweise im Charakterdesign, statt. Das Konzept von Makotos ambivalentem Körpergefühl, das einen großen Teil von Oshiis ersten Film ausmacht, wird hier etwa komplett ignoriert. Insgesamt legt dieser Anime mehr Wert auf Action und somit schnelle und knallige Handlungsabfolgen, mit weitaus mehr Schnitten.

WOW

Oshiis und Kamiyamas Werke sind bildsprachlich und erzählerisch verschieden und dennoch für sich betrachtet beeindruckend. Auch hat „Ghost in the Shell“ von 1995 gemeinsam mit „Akira“ einen Meilenstein im Anime-Genre ebenso wie im Bereich der Science-Fiction gesetzt, damals zu mehr Popularität des Anime beigetragen und ebenso Filme wie „Matrix“ inspiriert. Alle Geschichten aus dem „Ghost in the Shell“-Universum empfehle ich einem erwachsenen Publikum, da der Inhalt dann besser nachzuvollziehen ist. Zurzeit kündigt auch Netflix eine Serie zu „Ghost in the Shell“ an, erneut mit Kamiyama im Regiestuhl. Hier dazu ein Teaser.

Anime:

  • Ghost in the Shell. Regie: Mamoru Oshii. Musik: Kenji Kawai. Production I.G. 1995.
  • Remastering des Films: Ghost in the Shell 2.0. 2008. Studio Nipponart, Deutschland: 2015.
  • Ghost in the Shell 2: Innocence. Regie und Drehbuch: Mamoru Oshii. Musik: Kenji Kawai. Universum Anime. 2004.
  • Ghost in the Shell: S.A.C. Solid State Society. Regie: Kenji Kamiyama. Production I.G. 2006.
  • Ghost in the Shell: The New Movie. Regie: Kazuchika Kise, Kazuya Nomura. Universum Anime. 2017.

Serien:

  • Ghost in the Shell: Stand Alone Complex. Regie: Kenji Kamiyama. Production I.G. 2002.
  • Ghost in the Shell: S.A.C. 2nd GIG. Regie: Kenji Kamiyama. Production I.G. 2004.

[tds_note]Im Uni-Special 2 hat Stadtbesucherin Melissa einen Blick auf die Realverfilmung von „Ghost in the Shell“ geworfen. Den Text findet ihr auf Seite 17.[/tds_note]

Foto: Geschichtenzeichnerin Celina

 

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