Das Dingsda macht sich selbständig

von | 21.02.2022 | Bilderbücher, Buchpranger

Manchmal hätte ich auch gerne so ein „Dingsda“ – eine Erfindung von einem der Protagonisten aus dem Buch „Die verflixte Erfindung“ von Martin Widmark und Emilia Dziubak. Das Dingsda putzt, spült ab, kocht, erledigt alle nervigen Hausarbeiten. Klingt doch cool, oder? Aber es gibt einen Haken. – Von Zeichensetzerin Alexa

Während sich Rüdiger am liebsten in seiner Werkstatt aufhält und Dinge erfindet, kümmert sich sein Bruder Walter um den Haushalt und das Essen. Rüdiger solle mal was erfinden, das ihm bei der Hausarbeit hilft, meint er – und genau das macht Rüdiger dann auch: Er baut ein Dingsda, einen kleinen Roboter, der seine Energie über Solarzellen auflädt. Über Nacht wird Dingsda „lebendig“. Es bekommt nicht nur Arme und Beine, sondern beginnt auch zu sprechen und zunehmend klüger zu werden. Zu klug, finden die Brüder, die sich immer eingeschränkter fühlen. Denn was zunächst ziemlich praktisch wirkt, nimmt bald Überhand: Das Dingsda erledigt absolut alles, sodass Rüdiger nicht einmal mehr Ideen findet, was er noch Praktisches bauen könnte.

Jetzt haben die Brüder nichts mehr zu tun und sind plötzlich genauso unzufrieden wie früher, als sie noch gar keine Hilfe zu Hause hatten. Und es kommt noch schlimmer: Das Dingsda beginnt, die Brüder zu kontrollieren und zu bestimmen, was gut für sie ist. Wie können sie dieses Dingsda wieder loswerden?

„Die verflixte Erfindung“ zeigt in einem märchenhaften Setting eine altbekannte Vorstellung davon, wie sich eine Künstliche Intelligenz verselbständigt und gegen die Interessen ihrer Erfinder handelt. Damit greift das Bilderbuch Sorgen und Befürchtungen auf, die mit dem technischen Fortschritt einhergehen, ohne sie zu relativieren.

Erzählt wird die Geschichte aus einer eher pessimistischen Perspektive, die keine alternativen Lösungsvorschläge anbietet. Es werden dabei klare Positionen dargestellt: Die Menschen sind die Guten, die Maschine ist das Böse. Am Ende gilt es, das Böse zu besiegen. Dass es den Brüdern nicht gelingt, das Dingsda endgültig loszuwerden, mag erwachsenen Leser*innen wie eine Moral erscheinen – bei jüngeren Leser*innen könnte das Angst auslösen.

Hier stellt sich die Frage nach der eigentlichen Zielgruppe. Laut Verlagsangabe richtet sich das Buch an Kinder ab 5 Jahren. Doch weder die Umsetzung noch die Aussage des Buches scheinen mir für dieses Alter angemessen: Dem langen Text fehlt ein lebendiger Schreibstil, die Illustrationen sind etwas zu düster und das Ende zu dystopisch. Durch die fehlende Auflösung des Problems werden Kinder mit dem Gedanken allein gelassen, dass die Künstliche Intelligenz eine Bedrohung für die Menschheit darstellt. Es wäre daher enorm wichtig, die Inhalte des Buches mit den Kindern aufzuarbeiten, Künstliche Intelligenz im Allgemeinen zu thematisieren und dadurch (be-)greifbarer zu machen – und bestenfalls darüber zu philosophieren, wie die Brüder ihr Problem lösen könnten.

„Die verflixte Erfindung“ stellt für mich ohne ein derartiges Gespräch eher ein Bilderbuch für Erwachsene dar. Besonders jene, die Shaun Tans Werke mögen, könnten Gefallen daran finden, dass hier Impulse zum Nach- und Weiterdenken gegeben werden. Auch die Illustrationen von Emilia Dziubak erinnern leicht an Tans Stil, insbesondere den Umgang mit Farbakzenten und -tiefen. Verpasst wird jedoch eine tiefgreifendere Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz, was das Buch zu einem unter vielen Werken macht und deshalb nicht besonders genug ist, um aus der Masse herauszustechen.

Die verflixte Erfindung. Text: Martin Widmark. Illustration: Emilia Dziubak. Übersetzung aus dem Schwedischen: Ole Könnecke. arsEdition. 2021.

Alexa Sprawe

Alexa Sprawe

Alexa ist als Chefredakteurin an den verschiedensten Orten der Bücherstadt anzutreffen, vor allem dort, wo die Redaktionsmitglieder an neuen Ideen tüfteln, ein kritischer Blick auf Texte gefragt ist oder es um Gestaltungsfragen geht. Sie hat Germanistik und Kunst-Medien-Ästhetische Bildung an der Uni Bremen studiert und den Bücherstadt e.V. mitgegründet. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern in Halle an der Saale und ist als freiberufliche Kunst- und Medienpädagogin in unterschiedliche Projekte eingebunden.

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