Die Natur hat immer das letzte Wort

von | 12.09.2019 | Buchpranger, Kinder- und Jugendbücher

Ein verschwundener Vater, Drohnen und ein Wilderer auf der Jagd nach seltenen Tieren – darum geht es in Carl Hiaasens neuem Roman „Schlangenjagd“. Worteweberin Annika war voller Vorfreude und wurde nicht enttäuscht.

Die meisten von uns haben sie wohl: Texte, die unsere Kindheit und Jugend geprägt haben, die wir immer und immer wieder gelesen haben und die unsere Sicht auf die Welt und unseren moralischen Kompass justiert haben. Neben J.K. Rowling mit „Harry Potter“ gehört für mich unbedingt ein amerikanischer Autor in diese Runde: Carl Hiaasen. Seine Umweltkrimis „Eulen“ (2003), „Fette Fische“ (2005) und „Panther“ (2009) habe ich etliche Male gelesen und mit den jungen Heldinnen und Helden mitgefiebert, die im weit entfernten Florida seltene Tierarten und bedrohte Ökosysteme beschützen. Die Nachricht, dass mit „Schlangenjagd“ ein weiterer Umweltkrimi von Carl Hiaasen erscheint, hat mich also verständlicherweise in Aufregung versetzt.

Der Schlangenjunge

Billy lebt mit seiner Mutter und seiner Schwester Belinda in Florida – immer mal woanders, aber stets in direkter Nähe zu einem Adlerhorst, anders kann es sich seine Mutter nicht vorstellen. Durch die ständig wechselnden Schulen hat Billy kaum Freunde, denn das würde sich nicht lohnen, findet er. Einsam ist er trotzdem nicht – in der Natur fühlt Billy sich zu Hause, in Gesellschaft von Schlangen gut aufgehoben. In der aktuellen Schule gilt er deswegen als „Schlangenjunge“, denn vielleicht hat er zu Beginn des Schuljahres einmal eine echte Klapperschlange in seinem Spind versteckt. Vielleicht aber auch nicht.

In den Sommerferien beschließt Billy, zu seinem Vater Dennis nach Montana zu fliegen, den er noch nie gesehen oder auch nur am Telefon gesprochen hat. Das soll sich nun ändern, doch als er unangemeldet vor der Tür steht, ist zwar die neue Familie bestehend aus den Crow-Indianerinnen Lil und Summer zu Hause, nicht aber Dennis. Angeblich ist er mal wieder auf einer geheimen Regierungsmission unterwegs. Wie Billy bald herausfindet beschützt er eigentlich auf eigene Rechnung seltene Tiere wie Grizzlybären oder Panther vor Wilderern. Billy und Summer wollen helfen, doch bald wird es brenzlig, denn der skrupellose Mr. Baxter will sich den nächsten Kick (in Form eines Bären) nicht von Dennis und den Kindern nehmen lassen.

Eulen, Fische, Panther und jetzt Schlangen

Anders als „Eulen“ und „Fette Fische“ sind es in diesem Roman nicht die Kinder selbst, die ein Problem erkennen und aktiv werden, sondern Billys Vater. Die Kinder werden stattdessen zu Helfern und Dennis‘ Rettern, was vielleicht realistischer ist, gleichzeitig jedoch weniger spannend. Der Fokus liegt in „Schlangenjagd“ aber auch stärker auf den Figuren, ihren Entwicklungen und Beziehungen als auf dem Kriminalfall. Das zeigt sich schon daran, dass die titelgebenden Schlangen nichts mit den Wilderern, sondern mit Billys Hobby zu tun haben – dem Fangen von Wildschlagen, die er für einige Wochen im Terrarium hält, um sie zu beobachten und dann wieder frei zu lassen.

Fans von Carl Hiaasen werden trotzdem auf ihre Kosten kommen, denn die Figuren sind interessant und mutig, es geht weiterhin um Umweltthemen und Hiaasens Stil macht einfach Spaß! Mit dem typischen schrägen Humor lässt er Billy seine Geschichte erzählen und dabei unnütze Fakten über Schlangen und Adler aufzählen. Andere Teenagerthemen wie die erste Liebe werden hier nicht breitgetreten, sondern spielen nur am Rande eine Rolle. Billy ist eine gelungene Figur, mutig, mit einem starken Gerechtigkeitssinn, manchmal unvernünftig und liebenswert anders.

Ein Buch der Stunde

„‚Mr. Burnside, ich habe noch nie einen wilden Florida-Panther gesehen und ich würde das eines Tages gerne nachholen. Deshalb habe ich ein ernsthaftes Problem mit dem, was Sie tun.‘“ (S. 179)

Mit dem durch „Fridays for Future“ erstarkten Interesse an Umweltfragen hätten sich Carl Hiaasen und der Verlag wohl keinen besseren Moment für das Erscheinen eines Umweltkrimis wünschen können. Auch wenn es nicht ums Klima, sondern um Tierschutz geht, ist „Schlangenjagd“ ein Buch der Stunde. Ich wünsche mir, dass nicht nur dieser Roman, sondern auch die anderen vier Umweltkrimis von Carl Hiaasen nun wieder ganz viele Leserinnen und Leser finden mögen. Sie haben es sowas von verdient!

Schlangenjagd. Carl Hiaasen. Aus dem amerikanischen Englisch von Kanut Kirches. Beltz & Gelberg. 2019.

 

Bücherstadt Magazin

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