Worteweberin Annika reist gerne ans Meer, physisch – oder in Büchern. Hier stellt sie mit „Rosa“, „Die Taucherin“ und „Hotel Paraíso“ drei Romane vor, mit denen ihr euch an europäische Küstenstreifen lesen könnt.
„Rosa“
Vigga, die Protagonistin in Anne Cathrine Bomanns Roman, treibt meist orientierungslos durch ihr Leben, kann zu anderen Menschen kaum Bindungen aufbauen und findet keine Arbeit, bei der sie länger als ein paar Monate bleibt. Einzig ihre beste Freundin Maiken ist ihr seit der Schulzeit ein Halt. Doch Maiken ist schwanger und die Dynamik zwischen den beiden Frauen gerät aus den Fugen: Vigga hat das Gefühl, dass das gerade entstehende Leben sie aus der Beziehung mit ihrer Freundin drängt.
Zu diesem Zeitpunkt beginnt Vigga einen neuen Job im Aquarium in Kopenhagen und trifft dort auf den Oktopus Rosa. Die beiden ungewöhnlichen Gestalten nähern sich an, entwickeln eine Beziehung. Wie sich das Leben als Oktopus anfühlen muss, das beschäftigt die Protagonistin zunehmend und fließt in die im Roman abgedruckten Recherchen ein. Weniger kunstvoll als Luca Kiesers Oktopus-Roman „Weil da war etwas im Wasser“, aber dafür mit einem feinen Gespür für das Zwischenmenschliche und -tierische erzählt Anne Cathrine Bomann eine Geschichte über Freundschaft und Selbstfindung, die mich beim Lesen sehr berührt hat.
„Die Taucherin“
Ebenfalls um Freundschaft geht es in Verena Boos‘ aktuellem Roman „Die Taucherin“. Meeresbiologin Marina und Erzählerin Amalia kennen sich seit ihrer Kindheit, als Amalia mit ihrem Vater einige Monate in Valencia verbrachte und dort von Marinas Familie aufgenommen wurde. Jedoch liegt auf dieser Vergangenheit ein Schatten, der plötzlich die Gegenwart überlagert. Marina bricht den Kontakt zu Amalia ab und verschwindet spurlos. Die verletzte Freundin begibt sich auf ihre Spur und fördert Geheimnisse aus beiden Familien ans Tageslicht.
Verena Boos erzählt spannend und lässt Leser*innen in die Valencianer Gesellschaft und Geschichte eintauchen, baut zum Kontrast die Welt des Schwarzwaldes gekonnt auf. Der Stoff von „Die Taucherin“ hat sicherlich das Zeug zum literarischen Krimi, doch geht die Autorin diesen Weg nicht konsequent und verliert sich in langen dozierenden Passagen über Valencia, Ungenauigkeiten und Nebenschauplätzen. Die Figur der Marina bleibt abwesend und schemenhaft, doch auch Amalia und die Freundschaft der Frauen blieben für mich diffus. „Die Taucherin“ hat mich leider nicht komplett überzeugt, auch wenn ich die Aufarbeitung spanisch-deutscher Geschichte darin sehr interessant fand.
„Hotel Paraíso“
Kann man über die Feiertage ein verlassenes Hotel hüten, ohne Geister zu sehen? Nun, Frieda, die Protagonistin in Arezu Weitholz‘ „Hotel Paraíso“ gibt ihr bestes und gruselig geht es in diesem Roman tatsächlich nicht zu. Während Frieda sich im Luxushotel an der Algarve von einem Burnout erholt, leckere Gerichte für sich und einen geheimnisvollen Gast zubereitet und im Einklang mit dem Meer – der „Gotteswaschmaschine“ – ihren Alltag bestreitet, lässt sie ihre Vergangenheit Revue passieren und taucht bis tief in ihre Kindheit.
Arezu Weitholz gelingen poetische Sprachbilder, die besonders aufs Meer bezogen schöne Assoziationen hervorrufen. Immer wieder blitzen komische Momente auf und durchbrechen die ansonsten melancholische Stimmung. Die Figuren werden sympathisch gezeichnet, auch wenn gerade in der Gegenwart der Erzählerin wenig passiert: Renovierungsarbeiten, die Frieda beaufsichtigt, Spaziergänge mit dem Hund, kurze Begegnungen – die Geschichte ist wenig handlungsreich, dafür schwelgt der Text in Bildern und Gefühlen. Ganz ohne in ein Flugzeug zu steigen wähnt man sich beim Lesen an den schroffen Klippen der Algarve und spürt sehr viel Liebe für die Natur und die Küste.
- Rosa. Anne Cathrine Bomann. Aus dem Dänischen von Franziska Hüther. Hanserblau. 2024.
- Die Taucherin. Verena Boos. Kanon. 2024.
- Hotel Paraíso. Arezu Weitholz. Mare. 2024.
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