Endlich groß werden!

von | 18.02.2016 | Bilderbücher, Buchpranger

Wie sehr wünschen sich Kinder, so schnell wie möglich groß zu werden! So groß, dass sie an das Regal mit den Süßigkeiten herankommen, groß genug, um auf einem Karussell fahren zu dürfen und schließlich so groß, um ernst genommen zu werden. Denn Größe – so glauben sie – hat auch etwas mit Anerkennung zu tun. Um diese kämpft der Dackel in Hans de Beers Bilderbuch „Gustav ganz groß“ zwar nicht, doch ärgert er sich darüber, dass er aufgrund seiner Größe nicht alles erblicken kann.

Gustav ist kaum ein Jahr alt und unglücklich darüber, dass er viel zu klein ist. Er sieht nicht, was auf dem Tisch steht, er schafft es nicht, irgendwo hinauf zu kommen und kommt sich in dem großen Park doch recht verloren vor. Sein Blickfeld reicht nicht über seine Augenhöhe hinaus und da hilft es auch nichts, dass ihn eine Dogge auf den Rücken nimmt – da oben bekommt er eher Angst als eine erweiterte Sicht. Doch dann kommt dem kleinen Dackel die Idee, zur großen Brücke zu gehen, um von dort aus eine bessere Aussicht zu haben. Dass sein Vorhaben zu einem turbulenten Abenteuer wird, ist zu erwarten: Hochhäuser, Straßenverkehr, Menschengetummel – es ist für den kleinen Dackel gar nicht so einfach, sich zurechtzufinden. Doch gerade dadurch, dass er sich dieser Herausforderung stellt, zeigt er wahre Größe.

„Gustav ganz groß“ ist eines von vielen Bilderbüchern zum Thema „Großwerden“, das sich nicht von der Masse abhebt. Zwar wird ein Lösungsansatz angeboten, jedoch scheitert die Aussage des Bilderbuches an der Wahl der Identifikationsfigur: Fast schon tragisch endet die Geschichte damit, dass Gustav seine Größe nicht mehr als ein „großes Problem“ ansieht, aber weiterhin den Wunsch hegt, zu wachsen – dass gerade der Dackel niemals wirklich „groß“ wird, ist in diesem Kontext traurig und komisch zugleich.

Vielleicht hätte es mit dem Dackel als Identifikationsfigur auch funktioniert. Aber dann hätte die Geschichte anders aufgebaut sein müssen: mehr „Größe von innen“, weniger in die Richtung „körperliche Größe“ – und wenn doch, dann hätte ich mir doch zumindest das Aufzeigen der Vorteile, die das Kleinsein mit sich bringen, gewünscht. Vielleicht aber liegt es schlicht an dem Ausgang der Geschichte, der schlussendlich nur vor Augen führt, was in diesem Fall niemals möglich sein wird.

„Gustav ganz groß“ ist damit ein nettes Bilderbuch für zwischendurch, aber keines, das ich für die pädagogische Arbeit nutzen würde, um das Thema „Großwerden“ mit den Kindern anzugehen.

Zeichensetzerin Alexa

Gustav ganz groß. Hans de Beer. Übersetzung: Monika Götze. NordSüd-Verlag. 2015.

 

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