Frankfurter Buchmesse 2019

von | 09.11.2019 | Buchpranger

Die Frankfurter Buchmesse ist ein fester Termin im Kalender von Geschichtenbewahrerin Michaela. Sie freut sich jedes Jahr sehr darauf, doch dieses Mal war sie als Fachbesucherin unterwegs. Der Bücherstadt Kurier hatte Einladungen zum KiWi-Bloggerfrühstück und zum Diogenes-Bloggertreffen erhalten und so durfte sie bereits am Freitag auf die Messe.

Tag 1: Das KiWi-Bloggerfrühstück

Beim KiWi-Bloggerfrühstück war die Autorin Dana von Suffrin mit ihrem Erstlingsroman „Otto“ zu Gast und hatte ihren Lektor mitgebracht. Die beiden erzählten von ihrer Zusammenarbeit, die zu Beginn wohl nicht immer ganz einfach gewesen war. Vor allem hatte Dana anfänglich Schwierigkeiten mit seiner „Lektorensprache“ und es gab ein Ringen um die eine oder andere Szene im Roman. Doch dann verlief die Zusammenarbeit reibungslos. „Man muss lernen, miteinander zu reden“, erzählte Dana.

Die Autorin nannte ihr Buch zu Beginn ihrer Arbeit einen Antifamilienroman, wobei Familienromane sie sehr interessieren. „Jede unglückliche Familie ist auf ihre Art unglücklich.“ Das klingt nach einem sehr ernsten Buch. Doch das ist „Otto“ nicht. „Humor ist wichtig“, sagte uns die Autorin. „Skurriles und Groteskes, auch im Ernsten. Das ist wichtig.“ Das ist die Message des Buches.

Ihr Romanheld Otto lebte ein chaotisches Leben und nun, am Ende, ist er krank. Jetzt ist sein Leben ein Auf und Ab und er kann sich nicht entscheiden, wie und wann er gehen soll. Dana las einige Passagen aus ihrem Buch und erzählte anschließend mit viel Humor vom Entstehungsprozess ihres Romans. Ihrer Meinung nach hat jedes Buch autobiografische Züge. So kommt ihr Vater aus Siebenbürgen wie Otto und sie sprechen miteinander siebenbürgisches Deutsch.

Zum Ende konnte sich jeder ein Exemplar von „Otto“ mitnehmen und signieren lassen. Dana von Suffrin nahm sich viel Zeit und war auch für ein Gespräch bereit.

Bloggertreffen beim Diogenes Verlag

Die Schweizer Autorin Simone Lappert stellte ihren Roman „Sprung“ vor. Sie erzählt darin von einer Frau, die auf einem Dach steht und von den vielen Menschen, die zu ihr heraufschauen. Sie geben erschreckende Kommentare von sich. Eine ältere Frau meint, so jemanden wie diese Frau müsste man erschießen, eine andere fordert die Frau auf, vom Dach zu springen. Eine reale Situation inspirierte Simone Lappert zu ihrer Geschichte. Sie wollte wissen, was Menschen dazu bringt, so etwas in einer solchen Situation zu sagen.

Mir hat sehr gefallen, dass die Autorin den Prolog nicht las, sondern vortrug. Sie arbeitet schon während des Schreibprozesses mit dem Klang ihrer Stimme und liest viel laut. Simone Lappert schreibt auch Lyrik und Gedichte und ist für den Schweizer Literaturpreis 2019 nominiert. Leider gab es keine Lesung und die Autorin verabschiedete sich nach kurzer Zeit. Im Anschluss wurde das Frühjahrsprogramm des Diogenes Verlages vorgestellt.

Überall Prominente

Danach ging ich zum Lesezelt, um Sebastian Fitzek zu sehen. In seinem neuen Buch „Das Geschenk“ ist der Protagonist ein Analphabet. Bei seinen Recherchen beschäftigte sich der Autor intensiv mit dem Thema und lernte viele Analphabeten kennen. Er erzählte uns von ihren Geschichten und wie sie es schaffen, durch den Alltag zu kommen, ohne dass ihrer Umgebung auffällt, dass sie weder lesen noch schreiben können.

Sebastian saß gemeinsam mit einer Moderatorin und dem Kinderbuchautor und früheren Analphabet Tim-Thilo Fellmer von der Organisation „Alpha-Selbsthilfegruppe“ auf der Bühne. Fellmer erzählte seine Geschichte und berichtete, dass Sebastian Fitzek die Schirmherrschaft über den neu gegründeten Dachverband übernimmt.

Auf meinem Weg zum Pavillon des Gastlandes Norwegen besuchte ich vor allem die Hallen 3.0 und 3.1. Bei Droemer Knaur wurde gerade das Autorenpaar Iny Lorentz interviewt, auf dem Blauen Sofa saß Richard David Precht und auf der ARD Bühne sprach Rita Süssmuth.

Gastland Norwegen

Im Gastlandpavillon erwartete ich eine Präsentation des Landes mit viel Holz. Immerhin befinden sich in Norwegen einige der nördlichsten Wälder Europas und der nördlichste Buchenwald der Welt. Doch weit gefehlt. Die Halle wirkte spartanisch und kalt, mit vereinzelten Büchertischen, die jeweils an einem Aluminiumrohr befestigt waren. Gegenüber des Eingangs befanden sich rechts und links an je einer Wand zwei große Schwarz-Weiß-Fotografien von Bäumen. Dazwischen lag eine kleine Bühne für Gespräche und Darbietungen. Auf der Rückseite gab es noch ein Sofa für Interviews. Rechts und links an den Stirnseiten der Halle waren große Spiegel angebracht, die den Raum größer erscheinen ließen. Und auf einem Tisch standen Dosen, die verschiedene Gerüche enthielten. Ich würde von norwegischem Ziegenkäse abraten.

Mit Sicherheit hatte sich jemand Gedanken über die Gestaltung des Pavillons gemacht. Mir erschloss sich dieser jedoch nicht und so konnte er mich nicht überzeugen. Ich war mir im Vorhinein nicht sicher, ob ich einen norwegischen Autor kenne, bis auf Ibsen. Und doch, das 2017 in deutscher Übersetzung erschienen Buch „Die Geschichte der Bienen“ wurde von der norwegischen Schriftstellerin Maja Lunde geschrieben, und den Anfang der 1990er Jahre erschienenen und bis heute weltweit erfolgreichen Roman „Sofies Welt“ verfasste der norwegische Pädagoge und Schriftsteller Jostein Gaarder. Der Roman wurde 1999 sogar von dem norwegischen Regisseur Erik Gustavson verfilmt.

Tag 2: Publikumstag und Tolkiennachmittag

Am Samstag warf ich mich mit einer Freundin unter die Messebesucher des Publikumstages. Das Gedränge war groß und an meinen Kaffeestand kam ich nicht mehr so leicht. Überall befanden sich wieder die bekannten langen Schlangen. Dieses Jahr durften nicht nur am Sonntag, sondern bereits am Samstag Bücher verkauft werden und diese Möglichkeit wurde rege genutzt.

50 Jahre Tolkiens „Der Herr der Ringe“

Am Samstag wurde mit dem Tolkiennachmittag das 50jährige Jubiläum der ersten deutschen Herausgabe von „Der Herr der Ringe“ begangen. Das Jugendsinfonieorchester Hochtaunus begleitete den Nachmittag, spielte einige Stücke aus den Filmen und begann natürlich mit der Titelmusik. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Literaturkritiker Denis Scheck, der als ersten Gast den Verleger Michael Klett begrüßte. Dieser erzählte sehr amüsant, dass er „Der Herr der Ringe“ in Amerika kennenlernte, als er seine Cousine besuchte. Sie besaß eine Ausgabe, aber er zeigte kein Interesse daran. Es gab zu viel anderes zu entdecken. Nachdem er im Anschluss drei Monate durch die kanadische Wildnis wanderte, besuchte er einige Tage einen Freund in Chicago, der ihm die Trilogie auf den Nachtisch gelegt hatte. Zu erschöpft, um etwas zu unternehmen, las er die drei Bände innerhalb von 10 Tagen.

Zu Hause überredete er seinen Vater, „Der Herr der Ringe“ in deutscher Übersetzung auf den hiesigen Markt zu bringen. Kein leichtes Unterfangen für einen Mann, der einen Schulbuchverlag betreibt. Auch wurde „ein Extra“ benötigt und der Verlag Hobbit Presse wurde gegründet. Denn wie sich herausstellte, hatten schon viele „Der Herr der Ringe“ auf Englisch gelesen und wollten dies nun auch auf Deutsch tun – für einen Preis von 30 bis 35 DM nicht selbstverständlich. Dann kam der grüne Schuber und „Der Herr der Ringe“ war aus der deutschen Bücherlandschaft nicht mehr wegzudenken. Viele Jahre führte die Trilogie die Spiegelbestellerliste der Belletristik an. Man hörte Michael Klett an, wie stolz er darauf ist, dass „Der Herr der Ringe“ inzwischen Kult und nicht nur Literatur ist, sondern für viele auch eine Lebenseinstellung. Die Frage, ob er je J.R.R. Tolkien kennenlernt habe, verneinte er. Warum es nie zu einem Treffen kam, konnte er nicht sagen.

Als nächstes stand eine Lesung mit den Synchronsprechern Manuel Straube (Bilbo Beutlin) und Timmo Niesner (Frodo Beutlin) auf dem Programm. Es war ein Erlebnis, die bekannten Szenen mit den vertrauten Stimmen zu hören. Und wieder fiel mir auf, in welch schöner Sprache die Geschichte um den Ring geschrieben und auch übersetzt wurde. Im Anschluss bat Denis Scheck Straube und Niesner zum Interview. Timmo Niesner hatte bereits als Kind angefangen, die Trilogie zu lesen und liest sie immer wieder, Manuel Straub sah erst die Filme und wagte sich dann an die Bücher. Sie erzählten von ihrer Tätigkeit als Synchronsprecher und speziell über ihre Arbeit an „Der Herr der Ringe“. Die Arbeit des Synchronsprechers geschieht buchstäblich im Dunkeln und nur wenige wissen, dass mit Dialogbuch gearbeitet wird und es Regisseure gibt.

Nach dem Gespräch lasen die beiden eine Textpassage, in der Gollum vorkommt. Straub hatte sichtlich Spaß, das Wesen zu sprechen, und pfiff, röchelte und zischte. Der Unterschied zwischen der Lesung vor Publikum und in einem Synchronstudio ist, dass nicht gelacht wird, wenn der Sprecher bei der Arbeit auch Körper und Mimik einsetzt.

Die Veranstaltung hat viel Spaß gemacht. Denis Scheck bekannte sich zum Schluss dazu, Fantasy zu lesen. „Fantasy ist nicht Trivialliteratur, die nur Eskapisten lesen.“ Ich gebe ihm Recht. Es ist wirklich Zeit, Fantasyliteratur und ihre zahlreichen Untergruppen aus dem Nischendasein herauszuholen und ihr endlich einen gleichberechtigten Platz in der Welt der Literatur einzuräumen.

Ich bin froh, diesmal auch am Freitag auf der Messe gewesen zu sein. Es ist dann doch um einiges entspannter, es gibt weniger Gedränge und keine langen Schlangen. Ich freue mich schon auf das nächste Jahr und bin gespannt, wie sich dann das Gastland Kanada präsentieren wird.

Fotos: Geschichtenbewahrerin Michaela

 

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