In „Das Buch der Wunder“ erzählt Stefan Beuse von der Magie des Alltags, die zwei Geschwister im Wald entdecken. Worteweberin Annika hat den traumhaften Roman gelesen.
Die beiden Geschwister Tom und Penny spielen im Garten. Während Penny eine tote Maus in einem Haus aus Licht wiedererwecken möchte, ist dem etwas älteren Tom längst klar, dass Leben und Tod so nicht funktionieren. Aber hat er damit eigentlich recht?
„Jeder Mensch ist ein Planet, umhüllt von einer dünnen Atmosphäre aus Überzeugungen und Gedanken, dachte Tom. Und wie auf der Himmelsleinwand erscheint darauf nicht das, was ist, sondern nur das, was man durchlässt.“ (S.31)
Tom und vor allem Penny sind überzeugt davon, dass man im Leben genauso wie bei einem Radio die Frequenz ändern kann, um eine ganz andere Wirklichkeit zu erleben. Bei einem Ausflug im nahe gelegenen Wald führt Penny Tom in einen verwunschenen Dschungel, in dem ein unheimliches Wesen lauert. Kurze Zeit später stirbt Penny plötzlich und hinterlässt Tom ein Buch, in dem sie ihm Hinweise gibt, das „Buch der Wunder“. Als Tom verschwindet, wird eine Polizeikommissarin auf Pennys Buch aufmerksam. Doch noch bevor sie dessen Geheimnisse ergründen kann, taucht Tom wieder auf. Er wird erwachsen, schlägt ein entzaubertes, normales Leben in einer Werbeagentur ein. Doch die Kommissarin lässt die Geschichte von Tom nicht los. Schließlich erkennt sie die Parallelen, als eine Art Monster im Wald auftaucht. Ist es auf dem Weg zu Tom? Seine Welt gerät ins Wanken.
„Das Buch der Wunder“ wechselt zwischen den Frequenzen wie auch Penny und Tom: Fantasy-, Krimi-, Coming-of-Age-Roman… So wird der Roman uneindeutig und unvorhersehbar und damit zu einem außergewöhnlichen Lese-Erlebnis. Auch sprachlich überzeugt Stefan Beuses neues Werk: Seine Prosa ist klar, springt dabei vom kindlichen Blick der Geschwister und weiterer Figuren zum spannenden Krimi-Ton, vom flirrenden, traumähnlichen Stil der Dschungel-Passagen zur nüchternen Stimmung in Toms Erwachsenenleben.
Auch wenn sich all das zu einem Ganzen fügt, bleiben am Ende viele Fragen offen. Fragen, die jeder Leser für sich beantworten kann, wie er möchte, um damit auch zu entscheiden, wie viel Magie er in seinem (Roman-)Alltag zulassen möchte. Die Kinder Tom und Penny vertreten zwei gegensätzliche Weltsichten: Tom liebt das Buch „Welt der Wissenschaft“, rationale Begründungen und Realität. Penny hingegen ihre eigene Version des Dschungelbuchs, Träume und Fantasien. „Das Buch der Wunder“ bewegt sind wie seine Protagonisten im Spannungsfeld dazwischen.
Stefan Beuses Roman ist faszinierend, außergewöhnlich und lehrreich – ein Wunder-Buch!
Das Buch der Wunder. Stefan Beuse. Mairisch Verlag. 2016.
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